Pere Labat ist in der breiten Masse kein besonders populärer Rum, doch er wird in unseren Augen sehr unterschätzt. Destilliert wird er in der Poisson Distillery auf der karibischen Insel Marie Galante. Marie Galante gehört zu Guadeloupe und damit zu den französischen Antillen. Die Insel hat gerade mal einen Durchmesser von 15 Kilometern. 1643 bevölkerten die ersten französischen Siedler diese Insel, um Zuckerrohr anzubauen. Hauptprodukt der Insel ist Rhum Agricole. Einst standen fast 100 Windmühlen zum Auspressen des Zuckerrohrs auf der Insel, was ihr den Beinamen l’île aux cent moulins („die Insel der 100 Mühlen“) einbrachte. Davon sind heute noch etwa 70 Türme zum Teil sichtbar.
Poisson Distillery und Geschichte von Pere Labat
Die Poisson Distillery wurde 1860 von der Poisson Familie zur Zuckerproduktion gegründet. 1916 kaufte Edouard Rameau das Anwesen und installierte eine Destille. Rameau benannte die Brennerei dann nach Pere Labat.
Pere Labat war ein Missionar, Ethnologe und Schriftsteller. Er kam 1694 nach Martinique und ließ einige Windmühlen erbauen und verbesserte damit die Technik der Rumdestillation. Seine entwickelte Technik war lange der Standard zur Destillation von Rum.
Das Zuckerrohr zur Produktion wird von Hand geschnitten. Anschließend wird das Zuckerrohr mit Ochsenkarren in die Distillerie gebracht. Die Fermentation erfolgt unter Verwendung von Backhefen. Die zur Lagerung von Rhum Vieux verwendeten Fässer sind vom Typ Ex-Bourbon. Die Destillation erfolgt in einer über hundert Jahre alten Coffey Still, die einen leichten Rhum erzeugt. Diese Column Still oder auch nach dem Erfinder Coffey Still genannte Apparatur erlaubt es mit zwei Säulen und eingefügten Trennplatten durchgehend destillieren zu können. Die Alkoholerzeugung wurde dadurch deutlich kostengünstiger und Alkohol wurde auch erheblich schneller produzierbar. Pere Labat werden in äußerst begrenzten Mengen hergestellt.
Ungelagerte / kurz gelagerte Abfüllungen pur und im Ti Punch
Pere Labat Blanc (59%)
Der Pere Labat Blanc* hat eine ganz klare Agricolearomatik in der Nase. Zuckerohr, Gras und ausgeprägte Fruchtaromen dominieren die Nase. Ein wenig Klebstoff wandert durch den Hintergrund.
Beim ersten Schluck ist er erstmal recht kräftig, ein wahrer “Rachenputzer”. Dann kommen aber wunderschöne grasige und grüne Noten auf der Zunge an, die von einer Obstwiese mit Zuckerrohr und Gewürzen umspielt werden. Das gefällt uns wirklich gut. Im recht langen Abgang wechseln sich grasigen und floralen Noten ab, der Agricole wärmt den ganzen Körper.
Fazit: Pur eine Schneise der Verwüstung, die drumherum sehr schön parfümiert wird. Jedoch hervorragend im Drink, etwa im Ti Punch.
-82 von 100-
Pere Labat Soleil (55%)
Der Soleil ist der Nase erstaunlich mild für seine 55%. Er ist ebenso sehr fruchtig-floral und wirkt schon sehr rund. Grasaromen, Honig und ein Hauch Vanille passen in der Nase sehr schön zusammen.
Auf der Zunge kommt er dann pfeffrig an ehe die fruchtige Note aus der Nase hinterher eilt. Klares Aroma von Zuckerrohr, Heu und wieder ein wenig Vanile ergänzen den Geschmack sehr angenehm. Die Honinote aus der Nase schafft es kaum auf die Zunge. Ein paar Zitrusfrüchte sind noch im Hintergrund zu finden. Der Abgang ist dafür langanhaltend, mit einer pflanzlich-grünen Aromatik die dann am Ende doch noch etwas Platz für den Honig macht verabschiedet er sich erstaunlich mild.
Fazit: Charmant in der Nase, würzig auf der Zunge. Zusammenfassend finden wir den Blanc 59% besser. Es ist der perfekte Agricole für einen Ti Punch. Der Pere Labat Soleil profitiert von der kurzen Lagerung. Das macht ihn milder und gibt ihm einige schöne Aromen in die Nase, die aber leider nicht alle den Weg an den Gaumen finden. Im Ti Punch funktioniert die Power des Blanc einfach sehr gut.
-77 von 100-
Gelagerte Abfüllungen
Pere Labat Hors D´Áge 8 ans (42%)
Der Hors D´Áge lagert für 8 Jahre in Eichenfässern und wird dann leicht verdünnt mit 42% abgefüllt und kostet ungefähr 120€ für 0,7 Liter.
In der Nase würden wir erstmal an ein jüngeres Destillat denken. Junges Holz und Dörrfrüchte kommen zuerst an, dazu etwas muffiges, das wair gar nicht so genau definieren können. Im Hintergrund finden wir pflanzliches und dezent Toffee.
Am Gaumen präsentiert er Gras und Heu, leichte Kaffeenoten, Zitrusfrüchte und Malz. Auch hier tritt wieder dieses modrige Aroma und eine gewisse Bitterkeit in Erscheinung. Irgendiwe wirkt er nicht sonderlich komplex, weil bei mir die modrigen Aromen alles ein wenig zuschnüren und die Agricolearomen nicht so recht zur Entfaltung kommen lassen. Dafür trinkt er sich ausgesprochen mild. Der Abgang ist kurz, pflanzlich und bitter.
Fazit: Wirkt wie ein Rhum, der in der Pubertät steckt. Das junge Wilde spürt man noch, aber er ist ohne Frage noch nicht erwachsen.
-65 von 100-
Pere Labat Eleve Sous Bois Reserve Familiale (42%)
Diese gelagerte Abfüllung wurde nach einem Geistlichen benannt. Élevé Sous Bois bezeichnet Rhums mit der kürzesten Lagerzeit, die mindestens 18 Monate beträgt. Die Abfüllung kostet ungefähr 65€.
Diese Abfüllungen erinnert mich dann wieder mehr an einen Pere Labat. Schöne grasige und florale Aromen erreichen die Nase, dazu kandierte Orangenschalen, eine feine Säure und Verbranntes, das mich ein ganz klein wenig an Mezcal denken lässt. Beim genauen riechen finde ich dann doch auch dieses modrige Aromen, wenn auch in einer subtilen Ausprägung.
Im Mund zeigt er sich sehr dezent mit einer schön ausbalancierte Aromenwelt aus Heu, frischem Gras, Pfeffer und floralen Aromen. Kandierte Zitrusfrüchte kommen etwas später, auch eine kleine Idee von Obstler bekomme ich. Mineralische, erdige und bittere Aromen runden den Agricole ab. Insgesamt ist er sehr trocken.
Im Abgang ist er trocken, grasig, pfeffrig, sehr trocken, aber sehr weich. Zum Schluss kommt auch noch etwas Kaffee und Vanille dazu. Gefällt mir um einiges besser als sein achtjähriger Bruder.
-73 von 100-
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Schlagwörter: Agricole, Guadeloupe, Marie Galante, Pere Labat, Rhum, Rhum Agricole, Rum, Tasting Last modified: 25. Juli 2022
Eleves Sous Lois ist die jüngste Standardklasse der gereiften agricoles und muss meines Wissens min. 18 Monate ins Faß
Danke für den Hinweis, wird natürlich ergänzt.