Das Rum-Depot ist für viele eine der ersten Anlaufstellen, wenn sie sich einen hochwertigen Rum zulegen wollen. Die Auswahl reicht von 30 Jahre alten Abfüllungen über zahlreiche Rhum Agricole bis hin zu Likören und Spiced Rums. Mehr als 1000 verschiedene Sorten finden sich mittlerweile im Ladengeschäft an der Apostel-Paulus-Str. 35. Gegründet wurde das Rum-Depot von Dirk Becker, seit vielen Jahren organisiert er zusätzlich das German Rumfest in Berlin – gewissermaßen das Klassentreffen der Szene.
Dann kam das Coronavirus, die Welt wurde schockgefrostet und das Rumfest 2020 fiel bekanntermaßen aus. Im Rum-Depot hatte man die Monate des Lockdowns jedoch trotzdem allerhand zu tun: Regelmäßig wurden (und werden) Online-Tasting veranstaltet. Nun erwartet uns Ende August das 10. German Rumfest – das erste seit Ausbruch der weltweiten Pandemie. Wir freuen uns schon sehr und werden in Berlin vor Ort sein. Doch was erwartet uns und die Besucher eigentlich? Grund genug, mal bei Dirk Becker durchzuklingeln …
Du hast mit dem 92er Hampden und dem 83er Gardel in den vergangenen Wochen zwei Abfüllungen herausgebracht, die in der Rum-Welt für Aufsehen gesorgt haben. Warum hast du dir die Premiere nicht für das German Rumfest aufgehoben? Das wäre doch die perfekte Gelegenheit gewesen, oder nicht?
Prinzipiell ja. Aber es wird auf dem Rumfest einige Premieren geben: Dominik Marwede von Rum Artesanal etwa wird allein gleich drei neue Abfüllungen vor Ort präsentieren. Wir wollten die Leute nicht mit Premieren überfordern. Hinzu kommt: Der Gardel ist auch kein Rum, den ich auf einer Messe ausschenken würde. Dafür muss man sich einfach 1,5 bis 2 Stunden Zeit nehmen. Der braucht genug Raum zum Atmen und man soll sich da voll und ganz darauf einlassen können. Da ist eine Messe einfach nicht der richtige Ort für. Und ehrlich gesagt war das von uns auch anders geplant, der Gardel hätte eigentlich viel früher kommen sollen. Aber die Logistik ist durch Brexit und Corona im Moment sehr schwierig.
Kam deshalb auch die Abfüllung Nummer 18 – der HD 1992 – auch vor der 16, dem Gardel?
Ja, genau. Durch die Verzögerungen haben wir die Flaschen in einer anderen Reihenfolge auf den Markt gebracht, als wir es vorhatten. Aber bei unseren Tastings halte ich mich ja auch nicht an die Reihenfolge, haha. Aber Spaß beiseite: Das war natürlich ein Wahnsinns-Projekt. Spannend und sehr kostspielig. Für das Geld, welches das Fass gekostet hat, hätte ich mir auch ein gut ausgestattetes Auto kaufen können. Das war schon ein Risiko.
Die Flaschen waren innerhalb von 48 Stunden vergriffen.
Wir haben nicht damit gerechnet, dass das so eine Welle schlägt und die Flaschen so schnell ausverkauft sind. So eine Flasche kostet ja auch eine Kleinigkeit.
Das Feedback in den sozialen Netzwerken ist sehr positiv.
Das freut uns auch sehr. Einige meinten sogar, es sei die beste Abfüllung des Jahres. Natürlich wird es Leute geben, die damit nicht umgehen können, so ein lang gelagerter Gardel ist schon krasser Stoff. Da sind Bitternoten drin. Wenn man da nicht drauf steht, ist das schwierig. Aber selbst wenn es einem nicht schmeckt, ist das trotzdem ein Erlebnis: Der Rum lagerte 38 Jahre im Fass, viele Jahre davon direkt in Guadeloupe. Das ist schon bemerkenswert.
Und abgefüllt wurden die Flaschen dann direkt in Berlin?
Ja. Das Originalfass steht bei uns im Laden. Und das wird auch nochmal belegt. Wenn man das schon einmal da hat …
Zwei weitere RumClub-Editionen habt ihr bereits angekündigt, darunter ein Agricole. Kommen beide noch in diesem Jahr?
Es steckt noch so einiges für dieses Jahr in der Pipeline. Wir haben noch sechs, sieben Fässer stehen. Das wird spannend, so viel kann ich schonmal verraten! Aber die Flaschen werden wir nach und nach verteilt auf den Markt bringen.
Kommen wir nun zum German Rumfest, welches am 28. und 29. August in Berlin stattfindet. Was sind die größten Änderungen?
In diesem Jahr gibt es auf dem German Rumfest Corona-bedingt drei statt zwei Slots, um die Menschenmengen etwas zu entzerren. Wir haben eine Industrielüftungsanlage und bespielen 6000 Quadratmeter für 1000 Menschen. Wir hätten theoretisch sogar noch mehr als 1000 Besucherinnen und Besucher pro Slot einlassen können, aber wir gehen lieber auf Nummer sicher. Das ist für alle entspannter und für uns besser kontrollierbar. Es gilt die übliche 3G-Regelung, am Stand und in den Tastingzonen können die Spirituosen wie gewohnt verkostet werden, auf den Fusswegen muss man jedoch unbedingt eine Maske tragen.
