Das Jahr 2022 neigt sich dem Ende. Höchste Zeit, einen Blick zurückzuwerfen. Denn es war einiges los. Die Corona-Pandemie ist noch nicht vorbei, aber sie hat im gesellschaftlichen Alltag kaum noch eine Rolle gespielt. Dementsprechend ging es im Bar-Leben und der gesamten Spirituosen-Industrie wieder hoch her. Neue Bars haben geöffnet, Messen fanden wieder regulär statt. Wir besuchten in diesem Jahr etwa das German Rum Festival, den Bar Convent Berlin und den Bottle Market in Bremen, wo wir viele spannende Spirituosen entdeckten.
In diesem Artikel stellen wir euch unsere Highlights vor.
Rum des Jahres: And the winners are …
Beginnen wir mit der für uns schwersten Kategorie. Es gab 2022 viele tolle Abfüllungen, von Australien über Hawaii bis zu Jamaika. Doch um ehrlich zu sein: Es gab für uns nicht DEN einen Rum, der alle überstrahlt hat. Denn welcher einem besonders gut schmeckt, hängt ja auch immer vom jeweiligen Geschmack und der Tagesform ab. Und deshalb haben wir uns entschieden, unsere Rums des Jahres in einem separaten Artikel vorzustellen. Dort findet ihr alle möglichen Kategorie, unter anderem
- Überraschung des Jahres
- Flop des Jahres
- Twist des Jahres
- Newcomer des Jahres
und einiges mehr. Lest doch mal rein.
Whisky des Jahres: Ardbeg Hypernova
Mehr geht nicht – der Titel meiner Review der Ardbeg Hypernova bezog sich vor allem auf die Zahl 170. So viele ppm stecken in dem Scotch, mit diesem Phenolgehalt war es der rauchigste Ardbeg aller Zeiten. Doch Superlative allein machen bekanntlich noch keinen Genuss. Glücklicherweise ist die Hypernova jedoch eine der gelungeneren Limited Editions der letzten Zeit. Rauch, etwas salzig, eine dezente Süße – das war schon ein leckerer Tropfen, der rasend schnell vergriffen war.
Doch wir fanden nicht nur die Spirituose an sich cool, sondern auch das dazugehörige Etikett. Das liebevoll gestaltete Etikett zeigt einen Astronaut, der aus einer Sternenexplosion herauszufallen scheint – und all das leuchtet im Hologramm-Stil wie früher die Glitzersticker aus dem Panini-Album. Das ist verspielt, ohne kitschig zu sein. Und untermauert einmal mehr, dass Ardbeg in Sachen Aufmachung einfach weiß, wie man die Fan-Base begeistert.
Agavenbrand des Jahres: Topanito Mezcal Madre Cuishe
2022 war auch ein Jahr, in dem wir uns deutlich mehr mit Agavenbränden beschäftigt haben. Unter anderem mit den Abfüllungen von Mayaciel, Volcan de mi Tierra und Topanito. Aus der letztgenannten Reihe stammt auch unser Agavenbrand des Jahres – ein Mezcal aus Wild-Agaven namens Madre Cuishe! Ein extravaganter Mezcal, anders als alle anderen.
Dieser Mezcal verströmt im Glas sofort die typisch rauchigen Aromen. Daneben passiert aber noch einiges. Es zeigen sich ausgeprägte mineralische und florale Noten, Pfeffer und erdige Aromen, die aber auch an Tabak und Tannine erinnern. Der Rauch wirkt für mich sehr gut eingebunden und keinesfalls übertrieben. Tief im Glas finde ich noch vegetal-estrige Aromen, die eine gewisse Schwere in der Nase entwickeln und mich ganz zart an Clairin und Klebstoff denken lassen und eine leichte Salzigkeit. Das gefällt mir schonmal sehr gut.
