Rum Artesanal: Zwei Venezuela-Abfüllungen im Test 🥃🥃

Rums aus Venezuela sind in der Szene ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite sind sie eine sichere Bank, bei der man selten etwas falsch macht. Das häufig würzige, leicht süße Aromenprofil schmeckt eigentlich allen Menschen. Und bei einem guten Gespräch mit Freunden kann man einen solchen Rum auch bequem einen ganzen Abend im Glas haben, ohne dass er anstrengend wird. Nicht umsonst zählen Marken wie Botucal (gesüßter Rum aus Venezuela) oder Santa Teresa (ungesüßt) zu den beliebtesten überhaupt. Bei den Rum-Nerds lockt man damit jedoch niemanden hinter dem Ofen hervor.

Dieses Klientel schaut eher nach Venezuela-Rums in Fassstärke. Und hier gibt es viele langweilige, aber immer mal wieder auch einige sehr spannende Abfüllungen zu entdecken.

Venezuela-Rums profitieren meiner Meinung nach enorm von einer Abfüllung in Fassstärke. Denn in Venezuela ist es im Gegensatz zu anderen Staaten nicht gestattet, die Verdunstungsverluste bei der Fassreifung (auch bekannt als angel’s share) wieder aufzufüllen.

Eine bekannte venezolanische Destillerie ist die die Corporacion Alcoholes del Caribe (bekannter unter der Abkürzung C.A.D.C). Die deutsche Marke Rum Artesanal hat in den vergangenen zwei Jahren gleich zwei Abfüllungen in Fassstärke auf den Markt gebracht. Wir haben beide miteinander verglichen.

Rum Artesanal Venezuela CADC 2007 (59,8%)

Dieser Rum aus Venezuela reifte 12 Jahre und 10 Monate und wurde im Cognac-Fass gefinished. Er ist ein sehr gefälliger Vertreter seines Landes. Ein Easy Sipper.

Nach etwas Zeit im Glas riecht man Milchschokolade, Toffee, leichte Röstnoten von Kaffee. Dazu finden sich eine zurückhaltende Süße, wie bei Bienenwachs, und Beeren mit Kirsche. Mon Chéri!

Im Mund fällt direkt die ölige Süße auf. Der Körper ist nicht zu schwer, neben den fruchtigen Schokoladen-Aromen findet man würzige Kräuter. Der Alkohol ist anfangs jedoch sehr präsent, fast etwas zu scharf. Im Laufe der Zeit verfliegt er jedoch und gibt den Aromen etwas mehr Raum. Im Abgang bleiben Holz, Schokolade, Kirschen und Dörrfrüchte.

Der Preis lag seinerzeit bei 49 Euro für 0,5 Liter. Damit muss man ihm ein hervorragendes Preis-Leistungs-Verhältnis attestieren und rückwirkend hätte man sich noch ein bis zwei Flaschen mehr sichern sollen. Aber wo gilt das in der Rumwelt nicht?

Rum Artesanal Venezuela CADC 2005 (57,8%)

Kommen wir zur neuesten Abfüllung aus dem Hause Rum Artesanal – ein Venezuela CADC 2005, abgefüllt mit 57,8%. Der Rum ist damit 17 Jahre alt. Ähnliche Specs, nur ein paar Jahre länger im Fass – ich erwartete, der Rum würde ähnlich schmecken, vielleicht noch etwas runder. Weit gefehlt.

Der 2022er knallt mir direkt mit voller Wucht Gewürze, Harz und Fichte entgegen. Über allem hängt ein Büschel Minze. Am Gaumen: pure Erfrischung! Ich habe das Gefühl, ich trinke einen Mix aus fassgelagertem Mojito und Hustensaft! Das Aroma bleibt sehr lange am Gaumen, es gibt keine störenden Bitternoten. Ein Aromenprofil, das ich so nicht erwartet habe. Aber andererseits sind venezolanische Fassstärken ja immer mal für eine Überraschung gut.

Der Preis liegt bei 69 Euro für 0,5 Liter. Das ist natürlich teurer als 2020, aber in meinen Augen immer noch ein fairer Preis. Aber die Flasche möchte ich aufgrund des abgefahrenen Profils nicht zuhause haben.

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