Terroir – diesen Begriff kennt man vor allem aus der Welt der Weine. Für das französische Wort gibt es keine eindeutige deutsche Übersetzung, am ehesten könnte man es wohl mit “Erde”, “Boden” beziehungsweise “Gegend” beschreiben. Der Begriff bezieht sich auf das komplexe Geflecht vieler Faktoren, die sich auf den Geschmack der Trauben und damit des Weines auswirken können. Gemeint sind damit etwa die Bodenzusammensetzung, geografische Details und das Mikroklima in einem bestimmten Gebiet.
In der Spirituosenwelt ist der Begriff des Terroir dagegen noch nicht allzu präsent. Mark Reynier möchte das ändern.
Er brachte die schottische Whisky-Brennerei Bruichladdich in die Erfolgsspur und gründete mit Waterford eine visionäre Marke, die ebenfalls auf dem Terroir-Prinzip fußt. Mit Renegade (in Deutschland vertrieben von Kirsch Whisky) möchte er nun der Rum-Welt seinen Stempel aufdrücken. Auf dem German Rum Festival trafen wir Mark Reynier zum Gespräch. Und wie immer, wenn man mit ihm ins Plaudern gerät, gibt es viel zu besprechen und noch mehr zu erklären. Er hat ein unglaubliches Know-How und eine klare Meinung. Entstanden ist ein unserer Meinung nach sehr ausführliches und spannendes Gespräch. Viel Spaß beim Lesen!
Herr Reynier, mit ihrem legendären Bruichladdich-Stil prägten Sie die Whisky-Welt. Sie haben Waterford gegründet und wollen mit Renegade nun das nächste Projekt großmachen – diesmal in der Rumwelt. Was haben Sie gelernt, als Sie von der Whiskey- zur Rumbrennerei wechselten?
Dass es verdammt schwierig ist, in der Karibik eine Destillerie zu bauen. Ich kann verstehen, warum die Leute das viele, viele Jahre vermieden haben. Es ist logistisch extrem herausfordernd. Meine Philosophie stammt aus der Weinwelt, in der ich die Hälfte meiner Karriere verbracht habe. Ich bin ein Purist, ich bin am natürlichen Geschmack interessiert. Ich will keine Aromastoffe, keine zugesetzten Aromen. Keinen Schwindel. Ich strebe nach dem echten Originalgeschmack.
Wie erreicht man den?
Seit vielen Jahren wird erzählt, beim Geschmack gehe es vor allem um das Destillieren. Um die schönen, glänzenden Destillierapparate. Aber so langsam begreifen immer mehr Menschen: Der Teil davor ist wichtig. Sie begreifen, dass die ganze Zeit in die falsche Richtung geschaut wird. Dass wir auf den Anfang blicken müssen! Denn dort wird der Geschmack erzeugt.
Ganz nach dem Motto: Aus mittelmäßigen Zutaten kann am Ende nichts Gutes entstehen.
Ganz genau. Für Waterford haben wir mit dem führenden Scotch-Whisky-Labor und einem amerikanischen Wissenschaftler, Dr. Dustin Herb sowie dem irischen Landwirtschaftsministerium eine Untersuchung durchgeführt. Diese dauerte drei Jahre. Dabei kamen wir zu einigen sehr überraschenden Ergebnissen. Eines davon war, dass die Gerstensorten, die für Whiskey verwendet werden, genetisch so ähnlich sind, dass sie geschmacklich keinen Unterschied machen. Es sei denn, man geht zurück in die Zeit vor 1970, was wir selbstverständlich tun.
Zum anderen dachte jeder, es gäbe hundert Geschmacksstoffe in der Gerste, weshalb Whisky die geschmackvollste Spirituose der Welt sei. Aber wir haben herausgefunden, dass es zweitausend Geschmacksrichtungen gibt. Zweitausend! Es gibt also eine ganze Menge Wissen, das völlig ausgeblendet wird. Und wenn man als Destillateur eine Brennerei gründet, will man ja nicht das machen, was bereits alle anderen machen. Mit Renegade hatten wir die Möglichkeit, ganz von vorne anzufangen. Sozusagen auf einem weißen, unbeschriebenen Blatt Papier.
