Nicolas Kröger kennt man vor allem aus der Welt des Rums. Doch sein Herz schlägt auch für Armagnac – jene Spirituose, die viele als kleinen, schlechteren Bruder des Cognac abstempeln. Zu Unrecht. Finden nicht nur wir, sondern auch Nicolas. Mit seiner Mission Armagnac versucht er die Begeisterung für die Spirituose neu zu entfachen. Warum er so ein großer Armagnac-Fan ist und was er in Zukunft in diesem Segment vor hat verrät uns Nicolas Kröger im Interview.
Nicolas, neben Rum trommelst du in letzter Zeit zunehmend für Armagnac. Wie kam es dazu?
Meine Mutter kommt aus Frankreich, genauer gesagt aus Toulouse. Diese Region zwischen Bordeaux und Toulouse ist bekannt für Armagnac. Als ich mit 15 Jahren allmählich meine Leidenschaft für Spirituosen entdeckt habe, unterstützen mich meine Eltern, indem sie mir zu meinen Geburtstagen immer Armagnac schenkten.
Armagnac zum 16. Geburtstag – man ist scheinbar sehr entspannt in Frankreich.
Meine Eltern trinken kaum etwas, aber sie haben schon früh bei mir dieses Feuer gespürt. Deshalb war Armagnac die erste Spirituose, mit der ich mich intensiv auseinandergesetzt habe. Später machte ich auch ein Connoisseur-Diplom, mit Blindverkostung und allem Drum und Dran. Armagnac war meine erste Liebe in der Spirituosenwelt.
Und dann habt ihr euch, wie es bei ersten Lieben häufig so ist, aus den Augen verloren?
Als ich im Ritz in London gearbeitet habe, fand ich die gesamte Armagnac-Welt immer noch spannend. Aber in Großbritannien ist das einfach mal kein Thema. Wirklich gar keins. Zudem ist bei etablierten Barhäusern alles gekauft. Man kann ein noch so cooles Produkt haben, man kommt damit nicht rein, wenn man nicht mit dem Chefeinkäufer per du ist und Geld fließen lässt. Man darf nicht unterschätzen, wie groß die Macht der Großkonzerne ist. Ich konnte mit Armagnac beruflich nicht arbeiten, und ja, damit hab ich ihn etwas aus den Augen verloren.
Was hat sich nun geändert?
Ich habe die Strukturen in meiner Firma geändert. Mein Bruder kümmert sich um alles, was Zahlen angeht, eine Agentur unterstützte mich zuletzt beim Design des Ida van der Ille – ich muss mich nun nicht mehr mit jedem Blödsinn allein herumschlagen und kann die freie Zeit für andere Projekte und Produktentwicklungen nutzen. Mit dem Hersteller Castarede bin ich seit 2011 in Kontakt. Aber ich hatte nie die Möglichkeit – und ehrlich gesagt auch nie den Fokus -, um das Ganze weiter nach vorne zu bringen.
Nun hast du ein Projekt namens Mission Armagnac gegründet. Du willst Missionar sein – für was eigentlich?
Die Mission ist klar: Armagnac ist in meinen Augen die unterschätzteste Spirituose der Welt. Das ist wirklich eine Obergranate – und keiner hat sie auf dem Schirm. Es ist zum Verrücktwerden. Wenn es um Weinbrände geht, reden alle über Cognac und Co. Aber Armagnac kann alles bieten, was Cognac zu bieten hat – und noch viel mehr. Das ist meine Mission: Armagnac die Bühne zu geben, die er verdient. Wir wollen die Kategorie nach vorne bringen.
Dabei sucht man selbst in etablierten Bars vergebens nach Armagnac. Woran liegt es? Fehlt es an Verständnis für die Spirituose?