Im Mund setzt sich natürlich das Raucharoma in Szene, dann aber folgen süß-fruchtige Aromen, die in mir entfernt die Erinnerung an gegrillte Ananas weckt. Daneben finde ich wieder florale und grasige Noten, Pfeffer, Salz, leichte Bitternoten und Zitronenschalen. Insgesamt unerwartet mild, frisch und sehr gut balanciert. Der Alkohol ist für mich sehr gut eingebunden und stört zu keinem Zeitpunkt.
Der Topanito Madre Cuishe spannender Mezcal, der mir ausgesprochen gut gefällt. Er ist definitiv einer der milderen Vertreter dieser Spirituosenkategorie, zumindest in Bezug auf den Rauch, was mir persönlich aber sehr gut gefällt. Ansonsten gibt es hier eine ganze Menge zu entdecken. Die vegetalen und Umami-Noten schieben diese Abfüllung schon fast ein wenig ins Herzhafte, dadurch schreit der Topanito Madre Cuishe*af förmlich nach einer Margarita!
Gin des Jahres: Gin Sul Ilhas Do Sul
Die Gin Sul Limited Edition 2022 trägt den Beinamen Ilhas Do Sul. Übersetzt heißt das so viel wie “Inseln des Südens”. Der Name wurde nicht zufällig gewählt, denn für die diesjährige Edition zog es das Team im Mai auf die Kapverden, eine Inselgruppe vor der Nordwestküste Afrikas. “Für Ilhas do Sul wurden aromatische Bananen, exotische Guaven, frische Limetten, Orangen und natürlich Wacholder mit Alkohol aus Zuckerrohr mazeriert und anschließend destilliert”, heißt es in der offiziellen Beschreibung.
Und genau das schmeckt man bei diesem Gin auch. Nichts schmeckt künstlich, die Aromen sind perfekt abgestimmt. Die Banane kommt wunderbar zur Geltung. Hat uns sehr gut gefallen – und damit ist der Gin Sul Ilhas Do Sul unser Gin des Jahres!
Likör des Jahres: Dry Curacao Yuzu von Pierre Ferrand
Früher stand Curacao für quietschsüße, beinahe sirupartige Liköre. Das renommierte französische Cognac-Haus Pierre Ferrand machte es sich zur Aufgabe, gemeinsam mit dem Cocktail-Historiker David Wondrich einen Dry Curacao im alten Stil zu entwickeln. Das ist gelungen und schmeckt im Ergebnis fruchtig, würzig, süß und bitter zugleich. Eine Offenbarung für Drinks, egal ob Klassiker oder neu-interpretiert!
Umso neugieriger war ich, als ich auf dem Bar Convent Berlin 2022 am Stand von Pierre Ferrand einen neue Flasche entdeckte: Dry Curaçao Yuzu Late Harvest. Der Twist hier liegt im Reifegrad der verarbeiteten Früchte.
Ich fand den Dry Curacao Yuzu auch ziemlich lecker, wenn auch ungewöhnlich. Sehr würzig und intensiv. Er erinnerte mich geschmacklich eher an die Sudachi als an eine Zitrone. Ich würde damit sehr gerne den einen oder anderen Drink zubereiten. Leider ist er nicht im normalen Fachhandel erhältlich. Hoffentlich ändert sich das bald. Dennoch: Für uns ganz klar der Likör des Jahres.
Abfüller des Jahres: Grape of the Art
Bei dieser Kategorie waren wir uns beide sofort einig: Grape of the Art sind für uns zweifelsfrei die Abfüller des Jahres 2022! Nicht nur weil sie Armagnac, diese olle Spirituose, wieder salonfähig, ach was, sogar cool und begehrenswert gemacht haben. Kein anderer Hersteller hat durchgängig so eine hohe Qualität abgeliefert wie GotA. Jede Abfüllung schmeckte anders, wirklich jede hatte ihren eigenen Charme. Zudem sind die Flaschen auch fair bepreist, was sich mittlerweile herumgesprochen hat – dementsprechend sind die Abfüllungen mitunter auch sehr schnell ausverkauft. Unser Highlight des Jahres war der Séailles 1988, der uns an alte Demerara-Rums erinnerte. Wir hoffen auf ein ebenso sensationelles Jahr 2023, dann steigt unter anderem auch das erste Armagnac-Festival in Stuttgart.
