Angostura, ein Name, der in der Welt der Bitters eine große Bedeutung hat und in jeder Bar auf der Welt ein zu Hause hat. Wir waren von Volume Spirits zum Launch des Angostura Zenith eingeladen und haben so die Möglichkeit gehabt noch mehr über die Marke Angostura und die Trinidad Distiller Limited Brennerei, die letzte auf Trinidad verbliebene Brennerei, und die Core Range von Angostura zu erfahren und die neue Premium Abfüllung zu probieren.
Die Ursprünge der Angostura-Bitters reichen bis in das frühe 19. Jahrhundert zurück und sind eng mit der Person von Dr. Johann Gottlieb Benjamin Siegert und der Stadt Angostura, heute Ciudad Bolívar, in Venezuela verbunden. Neben den klassischen Angostura-Bitters entwickelte das Unternehmen im Laufe der Jahre weitere Produkte. Dazu gehören verschiedene Aromen von Bitters sowie eine Reihe von Rums.
Um genau diese Rums sollte es in diesem Tasting gehen. Dabei wurden die Dauerabfüllungen und die beiden neuen Sonderabfüllungen vorgestellt. Eine davon ein Blend aus Angostura Rum und Rum der berühmten Caronibrennerei, die 2003 für immer ihre Pforten geschlossen hat und auf dem Rummarkt seit spätestens Mitte der 2010er extrem große Begehrlichkeiten weckt. Die andere Abfüllung zu Ehren des ehemaligen Master Distillers John Georges, der die Geschicke an der Distille bei Angostura 40 Jahre leitete und uns auch durch das Zasting führte. Gefeiert wurde ganz nebenbei das 200-jährige Bestehen der Marke, denn die Geschichte der Marke geht bis ins Jahr 1824 zurück.
Einige für mich bekannte Gesichter waren unter den Gästen anwesend, darunter der „Rumperator“ Dirk Becker und seine Gang, die am Vorabend bereits das Vergnügen mit John Georges im Rumdepot hatten. Ebenso die Crew des Rum Traders in Berlin. Einer ikonischen Bar mit langer Geschichte mitten in Berlin, der wir im letzten Jahr endlich einen Besuch abstatten konnten. Aber zunächst ein paar Worte zur Geschichte von Angostura.
Die Anfänge
Dr. Johann Gottlieb Benjamin Siegert, ein deutscher Arzt, wanderte im Jahr 1820 nach Venezuela aus, um sich den Unabhängigkeitskriegen unter der Führung von Simón Bolívar anzuschließen. Er wurde zum Chirurgen-General der Militärkrankenhäuser in der Stadt Angostura ernannt. In dieser Zeit begann er mit der Entwicklung eines medizinischen Tonikums, um die Verdauungsprobleme und Magenverstimmungen der Soldaten zu lindern. Nach vier Jahren intensiver Forschung und Experimente entwickelte Dr. Siegert im Jahr 1824 die endgültige Formel der Angostura-Bitters. Damit war die Marke geboren.
Der Erfolg von Angostura-Bitters
Die Angostura-Bitters erwiesen sich als äußerst wirksam und gewannen schnell an Popularität, nicht nur in Venezuela, sondern auch international. Dr. Siegert begann, seine Bitters nach Europa und in die Vereinigten Staaten zu exportieren. Die Bitters wurden nicht nur als Heilmittel verwendet, sondern fanden auch ihren Weg in die aufkommende Welt der Cocktails und kulinarischen Anwendungen.
Der Umzug nach Trinidad
Nach dem Tod von Dr. Siegert im Jahr 1870 übernahmen seine Söhne, Carlos und Alfredo Siegert, das Geschäft. Sie beschlossen, die Produktion nach Port of Spain, Trinidad und Tobago, zu verlegen, um die wachsende Nachfrage besser bedienen zu können. Dort gründeten sie die Angostura-Werke.
Besitzerwechsel, die Übernahme von Fernandes und die Bacardi Zeit
Die meiste Zeit war und ist Angostura im Besitz der Familie Siegert. 1958 erwarb allerdings der Staat Trinidad Angostura. Der Grund war der Versuch eines kanadischen Investors das Unternehmen zu kaufen und auf die Bermudas auszulagern, um Steuern zu sparen. Kurze Zeit später verkaufte der Staat aber das Unternehmen an die Familie Siegert zurück.
Als dann 1973 Bacardi seine Produktionskapazitäten erweitern wollte fanden sie in Angostura einen geeigneten Partner. Angostura musste für den Deal jedoch die eigenen Kapazitäten erweitern und kaufte deswegen im gleichen Jahr die Fernandes Brennerei, die sich genau gegenüber befand und bis dahin der Marktführer in Trinidad war. Bacardi beteilgte sich zu 40% an den Neuanschaffungen und der Fernandes Übernahme. Dafür wurde die Rumpro Company Ltd. Holdinggesellschaft gegründet.
