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Luxardo – Zwischen Kirschen, Krieg und Kontinuität

Wenn ein Name wie ein Uhrwerk durch die Geschichte der Spirituosen tickt, dann ist es Luxardo. Seit 1821 steht das Familienunternehmen aus Torreglia nahe Padua für die Quintessenz italienischer Likörkultur. Eine Firma, deren Geschichte man nicht erfindet, sondern erbaut, verloren und wieder errichtet hat – mit Kirschbaumrinde unter den Fingernägeln, Rauch in den Lungen und einem Brennkessel als Herzstück.

Wer die Geschichte von Luxardo verstehen will, muss in der Zeit zurück reisen – bis ins Jahr 1821, als Girolamo Luxardo im dalmatinischen Zara (dem heutigen Zadar in Kroatien) den Grundstein für ein Unternehmen legte, das heute zu den ältesten familiengeführten Destillerien Europas zählt.

Die Geburt des Maraschino – und der Mythos Luxardo

Zara, 19. Jahrhundert: ein Schmelztiegel aus Venezianern, Slawen, Österreichern und Italienern. Girolamo Luxardo, ein aus Genua stammender Geschäftsmann, lässt sich dort nieder. Seine Frau, Maria Canevari, beginnt, nach einem alten Klosterrezept einen Likör aus der autochthonen Maraska-Kirsche zu fertigen – herb, floral, mit einer fast ätherischen Bittermandelnote, gewonnen aus Kirschkernen. Girolamo erkennt das Potenzial, perfektioniert das Rezept, gründet die “Luxardo Distilleria a Zara” – und schafft mit dem Maraschino Luxardo einen Klassiker, der schon bald auf die Tafeln der Habsburger Monarchie gelangt.

Bild: Luxardo

Krieg, Verlust, Neuanfang

Der Zweite Weltkrieg trifft Luxardo mit verheerender Härte. 1943 wird die Fabrik in Zara zerbombt. Die Stadt wird nach Kriegsende Teil Jugoslawiens, die italienische Bevölkerung wird vertrieben. Drei der Luxardo-Brüder werden auf der Flucht ermordet. Nur Giorgio Luxardo überlebt – und nimmt ein paar abgeschnittene Zweige der Maraska-Kirschbäume sowie das geheime Rezept mit nach Italien.

Bild: Luxardo

1947 entsteht im kleinen Veneto-Städtchen Torreglia bei Padua die neue Destillerie. Ein Neuanfang mit Trauer im Gepäck, aber auch mit unbeugsamem Willen. Heute betreibt Luxardo wieder die einzigen kommerziellen Maraska-Kirschplantagen Europas – über 30.000 Bäume. Der Maraschino wird weiterhin nach dem Originalrezept gefertigt, samt der berühmten Bastummantelung der Flasche, die von dalmatinischen Fischerfrauen eingeführt wurde.

Produktwelt – vom Kräuterbitter bis zum Kirschkönig

Luxardo ist längst mehr als nur Maraschino. Die Produktpalette füllt ein eigenes Barregal. Wir haben zehn ihrer Produkte verkostet.

Luxardo Maraschino Originale (32 %) – 17.99€

Die Ikone im geflochtenen Strohgewand. Aus Maraschinokirschen samt Steinen und Zweigen des Daums destilliert, reift der Maraschino mehrere Jahre in Eschenholz – ein Holz, das keinen Eigengeschmack aufdrängt. In der Nase: Mandel, Rosenwasser, ein Hauch Möbelpolitur. Am Gaumen schlägt die Süße ein, fast barock, doch getragen von einer feinen Bittermandelnote. Unverzichtbar im Aviation und Last Word – aber auch pur ein Relikt des 19. Jahrhunderts. Barstandard.

Luxardo Sangue Morlacco (30 %) – 14.99€

Ein Likör aus dem eingedickten Saft der Maraska-Kirsche – kein Maraschino, sondern ein Fruchtlikör mit Gewicht. Dunkelrot, fast schwarz im Glas. Die Nase: Schwarzkirsche, Cassis, ein Hauch Leder. Am Gaumen: sämig, fast likörweinig, mit dichter Textur und zurückhaltender Säure. Ein Digestif, der fast nach Portwein duftet, ohne dessen Tannine zu tragen. In Cocktails wie dem Blood and Sand ein tiefes Fundament.

