Meinen ersten Ti Punch habe ich vor mehr als zehn Jahren in der Bar Cabana in Hamburg getrunken. Das war eine Tiki-Bar direkt am Hamburger Fischmarkt und meine erste Begegnung mit der Tiki-Kultur. Eine prägende Erfahrung. Der damalige Barchef Simon Rixen und sein Team weckten meine heutige Begeisterung für Rum und Tiki-Drinks. Das Rumangebot dieser Bar war sehr umfangreich und man konnte sich jeden bestellten Rum auch als Ti Punch servieren lassen.
So kam es dann zur zweiten prägenden alkoholischen Begegnung, dem R(h)um Agricole. Pere Labat war mein erster Agricole und ist bis heute mein bevorzugter. Mit mehreren Vertretern dieser Marke haben wir uns in einem Tasting näher beschäftigt.
Was ist ein Ti Punch?
Ti Punch bedeutet übersetzt „der kleine Punsch“ (französisch: Petite Punch), getrunken wird er in den französischen Überseedepartements. Dazu gehören die französischen Antillen, bestehend aus Martinique und Guadeloupe. Im Indischen Ozean gesellen sich La Réunion und Mauritius dazu. Ebenso spannend sind die Zuckerrohrsaft-Destillate aus Haiti. Diese nennt man dort jedoch Clairin.
Der Ti Punch gehört zu den Rum Sours, besteht also aus Rum – in dem Fall Agricole -, Zucker und Limette. Ähnlich einer Caipirinha (Cachaca) oder einer Daiquiri (Melasserum). Aber deutlich unaufwendiger.
Da die meisten Rhum Agricole sehr hochprozentig daher kommen, 50 bis 60 Volumenprozent sind keine Seltenheit, ist dies ein sehr starker Drink. In seiner Heimat gibt es deswegen den Ausspruch „Chacun prepare sa propre mort“ – „seinen Tod selber zubereiten können“.
Die erste schriftliche Erwähnung des Ti Punch stammt aus dem Jahr 1890 in einem Buch namens “Two Years in the West Indies” von Lafcadio Hearn, einem Reiseschriftsteller.
Was ist Rhum Agricole?
R(h)um Agricole wird direkt aus frisch gepresstem Zuckerrohrsaft hergestellt, der Rest der Rumproduktion erfolgt aus Melasse. Rhum Agricole wird in den französischen Überseedepartments produziert und ist in seiner Herstellung sehr streng geregelt. Nur etwa 3 bis 5 Prozent der Rumprodukte sind Agricole. Mehr zum Thema Agricole findest du in diesem Beitrag.
Generell kann man sagen, dass der Geschmack von Rhum Agricole extrem von der Region abhängt, in der das Zuckerrohr wächst. Die Bodenbeschaffenheit ist überall anders. Rhum Agricole kann deshalb geschmacklich extrem vielfältig und komplex sein. In der Regel ruht er übrigens mehrere Monate in Stahltanks, bevor er konsumiert wird. Direkt aus der Brennblase wäre er viel zu anstrengend.
Ti Punch – das Rezept
In der Heimat des Ti Punch nimmt man es mit den Rezepten eher nicht so genau. Jeder bereitet sich den Drink nach eigenem Geschmack zu. Traditionell wird er in einem kleinen Glas zubereitet, zumeist ohne Eis. Rum wird an den Platz gebracht. Limetten oder auch nur Limettenschalen werden mit Zucker dazu gereicht.
Auf dem German Rum Festival 2018 trafen wir den bekannten französischen Bartender Stephen Martin. Der Markenbotschafter der St. James Distillery (Martinique) präsentierte uns sehr viele seiner Produkte und erläuterte uns geduldig die Unterschiede der Lagerung oder der Verblendung. Zum Schluss bereitete er uns noch einen typisch kreolischen Ti Punch zu. Das Rezept war: 40 ml Saint James blanc*, 2 Limettenachtel auspressen und mit in den Drink, 2 Barlöffel flüssiger Zucker, rühren, fertig!
Eine Version, die definitv jede Facette des Agricole offen legt, aber eine äußerst kräftige Geschichte. Bei dieser Variante ist es sehr wichtig, die ätherischen Öle der Schale mit in den Drink zu bekommen. Dazu drückt man eine Limette mit der Schale am Rand des Glases aus und bringt so die Öle mit in den Drink.
In Berlin bin ich auch gerne Gast im Fairytale. Sie gehört zu meinen absoluten Lieblingsbars in der Hauptstadt. Nach einem längeren und sehr interessanten Gespräch mit dem Bartender Holger mixte mir dieser zum Abschluss ebenfalls einen Ti Punch. Oder viel mehr seine Interpretation des Drinks. Er rührte 60 ml Meermaid Overproof – ein mittlerweile nicht mehr verfügbarer Spiced Rum -, Limettensaft und Zucker kalt. Dann seihte er den Drink auf einen großen Eiswürfel in einen Tumbler ab. Hat mir sehr gut gefallen.
Extrem nah am Original und irgendwie doch modern wurde der Drink in der Boheme Mixology Bar in Catania serviert. Nur der Rum kam mit Eis im Tumbler. Dazu gab es Rohrohrzucker und Limettensaft zum selber dosieren.
Bis jetzt für mich der beste Ti Punch den ich in einer Bar genießen durfte. Schließlich trinkt ja auch das Auge mit!
Mein Rezept lautet:
- 60 ml Pere Labat 59*
- 20 ml Limettensaft
- 20 ml Zuckersirup (oder Canesirup)
- 1 Limettenzeste
Das Ganze baue ich auf einem großen Eiswürfel und rühre den Drink einen Moment im Glas.
Ti Punch Highball
Paul McGee, Lost Lake, Chicago
Zutaten
- 45 ml Agricole
- 1-2 BL Zuckersirup
- 60 ml Kokoswasser
- 60 ml Tonic
- runde Limettenzeste
Zunächst die Zeste ins Highball Glas geben und muddlen, damit die Öle austreten können. Rum, Zuckersirup und 4 Eiswürfel hinzufügen und kalt rühren. Kokoswasser und Tonic dazugeben und nochmals kurz rühren.
Cheers!
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Schlagwörter: Agricole, Chacun prepare sa propre mort, Clairin, Cocktail, Destillat, Guadeloupe, Haiti, kreolisch, La Reunion, Martinique, Rhum, Rum, Rum Sour, Tasting, Ti Punch, Ti Punch Highball, Tiki, Zuckerrohrsaft Last modified: 31. Dezember 2023