Foto:instagram/andre_pii

Andre Pintz ist Betreiber und Barchef des Imperii in Leipzig. Einer Bar, die mittlerweile fast jeder in der deutschen Spirituosen- und Cocktail-Szene kennt. Der Falstaff hat Andre im Herbst 2021 zum „Innovativsten Bartender“ gekürt. Bereits 2014 gewann er die von der Mixology veranstalteten Made in GSA Competition. Grund genug für ein Interview. Wir haben zwischen der Bewirtung eines Junggesellenabschieds und dem dann einsetzenden Abendservice einige Worte mit Andre Pintz gewechselt.

Hallo Andre, vielen Dank das du dir erneut Zeit nimmst mit uns ein wenig zu schwatzen. Vor 1,5 Jahren waren wir, kurz nach dem ersten Lockdown, schon einmal zu Gast bei dir. Damals hast du uns von deiner Idee erzählt eigene Bottled Cocktails auf den Markt zu bringen, um damit zum Beispiel Hotels zu beliefern. Das haben wir natürlich weiter verfolgt und mittlerweile ist deine Marke „Liquid Attitude“ in unserer Wahrnehmung im Social Media allpräsent. Zumindest habe ich das Gefühl, wenig von deiner Bar und viel von deinen Bottled Drinks zu sehen.

Das höre ich sehr gerne. Denn mein größter Schwachpunkt, den ich zur Zeit noch habe, ist das Social-Media-Marketing. Das ist wirklich ein schwieriges und komplexes Thema.

Also ist diese Verteilung von dir so gewollt?

Ich bin erstmal grundsätzlich froh wenn die Inhalte positiv aufgenommen werden. Ich weiß aber auch, dass die Bar dadurch etwas weniger dargestellt wird. Aber wir wollen natürlich die Bottled Drinks erstmal ein wenig pushen. Versuchen es aber in Einklang miteinander zu bringen, indem wir zum Beispiel die Fotos hier in der Bar machen. Wir haben uns ja auch dafür entschieden es nicht voneinander zu trennen. Beides läuft über die gleiche „Firma“. Jeder, der eine Flasche „Liquid Attitude“ in der Hand hält, weiß ganz genau, dass diese aus dem Imperii kommt. Dadurch sollen beide Welten gegenseitig partizipieren.

Ok, du möchtest also ganz bewusste keine „zwei Stiefel“ fahren, wie es andere Bars gemacht haben?

Genau, das möchten wir nicht. Wir haben uns bewusst für diesen Weg entschieden. Wir haben schon zum Start von „Liquid Attitude“ gemerkt, das wir durch die Qualität der Drinks immer wieder das Imperii ins Gedächtnis der Leute rufen, auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch Lockdown war. Und viele sind dann als Erstes nach dem Lockdown auch ins Imperii gekommen. Und jetzt merken wir, dass viele Gäste, die sich eigentlich nur ihre bestellten Flaschen abholen wollen, dann auch einen Tisch für das Wochenende reservieren oder auch direkt noch für einen Drink bleiben. Aber es passiert natürlich auch, dass Gäste, die in der Bar sind, am Ende noch Bottled Cocktails mit nach Hause nehmen. So ist es eine Win-Win-Situation für beide Seiten.

Die Marke ist auch in eurer Bar präsent und fällt ins Auge…

Das soll schon definitiv die Eigenmarke des Hauses sein und alles miteinander verknüpfen.

Wie lange war die Planungszeit für das Projekt?

Oh, wirklich sehr lange. Die Idee ist 2019 entstanden. Wie ich euch damals schon erzählt habe, gibt es hier im direkten Umfeld sehr viele 3- und 4-Sterne-Business-Hotels ohne F&B-Konzept (Food and Beverage). Ich hatte mich dann mit vielen Hotelmanagern zusammengesetzt und wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir genau diese Leute erreichen und einen guten Drink ermöglichen können. Drinks in Flaschen sind dann die perfekte Möglichkeit einfach und mit wenig Personalaufwand Drinks auf hohem Niveau an den Gast zu bekommen. Während der Planung und Konzeption kam dann Corona und wir mussten uns von den geplanten 0,5- bis 1-Liter-Flaschen wegbewegen. Die waren dann für die Gastronomie nicht mehr sinnvoll. Dadurch sind wir dann auf die 0,2-Liter-Flaschen gewechselt und haben jetzt sogar 0,1-Liter-Flaschen im Angebot. Das heißt, es werden Einzeldrinks verkauft, was auch sehr schön ist, weil wir noch verschiedene Cocktailsets planen. Aber um auf die Frage zurück zu kommen: 1,5 Jahre haben wir definitiv gebraucht um an den Start zu gehen. Ich muss aber auch sagen, dass wir nicht so schnell gewesen wären wenn Corona nicht gekommen wäre.