Luxardo Limoncello (27 %) – 16.99€

Kein Destillat, sondern ein Mazerat. Hergestellt aus der Schale sizilianischer Zitronen, zeigt dieser Limoncello weniger Bonbon als vielmehr kühle Zitronenschale. Leicht ölig, sauber, mit feiner Zeste. Die Süße bleibt unter Kontrolle. Trinktemperatur: 6 °C. Niemals tiefgefroren.

Luxardo Bitter Rosso (25 %) – 12.99€

Der rote Bruder des Campari, doch mit mehr botanischer Tiefe. Auf Basis eines neutralen Alkohols aus Trauben destilliert, mit Infusionen von Enzian, Rhabarber, Bitterorange und geheim gehaltenen Wurzeln. Das Ergebnis: ein floraler, fast parfümierter Bitter, weniger adstringierend, aber mit charaktervollem Biss. Ideal im Negroni oder Americano.

Luxardo Aperitivo (11 %) – 10.99€

Der leichtere, orangefarbene Bruder des Bitters. Gemacht für Spritz-Drinks, wirkt er in der Nase fruchtiger: Blutorange, Grapefruit, kandierte Zitrusfrüchte. Der Alkohol bleibt dezent im Hintergrund, die Bitterstoffe sind zurückhaltend. Ideal für leichtere Aperitivi – im Verhältnis 3:2:1 mit Prosecco und Soda fast unfehlbar. Weniger kantig als Aperol, dafür natürlicher im Aromenspiel.

Luxardo Sambuca dei Cesari (38 %) – 16.50€

Ein klassischer Anislikör mit dreifacher Destillation. Glasklar, viskos. In der Nase: dominante Sternanis, etwas Fenchel, eine Spur Minze. Am Gaumen dann Süße ohne Gnade, aber getragen von ätherischer Frische. Drei Kaffeebohnen ins Glas – „con la mosca” – und man versteht, warum diese Spirituose auch nach Jahrzehnten ihren Platz behauptet hat. Nicht subtil, aber effektiv.

Luxardo Amaretto di Saschira (28 %) – 16.99€

Mandelpurismus auf italienisch. Hergestellt auf Basis von Aprikosenkernen, nicht künstlich aromatisiert. In der Nase: Marzipan, Vanille, ein Hauch Mokka. Am Gaumen cremig, süß, aber nicht klebrig – mit feiner Bittermandelnote und einem angenehm nussigen Nachhall. Deutlich eleganter als industriell hergestellte Konkurrenten. In einem Amaretto Sour entfaltet sich seine ganze Tiefe.

Luxardo London Dry Gin (43 %) – 19.99€

Ein seltener Ausflug ins britische Terrain – aus italienischer Sicht. Hergestellt nach dem klassischen London-Dry-Verfahren, keine Zuckerung, keine Aromazugabe nach der Destillation. Die Basis: reiner Weizenalkohol. Botanicals: u. a. Wacholder, Koriander, Zimt, Angelikawurzel, Zitrusschale und Süßholz. In der Nase: Wacholder vordergründig, aber mit warmem, würzigem Unterbau. Am Gaumen trocken, schlank, präzise.

Luxardo Passione Nera (38 %) – 16.99€

Die dunkle Schwester der Sambuca. Die Farbe: tintenschwarz mit violettem Schimmer. In der Nase: Anis, Lakritz, eine Spur Heidelbeere, dann kräutrig-ätherisch. Am Gaumen deutlich weicher als die klassische Sambuca, mit vollmundiger Textur, tiefer Süße und einer ausgeprägt lakritzigen Note. Ein Dessertlikör mit Szene-Appeal – mutig und eindrücklich, aber nicht subtil.

