Viele ungelagerte Rums erfüllen ihren Zweck sehr gut in Cocktails, sind aber für den Pur-Trinker eher unspannend. Das muss aber heutzutage gar nicht so sein. Denn es wird hervorragender Rum produziert, der auch ohne eine Lagerung im Holzfass alles mitbringt, was man sich von dieser vielfältigen Spirituose wünscht. Deswegen haben wir fünf sehr unterschiedliche weiße Rums, die hohe Ester- oder Congenersgehalte aufweisen, getestet. Wer wissen möchte was Ester überhaupt sind kann dazu gerne in diesem Beitrag nachlesen.

Velier Savanna HERR

Beim Savanna HERR (High Ester Reunion Rum) wird die Besonderheit bereits im Namen preisgegeben. Es handelt sich um einen Highester Rum mit einem Estergehalt von 500 gr/hl. Das Mark HERR bezeichnet bei Savanna einen Rum, der nicht aus Zukerrohrsaft auf einer Kolonne destillert wird. Dieser Rum entsteht nämlich ganz traditionell aus Melasse und wird auf einer Pot Still gebrannt. Zusätzlich ist die Vergärung beim HERR besonders lang. Erst dadurch entstehen die Ester. Die Abfüllung erfolgte mit kräftigen 62,5%. Der Ausgabepreis betrug 2018 ca. 50€.

Die erste Nase ist dicht und kräftig, die Ester fliegen mir sofort um die Ohren: Überreife Beeren, die in Klebstoff eingelegt sind. Daneben frische, grasige Aromen und etwas Süßes. Nach etwas Standzeit verliert sich auch der Alkohol ein wenig.

Im Antrunk dann wieder Beeren, Lack, und das alles kräftig und mundfüllend. Pflanzliche Aromen von Olive, leicht gebrannter Zucker und Lakritz finde ich noch. Die Textur ist sehr ölig. Der Alkohol ist gut eingebunden. Der Abgang ist ewig und brutal fruchtig.

-85/100-

The Nectar DOK

Der Rum vom unabhängigen Abfüller The Nectar wurde 2021 mit dem Mark DOK destilliert und bis 2022 in Stahltanks gelagert. Das Mark DOK (Dermond Owen Kelly) ist das esterlastigste Mark der jamaikanischen Brennerei. Es hat einen Estergehalt von 1500 – 1600 gr/hl. Das ist in Jamaika die höchste zulässige Menge und auch der höchste Gehalt in diesem Test. Dieser Stil wird in Hampden erst seit der Wiedereröffnung im Jahr 2009 produziert und war für die Genießer lange nicht zugänglich, da man diesen Stil eigentlich für die Nahrungsmittelindustrie (Rumaroma) und nicht für den Konsum – schon gar nicht den puren Konsum – produziert. Im letzten Jahr hatten wir die gelagerte RumClub-Abfüllung im Glas. Nun schauen wir uns die ungelagerte Abfüllung ab. Der Rum wurde mit 60% abgefüllt und kostete 55 Euro.

Die Nase empfangen die typischen Hampden Aromen wie überreife Ananas und Klebstoff. Eine Menge Klebstoff. Die Ester sind allpräsent. Dazu grüne Olive und ein paar Gewürze. Tief im Glas ist auch der Alkohol zu spüren.

Die Aromatik aus der Nase schafft es auch auf die Zunge: Kräftige Ester, vergorene tropische Früchte wie Ananas und Banane, Klebstoff und Anis. Dazu eine leichte Süße und leichte pflanzliche Aromen. Der Rum trinkt sich leichter als erwartet. Nicht falsch verstehen, hier sind selbstverständlich Ester an jeder Ecke. Aber wenn ich an den deutlich höher prozentigen RomDeluxe denke ist hier vergleichsweise ein ganzes Stück weniger los. Und der RomDeluxe war nicht mal ein DOK. Vielleicht wäre eine geringere Verdünnung eine bessere Wahl gewesen. Denn wer sich einen DOK kauft, weiß in der Regel, was er sich ins Glas gießt. Und sucht dann eben auch genau diesen Schlag auf die Zwölf. Spaß macht der Rum trotzdem.

