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Im Interview: German Rum Ambassador Dirk Becker über die Auswahl seiner Abfüllungen und die Veränderungen auf dem Rummarkt

Wir sprachen bereits vor einiger Zeit mit Dirk Becker, dem deutschen Rum Ambassador, Besitzer des Rum Depot und Veranstalter des German Rum Festivals. Diese Woche war ich zum ersten Mal zu Besuch im Rum Depot und in der Online Sendung „Monday Rumday – die Sendung mit dem Rum“ zu Gast. Diesen Besuch haben wir genutzt um erneut ein paar Fragen an Dirk Becker zu richten.

Zucker und Zeste: Hallo Dirk, das letzte Mal, als wir gesprochen haben, stand die Veröffentlichung der RumClub Ed. 16, einem Gardel aus dem Jahr 1983, unmittelbar bevor. Seitdem ist viel Rum die Spree hinabgeflossen. Wie triffst du heute deine Auswahl an Fässern? Wie passt du dich dem aktuellen Markt an und wie gelingt es dir, eine einzigartige Note in deine Fassauswahl einzubringen?

Dirk Becker: Ja, es ist schon eine Weile her, da hast du Recht. Aber für mich hat sich nicht wirklich viel geändert, denn eines hat für mich oberste Priorität: Es muss einfach passen und für mich Sinn ergeben. Deshalb hat sich bei der Auswahl der Fässer, die wir kaufen, nicht so viel verändert. Zudem sollte das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmen. Aktuell würde ich zum Beispiel keinen Caroni kaufen, da die Preise absurd hoch sind. Für 0,5 Liter müsste ich zwischen 800 bis 900 Euro verlangen. Ein Caroni stand lange auf meiner Wunschliste, aber das hat sich erledigt. Dennoch suchen wir weiterhin nach Dingen, die vielleicht noch nicht so populär sind oder noch nicht oft abgefüllt wurden. Zum Beispiel haben wir gerade eine Abfüllung aus Panama, die zwar aus Panama stammt, aber ein völlig ungewöhnliches Aromenprofil aufweist. Das Profil ist außergewöhnlich und dennoch wird es den meisten Leuten schmecken, da der Alkohol gut integriert ist und die Aromen harmonisch miteinander verschmelzen. Manchmal nutzen wir unsere geleerten Fässer für ein kleines Finish, wie zum Beispiel in unserem Ten-Cane-Fass. In den letzten zwei Wochen habe ich gerade 15 neue Fässer gekauft. Einige davon werden länger gelagert und andere werden im nächsten Monat abgefüllt. Am Ende erhalten wir für das Thema Guyana beispielsweise 25 oder 18 Proben. In der Regel wählen wir letztendlich nur 1 bis 2 Fässer aus, die uns angeboten wurden. Die anderen Fässer würden wir einfach nicht abfüllen, da sie nicht meinen Qualitätsansprüchen entsprechen.

Rumclub Triangulation & Jamaica Rum Red Barrel

Zucker und Zeste: Siehst du eine Veränderung auf dem Rum-Markt in den letzten zwei Jahren?

Dirk Becker: Ja, das sehe ich deutlich. Die Leute werden sich immer bewusster darüber, was sie kaufen. Viele sagen, dass sie etwas nicht kaufen, wenn sie es nicht vorher probiert haben, da sie bereits Enttäuschungen erlebt haben. Früher hat man etwas gekauft, weil das Land oder das Datum vermeintlichen Erfolg versprach. Doch heute sind die Menschen vorsichtiger geworden. Ein weiterer Punkt ist, dass Rum (in dieser Kategorie) im Preis steigt und daran wird sich leider nichts mehr ändern. Der Grund dafür ist, dass es von den wirklich alten Rumsorten, die größtenteils komplett tropisch oder größtenteils tropisch gelagert sind, nicht mehr viele gibt. Die Luft wird also dünn und die Preise steigen entsprechend. Deshalb versuchen wir noch so viel wie möglich anzuschaffen, solange es für uns finanziell machbar ist. So hoffen wir, für die nächsten vier bis fünf Jahre genug Vorrat zu haben. Leider gibt es auch viele Dinge, die mich wirklich nerven. Es gibt zu viele Spielereien in diesem Segment mit lustigen Aromen oder übermäßig viel Zucker. Ich wünsche mir, dass es gewisse Standards für die Herstellung solcher Sachen geben würde.