1997 wurden die Rumpro von der CL Financial, einem Konglomerat in Privatbesitz aus Trinidad, aufgekauft. CL Financial war auch in anderen Bereichen unterwegs und kaufte ab Mitte der Neunziger zahlreiche Unternehmen auf. Nach Angostura folgten noch weitere Spirituosenunternehmen wie Appleton Estate, Belvedere Vodka, Hine Cognac und E&A Sheer.
Mit der Finanzkrise 2007 änderte sich dann wieder alles, denn die CL Financial war finanziell schwer angeschlagen und die Regierung von Trinidad musst die Holdinggesellschaft mit einigen Milliarden retten. Dafür bekam sie die Mehrheit der Sitze im Vorstand. Sämtliche Spirituosenunternehmen außer Angostura wurden wieder abgestoßen und so hält CL Financial heute noch mehr als die Hälfte der Anteile an Angostura.
Angostura/Trinidad Distillers Limited heute
Die Geschichte von Trinidad Distillers Limited beginnt in den frühen 1940er Jahren, als die Familie Siegert beschloss, ihre Aktivitäten auf die Rumproduktion auszudehnen. Nach dem Erfolg der Angostura-Bitters wollte die Familie die Möglichkeiten nutzen, die Trinidad und Tobago als Standort für die Herstellung von Premium-Rum boten.
1949 wurde die Trinidad Distillers Limited offiziell gegründet, um die steigende Nachfrage nach hochwertigem Rum zu bedienen. In den 1960er Jahren wurde Trinidad Distillers Limited vollständig in die Angostura-Gruppe integriert. Diese Integration stärkte die Marke Angostura und ermöglichte eine nahtlose Verbindung zwischen der Produktion von Angostura-Bitters und Angostura-Rum. T.D.L investierte in der Folge kontinuierlich in moderne Technologien und erweiterte ihre Produktionskapazitäten. Die Brennerei setzte auf innovative Destillationstechniken und verbesserte kontinuierlich ihre Produktionsprozesse. Dies ermöglichte es der T.D.L, sich als einer der führenden Rumproduzenten in der Karibik zu etablieren.
Die Caroni Destillerie auf Trinidad wurde bereits 1918 neben der Caroni Zuckerfabrik gegründet. Durch die Caroni Zuckerfabrik und noch weitere Zuckerfabriken gab es auf Trinidad ausreichend Melasse für beide Brennereien, die letzte Zuckerfabrik auf Trinidad wurde allerdings 2007 geschlossen. Dadurch war die T.D.L gezwungen sich auch außerhalb von Trinidad nach Melasse umzuschauen. Anfänglich bekamen sie noch viel Melasse von der Guyana Sugar Company, aber auch diese schaffte es im Laufe der Jahre nicht mehr die Nachfrage zu decken (auch nicht den Bedarf der D.D.L), deswegen bezieht die T.D.L derzeit Melasse aus mehreren Ländern wie der Dominikanischen Republik oder auch Fiji und verschiedenen südamerikanischen Ländern. Gelagert wird die Melasse in riesigen Tanks, die zwischen 6.000 und 10.000 Tonnen Inhalt haben.
Die Fermentation findet in 14 geschlossenen und temperaturgeregelten Gärtanks mit einem Fassungsvermögen von 150.000 Litern statt. Für die Vergärung wird ein eigener Hefestamm herangezüchtet und die Melasse mit Wasser auf den benötigten Brix Wert verdünnt. Die Gärung dauert etwa 48 Stunden, bei der Produktion des schweren Rum verlängert sich die Fermentationszeit nach der Beendigung der aktiven Fermentation noch etwas. Ein Verfahren das man zum Beispiel auch aus St. Lucia kennt.
Momentan stehen drei verschiedenen Multi – Columnstills – mit einem maximalen jährlichen Output von 8,5 Millionen Liter reinem Alkohol – für die verschiedenen Stilistiken zur Verfügung. Ursprünglich begann Angostura mit einer Savalle, die aber heute nicht mehr vorhanden ist. Von den aktuellen Stills stammen zwei aus der Zeit in der die T.D.L auch Rum für Bacardi produzierte. Die neueste Still stammt aus dem Jahr 1999. Bei der Produktion von schwerem Rum, der dann einen Congenersgehalt zwischen 300 und 400 gr/hlaa beinhaltet, wird nur eine der Säulen zur Destillation eingeschaltet. Dabei entsteht ein Rum mit einem Alkoholgehalt um die 80%. Der leichte Rum, der alle Kolonnen durchläuft, hat einen Alkoholgehalt von 95%. Zwischendurch wird auch immer wieder Rum zwischen den Säulen und Kupferplatten entnommen und später mit dem Rum vermischt um dem Endprodukt gezielt Aromen hinzuzufügen.