Sie haben mit Waterford im Jahr 2015 begonnen. Wie lange hat es gedauert, das Projekt Renegade auf den Weg zu bringen?
Die beiden Projekte sind nahezu zeitgleich gestartet. Ich hatte Renegade im Jahr 2008 als unabhängigen Abfüller gegründet. Aber ich habe sehr schnell festgestellt, dass die verfügbaren reifen Bestände von immer schlechterer Qualität und Verfügbarkeit waren. Und dass ich deshalb als unabhängiger Qualitätsabfüller nicht überleben würde.
Also beschloss ich, entweder nach Beständen oder einer Brennerei zu suchen, die ich kontrollieren konnte. Ich habe den Pazifik, Fidschi, La Reunion, Mauritius, den Pazifik und den Atlantik abgesucht. Doch alles, was ich gefunden habe, brachte mich ehrlich gesagt zu dem Schluss, dass ich das selbst in die Hand nehmen muss. Ich fand alte Maschinen und vorkoloniale Anlagen, die schlecht gewartet waren. Grauenhaft, sowohl für die Umwelt als auch die Einhaltung der Vorschriften.
Und damit sind wir bei dem, worum es bei Rum eigentlich geht: Rum war immer ein “Something for nothing”-Produkt. Der Großteil wird aus Melasse hergestellt, dem Abfallprodukt der Zuckerraffination. Der Zucker selbst war das wertvolle Produkt, während der Rum aus den beinahe wertlosen Überresten gewonnen wurde – man bekam “Etwas aus dem Nichts”. Es ist eine Win-Win-Situation. Denn 90% der Hersteller benutzen Melasse. Doch ich muss nicht in Grenada sein, um Melasse zu verwenden. Ich könnte dafür auch auf Islay sein. Es gibt sogar einen Kerl auf Islay, der Melasse herstellt! Es gibt keinen Herkunftsnachweis, kein Terroir in Melasse. Melasse ist der Inbegriff von Konsolidierung.
Man kann Melasse aus Kuba kaufen und sie in London, München oder wo auch immer destillieren, wenn man will.
Richtig, alle arbeiten mit dem gleichen Material. Doch niemand würde zu Chateau Lafite sagen: “Warum habt ihr nicht die gleichen Trauben verwendet wie alle anderen”? Denn dann wäre es ja kein Chateau Lafite mehr, oder?
Wir mögen Ihre Idee des Terroirs. Aber schränken Sie sich nicht selbst ein, wenn es um die Skalierbarkeit des Unternehmens geht?
Nein, auf keinen Fall! Schauen wir auf das Zuckerrohr: Ich wollte die Herkunft, ich wollte Terroir, diesen Effekt des Mikroklimas, des Bodens und der Topografie. Bei Wein sind wir mit diesem Prinzip bestens vertraut, und jeder versteht es. Aber in der Spirituosenszene gibt es wenige Weintrinker, deshalb ist Terroir ein relativ neues Konzept.
Die großen Destillateure behaupten: “So ein Quatsch, das ist Unsinn”. Aber das sagen sie nur, weil sie nicht wollen, dass man sieht, woher sie ihr Substrat, ihr Ausgangsmaterial bekommen. Der Geschmack von Zuckerrohr, Weinstöcken und Gerste wird natürlich davon beeinflusst, ob die Pflanze an einem steilen Hang oder in einer fruchtbaren Schwemmebene wächst. Ich habe zwei Paare von Zuckerrohr, eines von der Spitze eines Vulkans, eines von der Unterseite. An der Spitze, dem Atlantik zugewandt, wird das Zuckerrohr förmlich vom Wind zerschlagen, die Gegend sieht extrem karg aus. Unten, wo der ganze Boden heruntergespült wurde, ist es dagegen sehr fruchtbar. Der Boden ist feucht. Er ist wasseraufnehmend. Lehmig. Und das Zuckerrohr wächst, als gäbe es kein Morgen und produziert einen fetteren, reicheren Rum.
Auf dem Gipfel hingegen, nur 200 Meter von diesem Feld entfernt, wird ein wirklich blumiger, eleganter Stil erzeugt – dabei wird der Rum auf die gleiche Weise destilliert, hat am Ende aber grundlegend andere Aromen. Das ist die Sache mit Aromen, mit Geschmack: Er verschwindet nicht. Aromastoffe sind unveränderlich. Man kann sie nicht zerstören. Wenn sie einmal da sind, sind sie da.