Zucker und Zeste: Du hast ja in der Vergangenheit immer mal wieder neue Wege mit Rumsorten wie zum Beispiel Rum aus Ghana beschritten. Wird es in nächster Zeit ähnliche Entdeckungen von dir geben?

Dirk Becker: Etwas völlig Neues, das es bisher noch nicht gegeben hat? Nein, aktuell wüsste ich nicht, woher ich so etwas zaubern sollte, das noch nie abgefüllt wurde. Doch wir sind immer auf der Suche nach spannenden Dingen. Ghana ist definitiv ein Thema, das noch recht selten anzutreffen ist. Ich hatte gerade das Glück, zwei Fässer erwerben zu können, die bereits etwas älter sind. Eines davon werden wir irgendwann abfüllen und das andere noch drei bis vier Jahre lagern lassen. Mal sehen, wie sich das weiterentwickelt. Ansonsten versuchen wir auch eine Abwechslung in unserem Sortiment zu haben. Mal stammt der Rum aus Jamaika, dann wieder aus Guyana oder Brasilien oder Belize – je nachdem, was gerade angeboten wird. Dabei funktioniert es nicht so, dass man einfach sagt: „Ich hätte gerne das!“ und es dann erhält. Wir können uns zwar alles wünschen, aber letztendlich bekommen wir als Probe etwas anderes. Auch durch Charles‘ Reisen in letzter Zeit, konnten Kontakte zu Destillerien in verschiedenen Ländern aufgebaut werden. Das eröffnet weitere Möglichkeiten. Allerdings gibt es derzeit noch nichts Konkretes, worüber ich sagen könnte, dass es in drei Monaten bereit sein wird. Doch wir sind dran und ich bin gerade auch wieder dabei, ein Fass aus Hawaii zu bekommen. Da waren wir die Ersten, die so etwas gemacht haben. Ich hoffe, dass es nächstes Jahr eintreffen wird.

Zucker und Zeste: Ja, das Hawaii-Fass hat uns damals auch sehr gut gefallen. Aber kommen wir zu einem anderen Thema. Das German Rum Festival steht vor der Tür, am 31.8. und 1.9. ist es soweit. Wird es von euch noch eine weitere Abfüllung für das Festival geben?

Dirk Becker: Ja, wir werden noch eine weitere Abfüllung herausbringen. Ich möchte noch nicht verraten, um welchen Rum es sich handeln wird, aber ich denke, es wird für alle äußerst überraschend sein.

Zucker und Zeste: Okay, da sind wir schon sehr neugierig. Ansonsten glaubst du, dass die Geschichte von Rum und Destillation schon vollständig erzählt ist? Oder gibt es noch Neues zu entdecken?

Dirk Becker: Es gibt auf jeden Fall noch Neues zu entdecken. Ein Beispiel dafür sind die vor Kurzem bekannt gewordenen Rums aus Guyana. Insbesondere der Highester Guyana, von dem niemand wusste, dass er bereits seit einigen Jahren existiert. Er wurde von unabhängigen Abfüllern auf den Markt gebracht und auch El Dorado hat eine Version davon herausgebracht. Wir werden diese Flaschen bald im Rum Depot haben, sobald sie hier eintreffen. Ich hatte bereits das Vergnügen, sie zu probieren. Sogar den Original El Dorado Rum und den des unabhängigen Abfüllers. Es ist eine faszinierende Geschichte. So lief es ab: Wir erhielten Proben, ein Päckchen, auf dem nur die Adresse stand, wohin es geschickt werden sollte. Es gab kein Begleitschreiben, keinen Absender oder ähnliches. Wir dachten zunächst, dass eine unserer Quellen uns noch eine Probe geschickt hatte. Also haben wir die Proben probiert und das Team war sich einig: „Das brauchen wir unbedingt, dieses Fass müssen wir haben.“ Dann haben wir die vermeintlichen Verdächtigen kontaktiert und gefragt: „Danke für das Sample!“ Doch sie antworteten: „Welches Sample? Das stammt nicht von uns.“ Am Ende stellte sich heraus, dass die Probe für jemand anderen gedacht war. Leider konnten wir das Fass dennoch nicht bekommen. Aber daran arbeiten wir weiterhin, um irgendwann einmal ein solches Fass zu erhalten. Dieser Rum ist eine Überraschung, mit der keiner gerechnet hätte. Es gibt also immer wieder Neues zu entdecken.