Luxardo Antico (30 %) -17.99€

Ein Hybrid zwischen Likör und Bitter, benannt nach dem “Antico Aperitivo” der 1910er-Jahre. Basis: Luxardo Maraschino, ergänzt um Infusionen von Kräutern, Wurzeln und dunklen Gewürzen, mit Reifung in Eschenholz. In der Nase: Amarena, Nelke, Kakao, Rhabarber. Am Gaumen: dicht, komplex, bittersüß, fast wermutartig. Eignet sich als Wermut-Substitut oder als meditativer Digestif.

Angioletto Hazelnut Liqueur (22%) – 16.50€

Natürlichen Zutaten wie Haselnuss-Infusionen, Kakaobohnen und Vanilleschoten. Angenehme, nicht übertriebene Süße. Noten von gerösteter Haselnuss, Kaffee, dezenter Vanille und Kakao.

Triplum Triple Sec (39%) – 22.99€

Ein hochwertiger Orangenlikör, der sich nicht hinter Cointreau verstecken muss – mit klarer, kandierter Zitrusschale, Orangenblüten und trockenerem Finish. Wird aus Bitterorangen, süßen Orangen und Mandarinen hergestellt.

Fazit:

Luxardo präsentiert sich als Destillerie mit zwei Seelen: einerseits die klassisch-italienische Likörlinie mit Marasca-Fokus, andererseits ein breites Portfolio an Spezialitäten zu einem attraktiven Preis. Der rote Faden bleibt die technische Präzision, das sensorische Gleichgewicht und ein Selbstverständnis, das weder modisch noch nostalgisch ist – sondern handwerklich diszipliniert. Eine der letzten Familienbrennereien Italiens, die aus der Zeit gefallen scheint – im besten Sinn.

Luxardo heute – Familienunternehmen mit Fernwirkung

Heute wird Luxardo in der sechsten und siebten Generation von der Familie geführt. Die Fabrik in Torreglia ist modern, aber die Methoden sind altbewährt. Mazeration, Destillation, Reifung – alles passiert vor Ort. Man setzt auf vertikale Integration: eigene Plantagen, eigene Destillation, eigene Abfüllung. In einer Welt der Lizenzprodukte und ausgelagerten Herstellung ein beinahe revolutionärer Ansatz.

Bild: Luxardo

Der Exportanteil liegt bei über 75 %, die USA sind nach wie vor ein Hauptmarkt, aber auch in Japan, Australien und Deutschland steht Luxardo für Authentizität und Qualität. In Bars von Brooklyn bis Berlin ist vorallem der Maraschino Likör Bestandteil von fast jeder Bar.

Bild: Luxardo

Fazit – Luxardo als flüssige Zeitkapsel

Luxardo ist mehr als ein Spirituosenhersteller – es ist ein flüssiges Gedächtnis europäischer Kulturgeschichte. Die Produkte sind keine trendigen Zuckerbomben mit Retroetikett, sondern Destillate mit Charakter, Historie und Herkunft. Wer sich eine Flasche Luxardo ins Haus holt, kauft keine Mode, sondern ein Stück Familiengeschichte – tragisch, trotzig, triumphal. Das ist selten geworden in einer Welt, in der viele nur noch nach Marketing und Marge brennen. Und für manche Drinks braucht man den Luxardo Maraschino Originale um ihn originalgetreu Nachmixen zu können.

Cocktails mit Luxardo

Und nun zum Schluss noch ein paar barerprobte Drinks mit Produkten von Luxardo

The Last Word – Der Kultklassiker

Ein Drink wie ein perfekter Vers: herb, kräutrig, mit feiner Süße. Regelmäßiger Gast in der Difford’s Topliste.

Zutaten:

  • 20 ml Gin
  • 20 ml Luxardo Maraschino Originale
  • 20 ml Grüner Chartreuse
  • 20 ml frischer Limettensaft

Zubereitung:

Alle Zutaten auf Eis shaken, doppelt in eine vorgekühlte Coupette abseihen. Ohne Garnitur – der Drink spricht für sich.

Martinéz – würzig und edler Klassiker

Klassiker und Vorläufer des Martini. Früher eher mit Genever, heute zumeist mit Dry Gin gemixt.