Alle Ihre Renegade-Rums sind ungelagert …
Wir nennen das “Pre-Cask”, weil es genau das trifft. Ich interessiere mich jedoch sehr für die Reifung. Denn was mit den Aromastoffen im Fass passiert, ist, dass sie mit Mikrosauerstoff angereichert werden und die Aromastoffe miteinander reagieren. Einige verstecken sich, andere verstärken sich, sie treiben allerlei seltsamen Schabernack. Aber man muss in erster Linie Aromen haben, und dann machen sie schon ihr Ding.
Es wird also fassgereifte Renegades geben?
Das, was wir jetzt haben, ist nicht das Ende der Fahnenstange. Das ist erst der Anfang. Die ungelagerten Rums sind gewissermaßen nur die Bausteine.
Ich glaube, es ist sehr schwer für jemanden wie Sie, der so tief in die Materie abtaucht, sich am Ende für das richtige Fass zu entscheiden.
Oh nein, das ist ganz einfach. Es gibt viele Missverständnisse über Fässer, und das kommt oft von der Whisky-Industrie, wo man sagt, dass 80 % des Geschmacks eines Whiskys komme aus dem Holz. Das ist Blödsinn, absoluter Blödsinn.
Man muss sich das nur mal durch den Kopf gehen lassen: Wenn man neutralen Alkohol in ein Fass gibt, ist das dann Whisky? Nein, ist es natürlich nicht. Das ist entsetzlich. Man braucht wie gesagt erst einmal Geschmacksstoffe. Und dann die Mikro-Oxygenierung. Es ist wahrscheinlich richtiger zu sagen, dass der Geschmack einer Spirituose zu hundert Prozent von der Zeit im Fass beeinflusst wird. Also durch die Mikro-Sauerstoffanreicherung durch das Holz.
Aber es würde doch einen Unterschied machen, ob man den Renegade-Rum in einem Ex-Bourbon-Fass oder in einem Rotweinfass ruhen lässt?
Natürlich, aber das ist nur ein Teil des Ganzen. Wir haben 15 verschiedene Farmen und auf jeder Farm im Durchschnitt, sagen wir, fünf Terroirs identifiziert. Wir haben also 75 Terroirs, mit denen wir spielen können. Und wir haben eine Pot Still und einen Batch Column Still.
Wir haben also 150 einzelne Komponenten pro Jahr, die wir abfüllen. Jetzt verwenden wir eine Vielzahl von Eichenholz. Nur Eiche. Aber Virgin American, Virgin French, First Fill American und First Fill French. Alles kommt also in das selbe Portfolio von Fässern.
Sie fragten mich vorhin, ob ich mich durch den Fokus auf Terroir selbst einschränken würde. Nein, das tun wir nicht, denn wir werden die Komponenten zusammensetzen. Noch 2022 wird die erste gelagerte Version von Renegade in Deutschland erhältlich sein. Und ich verspreche Ihnen: Sie werden staunen. Danach werden wir damit beginnen, die verschiedenen Terroirs und die verschiedenen Fasstypen zu kombinieren, um zu sehen, was wir herstellen können. Und dann, im Jahr 2024, werden wir alle Terroirs, als 75 Terroirs, zusammenstellen. Das ist der Sinn der Sache, aus den einzelnen Bausteine Komplexität zu erschaffen. Dabei stehen wir erst ganz am Anfang.
Die Messlatte scheint ziemlich hoch zu liegen.
Das Ziel dieses Projekts war immer: Wie kann ich einen Rum kreieren, der so komplex und tiefgründig ist wie ein Single Malt Whiskey. Und das Konzept ist nicht ganz neu. Es ist das, was die großen Chateaus in Bordeaux tun. Sie stellen ihre besten Abfüllungen aus vielen kleinen Weinen her. Die Renegade-Rums sind gewissermaßen meine kleinen Weine, die wir dann mit ihren eigenen, vom Terroir abgeleiteten Aromen zusammenstellen. Man stapelt also Geschmack auf Geschmack auf Geschmack auf Geschmack. Im Glas geben sie dann all diese verschiedenen Aromen wieder frei.