Wie viele Besucher waren denn vor der Pandemie auf der Messe?
An zwei Tagen hatten wir immer knapp 5000 Besucher, wobei die Leute sich Samstag deutlich mehr gedrängt haben als am Sonntag.
Letztes Jahr musste das German Rumfest abgesagt werden. Nun stecken wir immer noch mitten in einer Pandemie. Haben die Menschen Angst vor Messen?
Nein, gar nicht. Das ganze Jahr über haben wir Tickets verkauft. Natürlich etwas verhaltener wie sonst. Einige haben uns auch ganz konkret gesagt, dass sie in diesem Jahr erstmal fern bleiben. Für diejenigen übertragen wir alle Tastings online über die üblichen Kanäle. Ein mobiles Kamerateam wird außerdem von Stand zu Stand gehen, die Standbesitzer können dann ihre Produkte vorstellen. Wer will, kann sich sogar Tastingpakete online bestellen und live bei den Tastings dabei sein.
Ein sehr guter Service für alle, die nicht hinfahren können. Ihr habt in den vergangenen Monaten viele virtuelle Tastings veranstaltet. Werdet ihr das auch langfristig beibehalten?
Das werden wir auf jeden Fall beibehalten. Und wir werden das Konzept nicht nur fortführen, sondern noch weiter ausbauen. Am Anfang der Pandemie haben die Leute noch mit Online-Tasting gefremdelt, mittlerweile ist es Normalität. Und es hat ja auch Vorteile: Man muss nach dem Tasting kein Taxi mehr nehmen …
Das stimmt. Zurück zum German Rum Fest. Auf welche Highlights kann man sich freuen?
Die Agricole-Runde ist sehr toll, da sind viele Sachen dabei, die noch nie außerhalb von Martinique präsentiert wurden. Natürlich freue ich mich auf die Sachen von Dominik, also die drei neuen Rum-Artesanal-Abfüllungen. Plantation zeigt den neuen One-TIme Limited aus Australien. Und wenn alles klappt, hat Kirsch womöglich noch ein besonderes Exemplar dabei. Wir haben aber auch einige Highlights für die Süßtrinker – Thomas Sontheimer ist mit seinen Rums zum Beispiel das erste Mal als Aussteller da. Darüber freuen wir uns sehr.
Das German Rumfest ist eher etwas für Fortgeschrittene. Welche Rums empfiehlst du für diejenigen, die sich erst an die Materie herantasten wollen?
Es gibt mehrere Kandidaten, die eigentlich immer funktionieren. Mit einem Centenario 20 macht man zum Beispiel wirklich selten etwas falsch, sowohl bei Fortgeschrittenen als auch Anfängern. Der 1731 Belize funktioniert meiner Erfahrung nach sehr gut bei den Leuten und ist ein echter Allrounder. Von Cihuatan laufen die 8- und 12-Jährigen gut in ihrer Kategorie. Eine Überraschung ist der Carribean Blend von Rum Artesanal. Ich war da erst skeptisch, als die so einen günstigen Blend auf den Markt brachten, aber das ist wirklich guter Stoff aus Preis-Leistungs-Sicht.
Wie sieht es bei ungelagerten, also weißen Rums aus?
Ungelagert kommt eigentlich nur Agricole in Frage. Wer trinkt schon weißen, also ungelagerten Rum, der aus Melasse gemacht wird? Die nutzt man wohl eher für Mojito oder Daiquiri. Als Agricole ist der HSE mit 50 oder 55 Prozent ein guter Tipp, wer es softer mag den empfehle ich den Depaz, der mit 45 Prozent abgefüllt wird. Der wird sehr langsam mit Wasser verdünnt, dadurch ist er sehr mild und gleichzeitig komplex.
Apropros Mojito: Was ist dein Lieblings-Rum für den Drink?
Die meisten weißen Rum-Sorten, die man hierzulande im Supermarkt findet, sind jetzt nicht so aromatisch, um das mal so zu sagen. Ein Mojito sollte aber schon ein bisschen nach Rum schmecken. Ein Real McCoy, drei Jahre gelagert mit 46 Prozent eignet sich prima dafür.
Hast du einen All-Time Lieblings-Cocktail?
Den gibt es nicht. Ich trinke gerne Daiquiris, Mai Tais, Ti Punch, wenn ich Bock habe darf es auch mal ein Old Fashioned oder Manhattan sein. Ich bin zu experimentierfreudig, um mich auf einen Drink festzulegen.
Dann probieren wir es mal mit dem All-Time-Rum. Stell dir vor, du wachst morgen auf einer einsamen Insel auf und findest eine Schatzkiste voller Rum. Welche Flasche – es kann ruhig eine nicht mehr vorrätige sein – sollte darin liegen, damit du glücklich wirst?
Ich bin ja ein riesiger Fan von Jamaika-Rums, speziell von Hampden. Ein schöner 90er Hampden. Das hat auch den Vorteil, dass es sehr intensiv vom Geschmack ist, man nimmt also nur einen kleinen Schluck und hat dann länger etwas davon.
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Schlagwörter: Berlin, Dirk Becker, Empfehlung, German Rumfest, Rum, Rum-Depot Last modified: 19. August 2021