Zutaten:

  • 60 ml Roter (süßer) Wermut
  • 30 ml Dry Gin oder Genever
  • 1 BL Maraschino
  • 2 Dashes Aromatic Bitters (z.B. Angostura)

Zubereitung:

Alle Zutaten ins Rührglas geben und auf Eiswürfeln kaltrühren. Ins vorgekühlte Glas abseihen. Mit Orangen- oder Zitronenzeste parfümieren.

Hemingway Daiquiri – Der Literat unter den Drinks

Ernest Hemingway mochte es trocken, klar, kräftig und mit Maraschino – und so wurde dieser Daiquiri geboren.

Zutaten:

  • 60 ml weißer Rum
  • 15 ml Luxardo Maraschino
  • 20 ml Limettensaft
  • 10 ml Grapefruitsaft

Zubereitung:

Alle Zutaten shaken, in eine Coupette abseihen. Garnitur: Limettenscheibe oder nichts – Hemingway hätte beides akzeptiert.

Aviation Cocktail

Ein Drink vom Beginn des 19. Jahrhunderts. In der 2000er häufiger Gast auf den Barkarten, heute wieder weniger präsent. Durch den Violette Likör ein sehr eigener Drink, der schnell eine schlechte Balance bekommen kann.

Zutaten:

  • 50 ml Dry Gin
  • 20 ml frischer Zitronensaft
  • 15 ml Maraschino
  • 1 BL Crème de Violette

Zubereitung:

Alle Zutaten in den Shaker geben und mit Eiswürfeln auffüllen. Sehr kräftig kalt schütteln. Doppelt durch ein Sieb in das vorgekühlte Glas abseihen.

Negroni Luxardo – Der Bittere mit Kirschkern

Ein Twist auf den Negroni – mit Luxardo Bitter und Maraschino für mehr Tiefe und Komplexität.

Zutaten:

  • 30 ml Gin
  • 20 ml Luxardo Bitter
  • 10 ml Luxardo Maraschino
  • 20 ml roter Wermut

Zubereitung:

Alle Zutaten auf Eis kalt rühren, in einen Tumbler auf frisches Eis geben. Garnitur: Orangenzeste.

Morlacco Manhattan – Der dunkle Verführer

Der „Sangue Morlacco“ ersetzt hier den klassischen Wermut – mit tiefdunkler Frucht und intensiver Struktur.

Zutaten:

Zubereitung:

Rühren, auf Eis oder straight up servieren. Garnitur: Cocktailkirsche – und bitte nicht die radioaktive Supermarktkirsche, sondern eine echte.

Cherry Blossom Sour – Modern & floral

Ein eleganter, leichter Sour mit dem Floralen des Maraschino und der Struktur von Zitrone.

Zutaten:

  • 40 ml Dry Gin
  • 20 ml Luxardo Maraschino
  • 20 ml frischer Zitronensaft
  • 10 ml Zuckersirup
  • 1 Eiweiß

Zubereitung:

Dry Shake (ohne Eis), dann auf Eis kräftig shaken, doppelt abseihen in eine Coupette oder einen Tumbler. Garnitur: Kirschblüte oder Zitronenzeste.

Limoncello Spritz – Spritz mal anders

Ein sommerlicher, leichtfüßiger Aperitivo mit klarem Italienbezug.

Zutaten:

  • 40 ml Luxardo Limoncello
  • 80 ml Prosecco
  • 20 ml Soda

Zubereitung:

Alle Zutaten direkt auf Eis in ein Weinglas geben. Garnitur: Zitronenscheibe und Minze.

Triplum Margarita – Der Zitrus-Meister

Mit dem Luxardo Triplum bekommt dieser Tequila-Klassiker eine fruchtigere, tiefere Orangennote.

Zutaten:

  • 50 ml Tequila Blanco
  • 20 ml Luxardo Triplum Triple Sec
  • 20 ml Limettensaft
  • 10 ml Agavensirup

Zubereitung:

Shaken, auf Eis servieren – klassisch im Tumbler oder straight up mit Salzrand.

Cheers!

Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , , , Last modified: 7. Mai 2025
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