Auf welche Schwierigkeiten trifft man während der Planung?

Wenn man einmal damit anfängt und sich tief in das Thema hineinarbeitet, es also nicht nur als kurzfristigen Lückenfüller betrachtet, sondern als eigenständiges Business betreiben möchte, ist es gar nicht einfach. Man muss zum Beispiel auf das Lebensmittelverpackungsrecht achten. Wie groß muss mindestens eine Schriftgröße auf dem Etikett sein, was muss alles auf dem Etikett stehen, in welchem Zusammenhang muss es auf dem Etikett stehen, welche Mindestvolumenprozente muss der Drink haben, um nicht ins Pfandrecht zu fallen. Ganz wichtig ist auch, das Ganze beim „Grünen Punkt“ anzumelden, weil man ja automatisch auch Müll in den Umlauf bringt, sei es jetzt Glas, Papier oder auch Plastik aufgrund der Schrumpfkappen. Dann war noch wichtig, wie es mit den Fillern und dem dazugehörigen Pfandsystem funktioniert. Das heißt, ob die zu mir zurückkommen müssen oder auch woanders abgegeben werden können. Da gibt es einfach unglaublich viele rechtliche Bausteine, die sehr spannend und interessant waren und in die wir uns sehr intensiv und lange reinlesen mussten. Aber wie gesagt, da hat uns Corona motiviert das Ganze zu beschleunigen.

Deutschland halt. Das Thema Pfand hatten wir letztes Jahr schon einmal bei unserer Destillerie-Tour im süddeutschen Raum gehört. Da sprach man auch davon, dass es eine wahnsinnig komplizierte Geschichte ist, wenn man zum Beispiel ein Tonic oder auch ein Ginger Beer auf den Markt bringen möchte…

Ja das ist wirklich so. Deswegen haben wir darauf geachtet, dass wir nicht unter die Grenze fallen, unter der man sagen könnte, dass wir ein Alkopop sind. Da wären wir dann im Pfandrecht und müssten dann auch auf standardisierte Flaschen zurückgreifen. Also zum Beispiel in den bekannten Tonicflaschen oder auch 0,33-Liter-Bierflaschen abfüllen. Das macht das Ganze aber etwas unsexy. Wir wollen ja nicht nur Qualität in der Flasche sondern ein ansprechendes Gesamtprodukt.

Fotos: instagram/liquid_attitude

Bist du mit der Entwicklung des Projekts zufrieden? Siehst du noch Wachstumspotenzial oder ist durch die Corona Lockerungen das Business in diesem Bereich etwa eingeschlafen?

Ich sehe definitiv noch Wachstumspotential und auch Bereiche, in denen wir noch etwas an uns arbeiten müssen. Zum Beispiel beim Online-Marketing, was ein riesengroßer Baustein ist, der aber auch schnell sehr viel Geld kostet. Da fragen wir uns natürlich, wieviel wir uns leisten können und was man dann auch genau dafür macht. Und ich mag es auch lieber wenn es so geschieht wie beim Imperii – langsames und organisches Wachstum. Aber ja, auch durch die Lockerungen ist es etwas „eingeschlafen“. Ganz einfach, weil die Leute wieder Lust haben in die Bars zu gehen. Dafür können wir dann hier in der Bar mit den Leuten darüber sprechen. Dadurch werden unsere Flaschen auch für Events, Workshops, Geburtstage oder auch Junggesellenabschiede gekauft. Das sind Gruppen, die du vorher nur über ein Onlinegeschäft nie erreicht hättest.

Den Punkt mit dem langsamen Wachstum finde ich interessant. In meiner Wahrnehmung ist das Imperii damals recht schnell sehr bekannt geworden.

Das stimmt schon, aber wir hatten auch nach 4-5 Jahren noch Gäste, die auch aus Leipzig kamen, und das erste Mal zu Gast waren und die Bar zuvor nicht kannten. Das finde ich immer total cool. Mir ist es lieber, etwas unter dem Radar zu schwimmen und die Leute die da sind auch jetzt nach sieben Jahren noch begeistern zu können.

“Beim Imperii setzen wir auf langsames und organisches Wachstum”

ANdre Pintz

Unter welchen Gesichtspunkten hast du die Drinks ausgewählt?