Sie haben Ihr Projekt Waterford, und Sie haben das Projekt Renegade. Was genau ist Ihre Rolle? Richten Sie das Projekt zunächst ein und leiten es dann? Oder stecken Sie tief in der täglichen Arbeit?
Oh, ich stecke tief im Tagesgeschäft.
Mit Ihren Produkten betreten Sie in vielerlei Hinsicht Neuland. Wenn Sie eine Sache in Ihrer Branche über Nacht ändern könnten, was wäre das?
Transparenz. Auf der Rückseite jeder Flasche steht der sogenannte Cane Code. Anhand dieses Codes kann man sämtliche Daten ablesen. Man kann das Terroir sehen und nachvollziehen, woher es kommt. Sie können sehen, wie alles vergoren wurde, in welchen Fässern der Rum gelagert wurde. Wie die Abfüllung konstruiert ist. Das ist Transparenz. Es gibt noch etwas, das ich für sehr wichtig halte. Wenn man echte Herkunft will, muss man ein Terroir haben. Aber ein Terroir zu haben, ist nicht genug. Man muss auch in der Lage sein, es zu beweisen. Und auch das ist nicht genug. Man muss auch in der Lage sein, es weiterzugeben.
Es geht um Rückverfolgbarkeit und Transparenz. Und man kann das eine nicht ohne das andere haben. Wissen Sie, unsere Branche ist eine Storyteller-Branche. Man erzählt gerne Geschichten. Jeder lügt, als gäbe es kein Morgen. Und die wahre Produktion und die erzählten Geschichten sind häufig so weit voneinander entfernt, dass es wie in Hollywood zugeht. Und genau das ist das Problem. Es ist eine marketinggesteuerte Branche. Ich hingegen bin Brenner und meine Geschichte ist hier in meinen Flaschen. Das ist es, worum sich alles dreht. Hier werden keine Dinge erfunden. Es geht nicht darum, das zu erzählen, was jeder hören will. Aber ich würde niemanden hier in diesem Raum, auf dieser Messe glauben. Glauben Sie auch mir nicht. Aber alles, was ich gesagt habe, ist für jeden dank des Cane Code nachvollziehbar.
Basiert der auf einer Blockchain?
Ja, das Ganze ist Blockchain-basiert. Wir haben 8.000 Datenpunkte pro Farm.
Ich stelle es mir sehr kompliziert vor, das zu initiieren.
Das ist es. Aber es ist essenziell, um Rückverfolgbarkeit, Transparenz und auch die Validierung zu ermöglichen. Ich muss etwas haben, das zeigt, dass das kein Industrie-Blabla ist. Und natürlich bin ich der Überzeugung, dass die Verbraucher von heute mit ihren iPhones und iPads, die technologisch versierten Menschen, weniger an dem großen Marketing-Bullshit interessiert sind. Sie haben ihn längst durchschaut und wissen, dass sie es auf ihrem iPad nachschlagen können. Man kann mit einem Klick herausfinden, ob die Angaben wahr sind.
Warum wird in der Rum-Welt eigentlich so viel getrickst?
Es gibt ein großes Maß an Täuschung oder eklatanter Unwissenheit, vielleicht auch ein bisschen von beidem. Das liegt sicherlich auch daran, dass jeder überall auf der Welt Rum herstellen kann. Man kann alles machen, alles hinzufügen. In der Welt des Whiskeys gibt es viele Unarten, mit Hochdruck-Fass-Finishes und Aromastoffen und Eichenholz-Chips und allen möglichen unanständigen Dingen, und da wird vieles unter den Tisch gekehrt. Doch was in der Welt des Rums passiert, das könnte man als freie Meinungsäußerung bezeichnen, wenn man es höflich ausdrücken möchte.
Aber jeder soll weiter machen, wie er denkt. Ich weiß, was ich tue. Ich weiß, wohin ich gehe. Und offen gesagt, ist es mir auch völlig egal, was andere in dieser Branche machen. Ich ziehe mein eigenes Ding durch. Kopf runter, los geht’s. Und wir freuen uns sehr, diese Reise mit den Menschen zu teilen. Wir haben viele Videos auf unseren Kanälen geteilt, von Anfang an. Wir haben alle Misserfolge gezeigt, alle Probleme und Schwierigkeiten. Die ungeschminkte Wahrheit. Man kann sich alles sehen und nachvollziehen, warum das alles so lange gedauert hat. Das war nicht leicht. Aber man braucht eine Vision, man braucht Mut und man braucht den Glauben an das, was man tut. Und man braucht die finanzielle Unterstützung von Menschen, die in einen investieren und an das, was man tut, glauben. Dies ist der erste Schritt einer langen Reise.