Ein weiteres Beispiel: Als Alexandre Gabriel von Planteray kürzlich zum Tasting hier war, brachte er den berühmten B-Monster Rum mit, einen High Ester Rum mit 2600 Estern von Barbados. Wir waren der Meinung, dass 1600 Ester bereits das Nonplusultra sind, Richtung Hampden. Doch dann stellt sich heraus, dass es 2600 gibt und das bereits seit geraumer Zeit. Das haben sie auch gemacht, um damit Blends herzustellen. Überraschenderweise ist dieser Rum aber trotz des hohen Estergehalts sehr gut zu trinken. Allerdings sollte man das definitiv nicht zu oft tun. Es gibt also immer noch neue Dinge zu entdecken oder alte werden wieder hervorgekramt. Die Geschichte wird also nicht langweilig.

Rum Depot

Zucker und Zeste: Interessant, dass du dieses Tasting erwähnst. Habt ihr auch Rums aus der rekonstruierten Rockley Still verkostet?

Dirk Becker: Die angekündigte Probe war leider nicht dabei, da sie im Zoll hängengeblieben ist (wird aber noch nachgeliefert). Doch zum Glück hatte ich noch eine Flasche eines unabhängigen Abfüllers im Rockley-Stil, die wir dann nach Absprache mit Alexandre geöffnet und im Rahmen des Tastings verkostet haben. Alexandre hat uns dabei auch die Geschichte hinter der Brennanlage erzählt, die er wieder zum Einsatz gebracht hat. Es ist eine faszinierende Geschichte, aber wahrscheinlich nicht so einfach, wie wir uns vorstellen. Es gibt keine Aufzeichnungen darüber und kaum jemand hat in der Destillerie jemals mit diesem Apparat gearbeitet. Alexander sagt, er habe noch einen Mitarbeiter, der Erfahrungen mit solchen Dingen hat, und sie versuchen nun, die Anlage wieder in Betrieb zu nehmen. Auch wenn diese Geschichte wohl nie zu 100 % geklärt werden kann, ist es auf jeden Fall ein sehr interessanter Rum. Zudem haben sie gerade bewiesen, dass die Abfüllung aus Barbados unter dem neuen Label von Stades Rum, genannt „JAWS“, auch ohne zusätzliche Verfeinerung in Cognacfässern ein echter Überraschungserfolg ist. Zwar enthält er nicht so viele Ester wie andere Rums, aber mit geschmeidigen 247 Gramm Ester und insgesamt 988 Congeners ist er dennoch bemerkenswert. Es gibt also auch hier immer wieder Neues, das aus alten Dingen entsteht.

Anmerkung: Congeners sind Inhaltsstoffen, die als Nebenprodukte bei der Fermentation und Destillation entstehen. Dazu zählen zum Beispiel die Ester, die vorallem bei jamaikanischen Rums zu finden sind. Aber auch Aldehyde, Säuren, Sulfite oder auch höhere Alkohole und sogenannte Fuselstoffe (oder auch Begleitalkohole), wie zum Beispiel Methanol, Butanol, Hexanol und Propanol, die toxisch wirken und vom Körper langsamer als Ethanol abgebaut werden. Diese Stoffe haben jeweils ein ganz eigenes Aromenbild, das von fruchtig bis kräuterig reicht. Die Kunst liegt darin diese Aromen in die perfekte Balance zu bekommen.

Zucker und Zeste: Dann danken wir dir an dieser Stelle für deine interessanten und sehr offenen Antworten!

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