Das ist eine sehr gute Frage! Zum einen absolute Topseller aus der Bar, zum Anderen Drinks, die aromatisch völlig anders sind als die Bottled Drinks die schon auf dem Markt sind. Wir haben von Anfang an gesagt wir wollen kein „Swimming Pool“ oder „Sex on the Beach“. Also keine klassischen Saftcocktails in der Flasche. Wir wollten es anders machen und den Imperii Style auch in die Flasche bringen. Und dann ist man ja eingeschränkt was man überhaupt bottlen kann. Man muss zum Beispiel bei der Säure aufpassen oder auch bei verschiedenen Bitterzutaten, Teearomen und verschiedenen Frischezutaten. Da muss man vieles ausklammern oder man muss sich Ersatzprodukte suchen. Dann kommt natürlich auch noch der Preisfaktor dazu. Jeder Drink, egal wie gut er ist, der sich in der Bar für 13 – 15€ verkauft funktioniert dann in der Flasche für 30€ für 2 Portionen nicht. Aber wir haben jetzt eine schöne Range von 11 Drinks plus einer Sommerdedition aus dem letzten Jahr. Demnächst kommt dann die neue Sommeredition für dieses Jahr noch dazu. So sollen dann jedes Jahr 1-2 Drinks dazukommen.

Das Thema Säure ist ja glaube besonders schwierig. Wie löst ihr das Problem? Und künstliche Aromen sind für euch sicher raus?

Künstliche Aromen sind definitiv raus. Aromen kommen bei uns nur über Spirituosen, Likör oder den Filter, den wir dann dazu packen. Und für die Säure haben wir uns ganz klar für Supasawa entschieden um eine stabile Säure zu garantieren.

Ich habe ein kleines Buch, in dem ich von Barkeepern Rezepte sammle, die sie ganz besonders mögen und die sich mit auf eine einsame Insel nehmen würden. Welchen Drink würdest du mitnehmen?

Das passt sehr gut, das wäre ein Drink den wir gerade erst gelauncht haben in der Bottled Drink Collection. Der heißt TikiTiki MaiTai. Der passt auch sehr gut zu einer karibischen Insel. Das ist eine MaiTai-Abwandlung mit einem leichten Kräuterlikör, Williamsbirne und Ginger Beer. Der ist wirklich karibisch leicht und fruchtig. Den kann man im Sommer trinken, aber auch im Winter und passt aromatisch überall hin. Der Drink passt für jeden der mal etwas ganz anderes trinken möchte. Er hat zwar mit Rum nichts zu tun, greift aber trotzdem das Thema auf. Und er funktioniert sowohl als Long Drink mit Filler und als Short Drink ohne Limonade. Auch als Slushi wäre der Drink im Sommer denkbar. Deswegen kommt der definitiv mit auf die Insel!

Das klingt spannend, mit MaiTai und Birnenbrand hast du uns sowieso direkt überzeugt! Ihr habt vor kurzem erst die Bar komplett auf den Kopf gestellt und modernisiert. Sehr mutig nach einer so schwierigen Zeit für eure Branche! Stillstand scheint nicht euer Ding zu sein? Was war die Idee dahinter, denn es sah ja auch vorher sehr schick bei euch aus?

Nein, Stillstand kommt nicht Frage. Es war nach dem ersten Lockdown – und als es absehbar wurde, dass es einen zweiten geben wird – klar, dass wir die Zeit nutzen müssen. Und es wäre auch mein eigener Anspruch an einen Laden, in den ich gerne gehe, nach einer sehr langen Schließung etwas Neues vorzufinden. Und dann haben wir uns gesagt, dass es für die Gäste einen Überraschungsmoment geben soll, wenn wir dann das Imperii wieder öffnen. Deswegen haben wir viel Geld investiert. Wir haben alle Wände gestrichen inklusive Küche, Spülküche und Nebenräumen, die Decke dunkel gestaltet, das Interieur erneuert, wir haben die Smokers Lounge (in der wir das Interview geführt haben) komplett umgestaltet und eine Businesslounge für kleine Events oder private Einbuchungen geschaffen, Faltfenster im Hauptgastraum eingebaut und oben schaffen wir gerade noch einen Workshop- und Tastingraum.

Ein Workshop- und Tastingraum ist aber auch was Besonderes. Gibt es so etwas in Leipzig schon?

Nein, sowas gibt es in Leipzig noch gar nicht. Dazu haben wir uns entschlossen, weil wir immer wieder Anfragen für solche Räumlichkeiten bekommen haben in der Vergangenheit. Das war dann der nächste logische Schritt. Aber auch das wollten wir langsam und organisch umsetzen.