-78/100-

The Nectar Of The Daily Drams Martinique Le Galion Grand Arome White

Der Rum wurde im Jahr 2021 auf einer Column Still aus Melasse hergestellt. Damit ist es kein Rhum – der typischerweise auf Martinique hergestellt wird – sondern ein Rum. Die Abfüllung erfolgte auch hier mit 60%. Der Preis betrug um die 50 Euro für eine 700 ml Flasche.

Der Le Galion startet mit einer wuchtigen Nase die stark Richtung Savanna geht, jedoch neben den Beeren, Trauben, Gras, karamellisierten Zucker und Lack noch salzige, grüne Oliven und Etwas, das mich Hustenbonbons erinnert, mitbringt.

Auch der Geschmack ist komplex und explosiv: Zuckerrohr, frisches Gras, rote Früchte und wieder eine ordentliche Portion Lack. Das Mundgefühl ist ölig. Der Abgang bringt dann für mich wieder die Hustenbonbon-Aromen und Olivenlake zum Vorschein. Ein interessanter Rum aus Martinique, aber vorallem durch den Abgang sicher nicht „Everybodys Darling“.

-80/100-

S.B.S. Origin Rum Guyana PM

1423 World Class Spirits hat diese Linie erst 2022 auf den Markt gebracht. Nachdem wir sie auf dem German Rum Festival zum ersten Mal im Glas hatten mussten wir uns natürlich auch ein Flasche für zu Hause sichern. Zumal es sich bei dem hier getesten Rum um eine kleine Rarität handelt. Der Rum wurde 2021 aus Melasse bei der DDL in Guyana auf der weltweit letzten Double Wooden Pot Still, die der bereits lange geschlossen Pourt Mourant Brennerei entstammt, mit dem Mark „PM“ gebrannt. Die Abfüllung erfolgte mit reduzierten 57%. Eine Flasche kostet um die 40 Euro. Wie hoch der Estergehalt ist kann ich leider nicht sagen. Die einzig vergleichbare Abfüllung – von Velier aus dem Jahr 2015 – besaß einen Congenersgehalt von 538 gr/hl.

Zuerst finde ich erdige und leicht muffige Aromen, die mich an einen Mix aus nassem Waldboden und Zeitungspapier erinnern. Weiter finde ich fruchtigen Pfirsisch, süße Vanille, Olive und eine Alkoholnote. Mit etwas Zeit zum Atmen verliert sich die Alkoholnote etwas und auch die erdigen Noten treten etwas in den Hintergrund.

Der Geschmack startet leicht süß mit einer auffallend ölig-cemigen Textur. Aromatisch finde ich grasige Aromen, Zuckerrohr, erstaunlich viel Vanille, leicht medizinische Noten und Gewürze, vorallem Sternanis. Der Abgang ist trocken mit einem Mix aus grünem Tee, Minze und Vanille. Ich bin fasziniert wieviel Vanille ein ungelagerter Rum mitbringen kann.

-77/100-

S.B.S. Origin Dominican Republic Grande Arome

Diesmal Grand Arome von einer Brennerei, die im spanischen Stil produziert. Auch diese Abfüllung kam mit 57% in die Flasche und kostet ungefähr 35 Euro. Der Estergehalt beträgt 500gr/hl.

Die Nase ist intensiv, gefällt mir aber nicht sonderlich. Viel Lack, Zitronenschalen und grappaartige Traubennote springen mich an. Und eine deutliche Alkohol- und Fuselnote.

Der Gaumen setzt das fort, was ich in der Nase wahrgenommen habe: Lack, Klebstoff, Trauben und dezente Zitrusfrüchte. Der Rum strotzt vor Estern, aber nicht die schönen wie ich finde. Der Rum erinnert mich an den Vorlauf eines Tresterbrands. Das ist mit Blick auf meine bisherigen Erfahrungen mit Rums aus der Dominikanischen Republik sicher auch spannend, weil ich so etwas von dort noch nie im Glas hatte, macht mich aber pur so überhaupt gar nicht an. Im Drink funktioniert der Rum aber tatsächlich einiges besser. Freunde werden wir aber nicht mehr. Und die Bewertung erreicht der Rum auch nur aufgrund seiner Mixability.

-65/100-

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