Die Scotch-Einflüsse sind in Ihrem Rum noch wiederzufinden …
Wir nehmen Zuckerrohr, aber wir destillieren es auf eine schottische Art. Es ist eine doppelte Destillation. Der Geschmack ist dadurch viel intensiver. Es ist nicht als eine Art Rhum Agricole oder Clairin gedacht. Dies ist ein Rum, der für die Ewigkeit gemacht ist. Es ist ein Rum, der gebaut wurde, um zu altern und zu reifen. Es ist ein geschmacksintensiver, aromatischer Rum.
Ihre Projekte liegen an zwei völlig unterschiedlichen Enden der Welt – auf Islay und Grenada. Wie bringen Sie das im Alltag unter einen Hut? Wie können Sie das nachhaltig gestalten?
Nun, man braucht dafür gute Leute. Renegade wird von Graham Williams geleitet. Er kommt aus Grenada, wie 99 % unserer Mitarbeiter. Und das ist etwas, was mich wirklich freut: Wir haben das erste rein weibliche Destillationsteam der Welt. Das zeigt, was man erreichen kann, wenn man eine Vision und einen Plan hat.
Das Gleiche in Waterford: Ned ist dort unser Chef-Destillateur. Devin ist unser Chef-Destillateur in Grenada. Das sind zwei extrem talentierte Leute. Es ist meine Aufgabe, die richtigen Leute zu finden und ein Team zusammenzustellen. Und wenn man dann ein Team zusammen hat, funktioniert es.
Wie oft sind Sie pro Jahr in Grenada?
Vier oder fünf Mal im Jahr.
Was hat es damit auf sich, dass alle Flaschen mit 50 Prozent Alkoholanteil abgefüllt werden? Viele Destillateure entscheiden sich dafür, den Alkoholgehalt individuell anzupassen.
Nun, ich mag diese Zahl. Es ist eine schöne runde Zahl. Nein, nur ein Spaß. Wir wollen, dass der Rum auf seinen eigenen zwei Füßen steht, und ich denke, dass das Geschmacksprofil der Spirituose, ihre Jugend und ihr Alter, durch den Alkoholgehalt oft noch unterstrichen werden. Wenn es sich also um eine sehr alte Spirituose handelt, hat sich der Geschmack und die Stärke natürlich verringert, und das funktioniert sehr gut. Eine junge Spirituose neigt im Allgemeinen dazu, mehr oder weniger stark strukturiert zu sein.
Wenn Sie sich für eine Spirituose entscheiden müssten, also Whisky oder Rum, welche würden Sie bis zum Ende der Zeit herstellen und warum?
Puh, das ist eine interessante Frage. Wie ich schon sagte, sind die beiden Projekte sehr unterschiedlich. In Waterford haben wir bereits eine hochmoderne Brauerei gekauft und dann diese ganze massive Infrastruktur aufgebaut.
Bei Renegade mussten wir zunächst einen Ort finden und dann herausfinden, ob wir wieder Zuckerrohr anbauen können und ob die Leute die Herausforderung annehmen würden. Und wenn sie es taten und wir Zuckerrohr anbauen konnten und es dem Terroir entsprach, dann, und nur dann, ob es sich überhaupt lohnen würde, eine Destillerie zu bauen.
Obwohl also beide Projekte im selben Jahr begannen, sollte Renegade beweisen, dass Zuckerrohr angebaut werden kann und auf das Terroir reagiert, während wir bei Waterford sofort loslegten. Mit Waterford sind wir also weiter fortgeschritten als mit Renegade. Nächstes Jahr werden wir bereits unsere ersten sechs Jahre alten Whiskeys haben.