Es ist doch ein Mythos, dass jeder Bartender auf der Suche nach dem nächsten großen Ding ist. Viel zu häufig geht es leider nur ums Geld. Geh doch mal in eine Bar und frag einen Bartender: Was ist der Unterschied zwischen einem Brand und einen Geist? Das ist die simpelste Basis, aber meist kriegst du nur fragende Gesichter zu sehen. Ganz ehrlich: Ich liebe mein Gewerbe über alles, aber ich schäme mich für das Niveau. Wo gibt es eine Branche, wo die Profis so schlecht über ihre Materie Bescheid wissen wie in der Bar? Mir fällt absolut nichts ein.
Das sind harte Worte …
Es gibt natürlich sehr fachkundige Menschen, die alle Informationen wie ein Schwamm aufsaugen. Aber das sind die allerwenigsten. Und damit sind wir bei der Beantwortung der Frage: Es fehlt nicht nur an Kompetenz, sondern auch an Material. Wenn nichts Gescheites da ist, was willst du denn dann ausschenken? Als ich bei YouTube mal über Armagnac erzählte, schrieben mir im Anschluss viele und fragten nach Tipps. Aber das Zeug, was man hier in Deutschland bekam, entsprach nicht dem, was ich an Armagnac liebe. Da kannst du gleich Cognac saufen. Und weil die Frage immer wieder auftauchte habe ich beschlossen, selber zu importieren.
Und Castarede verkörperte alles, was du gut findest?
Sie machen sehr gute Produkte und das Haus kam auch mit meiner Art und meiner Arbeit klar. Das ist ja auch ein wichtiger Faktor. Castarede ist das erste Haus, das ich importiere, aber ich habe noch so viel mehr vor. Vielleicht kommt irgendwann auch eine eigene Armagnac-Abfüllung, mal schauen.
Du sagtest eben, es gibt kaum guten Armagnac in Deutschland. Warum eigentlich?
Kein einziges der großen Spirituosen-Häuser ist in der Armagnacwelt vertreten. Und warum ist das so? Weil die Nachfrage nicht da ist. Diageo und Co. sind ja keine romantischen Konzerne, die irgendetwas aus Liebe zur Spirituose machen. Da geht es nicht um Emotionen, sondern ums knallharte Geschäft. Die Welt des Armagnac ist völlig anders. Das sind nicht große Häuser tonangebend wie beim Cognac, meist sind die Unternehmen im Familienbesitz. Die haben kein Geld für Werbeplakate und Kooperationen mit einem angesagten Rapper. Da gibts keine Budgets, die haben nicht einmal eine Markenstrategie. Die Leute gehen – und es ist genauso wie ich es sage – in ihren Hinterhof, brennen einen geilen Schnaps, packen das ins Fass und bieten das an. Mehr ist da nicht.
Für uns hat das den netten Nebeneffekt, dass man sich noch 30-jährige Abfüllungen zu einem vernünftigen Preis kaufen kann. Wie lange bleibt das so, entsteht bei Armagnac der gleiche Hype wie bei Whisky und Rum?
Über steigende Preise kann man noch nicht einmal reden, momentan sinken die Preise eher. Die Zahlen werden immer schlechter. Wir sind froh, wenn wir den Absturz aufhalten können.
Aber bei Tastillery und Co. liefen deine XO-Abfüllungen doch gut an. Hat Armagnac in der breiten Masse ein Imageproblem?
Armagnac hat kein schlechtes Image, es hat gar kein Image. Niemand kann etwas mit diesem Begriff anfangen. Und zu den ausverkauften Flaschen: Meine erste Ladung vom gemischten Sortiment waren 120 Flaschen. Das ist eine ganz andere Hausnummer als bei meinem Rum. Wir freuen uns über jede verkaufte Flasche, bitte nicht missverstehen, aber wir sind noch wirklich ganz am Anfang. Es macht mir Spaß, den Leuten beizubringen, was Armagnac ist. Aber wir müssen erst einmal die Abwärtsspirale aufhalten.