Das Lager beherbergt zwischen 60 und 80.000 Fässer, wobei der Großteil der Reifung in ehemaligen Bourbonfäsern erfolgt. Die Fässer stammen von Jack Daniels und Four Roses. Einige Fässer enthielten vorher auch Sherry und Cognac. Diese machen aber den mit großen Abstand geringsten Anteil aus. John Georges erzählte das es ein glücksfall sei, das Bourbon immer in neuen Fässern reifen muss und das es aktuell Veränderungen in der gesetzlichen Lage der Bourbonreifung gibt und die Bourbonfässer nun auch wiederverwendet werden können. Das “ist schlecht für den Rest der Welt”, weil sich dadurch die Preise und Qualitäten der Fässer verändern werden.
Der leichte Rum geht mit 75% in die Fässer, während der schwere Rum mit 60 – 65% in die Fässer wandert. Der Angel’s Share liegt in der ersten Jahren bei bis zu zehn Prozent. Das ist typisch für die karibischen Staaten, wehalb die Fässer der einzelnen Jahrgänge regelmäßig wieder miteinander vermischt und die Fässer aufgefüllt werden. Das verringert die Verdunstung.
Auf eine Frage eines Teilnehmers während des Tastings erzählte John Georges noch, dass das Karamell für die Färbung bei Angostura selbst hergestellt wird und das es davon zwei verschiedene gibt. Eins für die Rums und eins mit mehr Bitterstoffen für die Bitters. Wo der genaue Unterschied liegt habe ich leider nicht so richtig mitbekommen.
Tasting
Nachdem mir von Alexander Scanlan der Brand Ambassador Martin Börzel vorgestellt wurde ging für ein kurzes Interview mit John Georges in den Curtain Club. Bei der Rückkehr in die Smokers Lounge war der Raum dann auch gefüllt, die Tastinggläser standen auf dem Tisch und es gab bereits einen Welcome Drink und für das leibliche Wohl wurde auch gerade mit karibischen Fingerfood, oder eher Löffelfood, gesorgt. Die Gespräche waren auch schon rege im Gange. Die Stimmung wirkte sehr gut. Kurze Zeit später ging es dann schon mit der Geschichte von Angostura und ein paar Anekdoten los, ehe wir uns der ersten Abfüllung widmeten.
Angostura 7
Das Tasting startete mit der siebenjährigen Abfüllung. Es gibt auch noch eine ungelagerte und eine fünfjährige Abfüllung. Der siebenjährige Angostura ist ein Blend aus leichten, mittelschweren und schweren Rums, die mindestens sieben Jahre lagern durften. Abgefüllt wird er mit 40%. Ein relativ leichter Rum mit Aromen von Vanille, Kakao und ein paar Rosinen mit einem sehr würzigen Abgang. Nicht übermäßig aufregend, aber auch nicht schlecht. Einfach ein solider Rum. Und in Drinks gut aufgehoben, wie sich später herausstellte.
Angostura 1919
Eine Mischung aus fünf verschiedenen Rumsorten, die zwischen fünf und vierzehn Jahren reifen durften. Der Name geht auf den Fernandes Rum „1919“ aus den 1930er Jahren zurück. der Fernandes Rum bestand aus Rums aus dem Jahr 1919. Abgefüllt wird mit 40%.
Auch hier wieder Vanille, Holz und ganz dezent getrocknete Aprikosen. Der Körper ähnelt einem Rum im Bajan-Stil, jedoch ohne das fruchtige Geschmacksprofil und erinnert vielleicht eher an einen kubanischen Stil. Im Abgang kommt eine bittere, sehr dunkle Schokoladennote hinzu und auch wieder diese Würze und eine leichte Nussigkeit.
Angostura 1824
Dann folgte der Angostura 1824, dem Lieblingsrum von John. Dabei handelt es sich um minestens 12 Jahre alte mittelschwere und schwere Rums. Der Name nimmt natürlich auf das Gründungsjahr der Marke bezug. Hier war dann schon mehr los: Vanille, tropische Früchte, teils minimal angegoren, Honigaromen, viele Gewürze und etwas angeflammte Creme Brulee. Dazu einen Hauch der aus den Single Casks bekannten Minznote. Für 40% recht intensiv. Wirkt schön rund und toll balanciert.