Nächstes spannendes Thema: Du hast schon vor ein paar Jahren eine eigene Gläserkollektion heraus gebracht und stehst damit in einer Reihe mit Bartenderlegende Charles Schumann und Stephan Hinz. Wie kam es dazu?

Das ist jetzt wirklich schon länger her. Die Kollektion haben wir 2016 offiziell auf den Markt gebracht. Das war eine ziemlich spontane Gegebenheit. Ich habe Oliver und Gabriel von Leonardo 2014 in Paris während meines Stipendiums bei der Arbeit kennengelernt. Da haben wir uns darüber unterhalten, wie es denn wäre, wenn man mal an einer eigenen Glaskollektion mitarbeiten könnte. Und die beiden fanden es spannend welche Ansichten ich habe und mit in diese Sparte bringe. Dazu hatten sie selbst schon länger die Idee eine Barkollektion auf den Markt zu bringen und so hat das super zusammengepasst. Dann haben wir Kollektion zusammen gestaltet und auch über die letzten Jahre nochmal angepasst. Und jetzt noch ein kleiner Teaser: Wir arbeiten bald an dem nächsten Projekt.

Da bin ich aber schon gespannt! Das ist ja jetzt mit deinen Bottled Drinks die perfekte Verbindung, Tinder würde sagen: It’s a Match…

Absolut perfekt! Wir bieten die Gläser auch in unserem Onlineshop an. Deswegen freue ich mich auch schon auf die neue Kollektion, die wir mit Leonardo aktuell schon in der Planung haben. Natürlich müssen wir da auf die aktuellen Gegebenheiten bezüglich der Rohstoffverfügbarkeit Rücksicht nehmen.

Stimmt, Glas soll gerade sehr rar sein…

Genau, aber über die nächsten 1-2 Jahre werden da noch schöne Neuigkeiten kommen.

Welches ist dein persönliches Lieblingsglas?

Die Cocktailschale finde ich persönlich sehr schön. Ich bin sowieso ein Freund von eleganten und filigranen Cocktailschalen oder Nick & Nora Schalen. Ich trinke wahnsinnig gerne daraus. Da kannst du schöne Cocktails, aber auch perfekt Schaumwein draus trinken.

Was erwartet uns noch im Imperii in der nächsten Zeit?

Wie gesagt, wir bauen oben noch weiter aus, dann erweitern wir unsere „Liquid Attitude“ Range. Eigentlich wollten wir jetzt unsere neue Barkarte launchen, das haben wir jetzt aber, aufgrund des stark herrschenden Rohstoffmangels, auf den Spätherbst verschoben. Verschiedene Whisk(e)y-, Rum- und Tequilasorten sind aktuell nicht verfügbar, alles was aus Mexiko kommt ist nicht verfügbar, die Franzosen haben Probleme mit der Lieferung. Da müssen wir natürlich reagieren ud es wäre schade eine Barkarte zu launchen, bei der nur die Hälfte der klassischen Spirituosen verfügbar ist. Oder wir müssten sehr viel Aufwand betreiben und die Flaschen zu exorbitanten Preisen kaufen. Den wollen wir dann aber auch nicht an die Gäste weiter geben. In zwei Wochen starten wir dann die Imperii Liquid Sommerlounge. Da haben wir ein alle 14 Tage wechselndes spezielles Barmenü mit 5-8 Drinks in Verbindung mit unseren Spirituosenpartnern. Da greifen wir dann auch nochmal alte Drinks aus den letzten sieben Jahren mit auf, aber auch komplett neue Drinks und teasern ein wenig die neue Barkarte an. Den Start macht Belsazar.

Was ist deine Lieblingsspirituose?

Mezcal

Tolle Spirituose, aber sicher nicht ganz einfach für eine Bar, schon allein vom Preis oder?

Ja, Mezcal ist schwierig, wir haben aber eine gute Auswahl an Mezcal. Das was man eben aktuell noch über die Mezcaleria in Berlin bekommt. Bei denen, die wir viel nutzen, bekommt man aber zum Glück noch was. Das ist einfach eine wahnsinnig spannende Spirituose, die ich immer wieder gerne in verschiedenen Szenarien und bei verschiedenen Temperaturen trinke. Wir haben uns auch einen sehr schönen Stammkundenkreis aufgebaut, die nur zum Mezcal-Trinken in die Bar kommen.

Vielen Dank für das sehr interessante Interview!

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