Cocktail des Jahres: Sundance Kid
Was war unser Drink des Jahres? Nach kurzer Diskussion beschränkte sich die Auswahl auf zwei Drinks – einmal den Pacino und einmal den Sundance Kid. Und weil wir Freunde von süffigen Sommerdrinks sind war klar – das Jahr 2022 gehörte dem Sundance Kid. Die Kombination aus Erdbeere, Bourbon und Campari gefiel uns einfach wahnsinnig gut. Mehr über das Rezept und die Geschichte des Drinks könnt ihr in diesem Artikel nachlesen. Wir warten bereits sehnsüchtig auf die nächste Erdbeersaison …
Flasche des Jahres: Yuzilla
Der Name: lustig
Das Flaschendesign: genial
Beim Look des Yuzilla Gin* stimmt einfach alles. Die transparente Flasche hat einen leichtem Gelbstich, was perfekt zur Zitrusaromatik passt. Die Oberfläche sieht mit ihren Kratzern und Furchen aus, als hätte das namensgebenden Monster kurz seine Krallen darüber gewetzt. Das schwarze Etikett zeigt das riesige Auge der Echse – welches in Wahrheit ein Zitronenachtel ist. Selbst der obligatorische Schwangerschafts-Hinweis auf der Rückseite zeigt eine kleine Monsterechse mit Babybauch. Wir lieben solche Details – und deshalb geht der Preis für die Flasche des Jahres nach Hamburg, zur Kreativschmiede Tastillery!
Aperitif des Jahres: Ode
Der Ode Aperitif* hätte den Preis für das abgefahrene Flaschendesign des Jahres definitiv verdient. Damit allein würde man der Spirituose jedoch Unrecht tun: Denn auch wenn die Flasche definitiv die Blicke auf sich zieht, der Inhalt überzeugt ebenso, wie ein Abend mit Freunden bewies. Ob pur auf Eis oder mit Tonic, jeder war angetan von dem gelben Aperitif, der mit seinen Zitrus-Weinaromen sowas von Lust auf Sommer macht. Tolle Drinks lassen sich damit natürlich auch kreieren – etwas Inspiration findet ihr in unserem Test des ODE.
Neuentdeckung des Jahres: Hon Mirin von Ginza
Der Teriyaki-Likör – so nannten wir den Hon Mirin vereinfacht, als wir ihn auf dem diesjährigen BCB am Stand von Ginza Berlin entdeckten. Hon Mirin ist ein Likör, der zum Würzen in japanischen Gerichten verwendet wird. Er besteht aus ausschließlich natürlichen Zutäten, genauer aus gedämpftem Klebreis, Reis-Koji und Reis-Shochu. Insgesamt reift er für mindestens 40 bis 60 Tage. In diesem Zeitraum zersetzen die Enzyme des Reis-Koji die Stärke und das Protein des Klebreises, dabei entstehen verschiedene Zucker, Aminosäuren und Aromakomponenten. Der im Shochu enthaltene Alkohol unterbricht die weitere Fermentation, ähnlich wie man es von der Herstellung von Portwein kennt. Coole Sache – und unsere Neuentdeckung des Jahres!
Finish des Jahres: Adriatico Amaretto Caroni Cask
Hat die Welt auf einen Amaretto gewartet, der in einem Caroni-Fass veredelt wurde? Auf keinen Fall. Ist es dennoch großartig? Sowas von! Aromatisch findet man bei der Limited Edition 2022 die typischen Aromen des Adriatico Amaretto*: Bittermandel, Vanille, Karamell, etwas Salz und Marzipan. Das Caroni-Fass verleiht ihm jedoch noch etwas mehr Tiefe. Holznoten, eine Würzigkeit und sogar etwas von der caroni-typischen Dreckigkeit finden den Weg in diesen Amaretto. Nicht zu dominant, aber doch zu schmecken. Ein gelungenes Experiment von Adriatico Amaretto!
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Last modified: 31. Dezember 2022