Angostura 1787
Noch etwas älter wurde es mit dem Angostura 1787, der immerhin schon 15 Jahre alt ist. Der Name geht auf das Jahr der ersten Zuckermühle auf Trinidad zurück. Vom Prinzip handelt es sich um die gleichen Rums wie beim 1824er, nur eben noch etwas älter. Ebenso mit 40%. Das zeigt auch seine Farbe deutlich. Schön satt und dunkel liegt er im Glas. Schön ölig schwenkt er sich ebenso. Aromatisch finde ich funkige Rumester, Trockenfrüchte und Rosinen, geröstetes Eichenholz und Gewürze, Karamell, Vanille und Mandel. Weiche Banane, Tannin und etwas Tabak.
Angostura Tribute Distillers Cut
Angosturas Tribute Distillers Cut ist ein Blend aus seltenen Rum-Sorten, darunter ein 25 Jahre alter Rum. Mit dieser Abfüllung sollte John Georges geehrt werden. Die Master Blenderin Carol Homer-Caesar wollte einen Rum erschaffen, der genau nach John Georges Geschmack ist. Abgefüllt wird er mit 44,7%, was genau der Abfüllstärke der Angostura Bitters entspricht. Erhältlich ist der Rum derzeit bereits zum Beispiel im Rum-Depot.
Aromatisch setzt er beim Angostura 1787 an. Trockenfrüchte, etwas Banane, leichte Ester, viel geröstetes Eichenholz und Eichenwürze. Etwas Vanille und Karamell vermittelt ein Gefühl von Süße. Im Abgang wieder etwas Pfeffer und sehr dunkle Schokolade. Die leicht erhöhten ABV stehen ihm meiner Meinung nach sehr gut und geben ihm etwas mehr Kraft, ohne dadurch bitterer zu werden.
Für das Highlight das Nachmittag zogen wir dann in den Curtain Club um. Es gab nochmal eine kulinarische Stärkung und einführende Worte von John Georges zum Angostura Zenith. Penibel genau wurden die Tasting Gläser befüllt und dann wurde endlich probiert.
Angostura Zenith
Anfang der 2000er Jahre sah es fast so aus als würde Angostura Caroni aufkaufen. Aus verschiedenen Gründen geschah dies nicht und die Brennerei wurde geschlossen. In den Jahren 2005, 2006 und 2010 kaufte Angostura aber eine Reihe von Caroni-Fässern und reifte die Caroni-Fässer in den eigenen Lagerhäusern.
Master Blenderin Carol Homer-Caesar hat mit ihrem Team frei Jahre daran gearbeitet, genau das richtige Gleichgewicht zwischen Caroni- und Angostura-Rum für diesen exklusiven Blend zu finden. So entstand der Blend aus 20 – 23 jährigen Caroni- und T.D.L Light-Rums. Abgefüllt in 195 Flaschen mit 44,7%. Nur drei Flaschen davon haben es auch auf den deutschen Markt geschafft. Eine davon wurde an dem Tag geöffnet. So eine Rarität hat natürlich ihren Preis. 3500€. Dafür bekommt man den Angostura dann aber auch ganz besonders schick verpackt: Edle Karaffe, Wechselverschluss, edle Holzkiste. Rein optisch geht da nicht mehr.
Die Verkostung ergab Aromen von Kakao, dezenter Vanille, Zitrusschale, angebranntes Karamell, Eichenholznoten mit einem Hauch von Rosinen und einen Hauch von tropischen Früchten. Der Abgang ist sehr trocken mit einem würzigen Nachklang. Insgesamt ziehen sich sowohl im Geschmack als auch im Abgang leicht bittere Noten durch die gesamte Aromatik. Für mich verstecken sich die typischen Caroni Noten ein ganzes Stück und auch denke ich das die Komponenten keinesfalls länger hätten im Fass liegen dürfen. Da spürt man dann ganz einfach die tropische Reifung.
Ich möchte aber an dieser Stelle eine kleine Anmerkung machen: Dem Zenith wurde leider kaum Zeit zum atmen gegeben. Ich erhielt mein Glas in der zweiten Runde des Ausschenkens. Also vom Prinzip direkt aus der frisch geöffneten Flasche in die Nase. Ich denke mit mehr Zeit zum Öffnen und atmen wäre da aromatisch auch nochmal deutlich mehr drin gewesen. Wenn ich die Möglichkeit habe koste ich ihn nochmal in Ruhe und im sitzen aus dem 1920s Glas.
Wie man an dem Nachmittag hörte, ist eine der drei Flaschen ins Rum Depot gewandert und wird dort aktuell versampled. Ein feiner Zug, denn so haben viele Genießer etwas davon und die Flasche verstaubt nicht bei einem Sammler oder Resaler im Schrank. Die angebrochene Flasche soll es bald im Rum Trader geben und auch die dritte Flasche soll bereits einen Interessenten haben.
Cheers!
Schlagwörter: Distillers Cut, John Goerges, Rum, Tasting, Test Last modified: 2. Juli 2024