Wir hatten neulich die 83er und 88er Jahrgangsabfüllung – unsere Geburtsjahrgänge – von Castarede im Vergleichstasting. Auf den Etiketten konnten wir lesen, dass der Armagnac wirklich jetzt erst abgefüllt wurde. Das ist ein erhabenes Gefühl, etwas zu trinken, das so alt ist wie ich.
Ja, oder? Wo gibt es das denn noch in der Spirituosenwelt? Die meisten Spirituosen könnte man gar nicht so lange ins Fass packen. Single Malt Whisky in die Nähe von 30 Jahren zu bekommen, puh. Absolute Ausnahme. Die Spirituose hat einfach nicht genug Körper und hält auf diese Dauer nicht mit dem Fass mit. Ab 28 Jahren wird es kritisch, danach wird es nur noch zum Holz-Lolli. Armagnac ist eine der wenigen Spirituosen – neben Jamaika-Rum und Guyana-Rum – die so etwas überhaupt liefern können und den Körper dafür haben, so lange gelagert zu werden.
Woran liegt das?
Die Lagerung beim Armagnac ist sehr unterschiedlich im Vergleich zu Whisky und Co.: Das Holz ist viel dichter, der Angel Share liegt bei gerade einmal 0,5 Prozent, und in Frankreich ist es nicht so kalt. Die Fässer sind wahnsinnig schwer, und der Reifeprozess geht noch langsamer vonstatten und schafft eine feinere Komplexität. Deshalb sind junge Armagnacs auch so eine Sache: Wer einen Vierjährigen lieber pur trinkt, sollte eher zum Cognac greifen. Wobei Cognac meist nochmal ein Holz-Zucker-Extrakt hinzugegeben wird. Der rundet die Spirituose durch den Zuckeranteil ab, bei Armagnac käme so etwas gar nicht in Frage.
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Beim Armagnac läuft alles natürlich ab?
Die Prozesse, die bei einem Armagnac in 40 Jahren in einem solchen Fas stattfinden, kann man nicht fälschen. Das ist das Schöne. Fasslagerung ist ja nicht nur die Oxidation durch den Sauerstoff, nicht nur die Konzentration durch Alkohol- und Wasserverlust, es sind auch die ganzen mikrobiologischen Prozesse und Esterumwandlungen, welche die geschmackliche Komplexität erschaffen. Mit dem Ergebnis kann keiner mithalten. Deshalb lache ich über alles andere in Sachen Weinbrand. Ich lehne mich ja gerne aus dem Fenster, aber man kann mir einen 3000-Euro-Cognac hinstellen und ich gähne, denn ich stelle dir einen ähnlich guten Armagnac für 100 Euro hin.
Wo wir gerade über die Fässer sprechen: Nine Leaves hat vor einiger Zeit gemeinsam mit dem Rum-Depot einen Rum in Fassstärke mit Armagnac-Fassfinish auf den Markt gebracht. Was sagst du dazu?
Ich will noch nicht zu viel verraten, aber ich finde das sehr gut.
Trinkt man Armagnac ausschließlich pur oder kannst du auch Cocktails damit empfehlen?
Das kommt sehr auf die Qualität an, also wie lange der Armagnac gelagert wurde und wie viel Alkohol er hat. Ich finde ein Armagnac ist generell eine sehr empfehlenswerte Spirituose für alles, was in Richtung Manhattan geht. Und wenn man dort statt Wermut mit einem gereiften Portwein oder einen anständigen, mindestens zehn Jahre gelagerten Madeira arbeitet, kann man fantastische Drinks kreieren. Ich empfehle den Burnt Fuselage:
Burnt Fuselage – Abwandlung by Hendrik Ratzmer
– 45 ml Armagnac VSOP
– 30 ml Riesling
– 5 ml Lillet Blanc
– 25ml Grand Marnier
Alle Zutaten aus Eis rühren und in ein Goblet-Glas abseihen. Mit Orangenzeste garnieren. Cheers!
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Schlagwörter: Armagnac, Bas Castarede, Cocktails mit Armagnac, Interview, Nicolas Kröger Last modified: 19. Februar 2022