Bei Renegade hat alles viel länger gedauert. Und als wir gerade dabei waren, die Brennerei zu eröffnen und zu betreiben, kam COVID und wir konnten die Brennerei nicht fertigstellen. Wir konnten die Inbetriebnahme nicht abschließen. Also mussten wir alles selbst lernen.
Sie haben also mehr Blut und Schweiß in Renegade investiert?
So kann man es ausdrücken: Blut, Tränen, Mühsal und Schweiß.
Ich meine, Waterford ist ein Rolls Royce. Es gibt nichts, was ich hätte besser machen können. Es gibt nichts, was ich mir gewünscht hätte, dass wir es anders getan hätten. Ich meine, bei Bruichladdich war es immer so, dass man einen Felsbrocken den Berg hinaufschieben musste und das ganze Gepäck der Industrie und der Tradition hinter sich herziehen musste. Man hörte dauernd Dinge wie “wir können das nicht tun” und “wir können dies nicht tun”.
Bei Waterford ist das Gegenteil der Fall. Da galt die Maxime: Warum das Ganze nicht mal anders machen? Das Glas als halb voll betrachten. Das war eine Freude. Es war ein Vergnügen. Es gibt nichts, was ich bedauere oder wo ich denke, dass ich es hätte besser machen können. Bei Renegade habe ich für alles gebüßt. Alle meine Sünden stecken in Renegade. Machte man einen Schritt vorwärts, ging man danach zwei Schritte rückwärts. Es war eine echte Tortur.
Das klingt nach vielen Misserfolgen.
Oh, wir wären auf dem Höhepunkt von COVID fast pleite gegangen. Aber unsere Anteilseigner haben sich der Herausforderung gestellt. Das sind alles Privatpersonen, die ich aus meiner Weinzeit, aus meiner Bruichladdich-Zeit oder was auch immer kenne. Aber sie haben in mich investiert und sie konnten sehen, dass wir fast am Ziel waren, aber es brauchte mehr Zeit. Und so haben sie alle investiert, um das Werk zu vollenden.
Am Ende haben wir es geschafft. Die Antwort auf Ihre Frage wäre also: Wenn wir anfangen, diese Terroirs miteinander zu verschmelzen, dann hoffe ich, dass diese Spirituose genau die Richtige für mich sein wird.
Gibt es etwas, das Sie unbedingt einmal destillieren und zur Perfektion bringen möchten, das aber leider kein lukratives Geschäft oder einfach nicht möglich ist?
Ich war schon immer ein großer Fan von Eau de Vie, also Obstbränden. Von deren Reinheit. Ich wollte schon immer etwas damit machen! Ich habe mir auch einmal Mezcal angeschaut. Aber ehrlich gesagt finde ich es ziemlich beängstigend, und ich denke, dass es ein Problem mit der übermäßigen Ausbeutung der Agave geben wird. Obwohl der Klimawandel daran etwas ändern könnte. Und dann Bourbon. Ich hätte fast ein Bourbon-Projekt gemacht, aber das hatte sich in letzter Minute erledigt. Dabei verdient es Bourbon wirklich, dass jemand etwas mit ihm macht.
Dann noch drei kurze Fragen zum Schluss. Mojito oder Daiquiri?
Caroni oder Skeldon?
Tumbler oder Nosing Glas?
Tumbler.
Können Sie das erklären?
Fast jeder verkostet Spirituosen mit einem Nosing Glas. Wobei der Hinweis, was man damit anstellt, schon im Namen steckt: Nosing Glas.
Dabei lässt ein Nosing Glas die Spirituose nicht ihre Wirkung entfalten. Es ist zu eng. Und doch gehen wir alle auf Messen und Tastings mit Schnuppergläsern herum und trinken daraus. Wem wollen wir etwas vormachen? Es ist das falsche Glas für den falschen Zweck. Wenn man Rum trinkst, wenn man irgendeine Spirituose genießen will, braucht man ein offenes Glas, damit die Luft ihr Ding machen kann.
Sie können diesen speziellen Nosing-Gläser also nichts abgewinnen?
Nein, nochmal: Das ist ein Nosing-Glas. Es ist zum Riechen da. Wir reden über Verkostungen. Aber an einem Tisch mit Nosing-Gläsern herumzusitzen und dann tatsächlich daraus zu trinken, da verpasst man doch die Hälfte.
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Last modified: 2. Oktober 2022