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Roaring Twenties: Die neue Speakeasy Bar in Halle

Vor wenigen Wochen hat die Roaring Twenties Bar in Halle geöffnet. Alec-Dominic Loße eröffnete seine erste eigene Bar im Speakeasy-Stil der namensgebenden Zwanziger Jahre. Wir waren vor Ort – mittlerweile sogar schon zweimal.

Die Goldenen Zwanziger

Aber was bedeutet eigentlich eine Bar im Stil der Zwanziger? Für mich vor allem Speakeasy und klassische Drinks. Und das alles während der Prohibition. Aber nicht nur auf der anderen Seite das Ozeans wurde das Leben genossen, nein auch in Deutschland gab es ab Mitte der Zwanziger eine Phase des Eskapismus. Vor allem Berlin entwickelte sich zum Epizentrum des guten Lebens. Bis die Weltwirtschaftskrise dem ganzen ein jähes Ende setzte.

Speakeasy

Als Speakeasy (auch als Flüsterkneipe übersetzt) bzw. Blind pig wurden während der Alkoholprohibition in den USA illegale Kneipen oder Clubs bezeichnet, in denen insbesondere hochprozentige Getränke, aber auch Bier, ausgeschenkt wurden. Sie waren in Kellern, Hinterzimmern, Wohnungen und Häusern versteckt. Alles musste geheim sein. Und so war auch die Stimmung. Schummrig und geheimnisvoll.

Das Konzept tauchte 2007 in New York wieder auf. Zunächst als ungewöhnliche Orte kategorisiert, wurden Speakeasys schnell zu einem eigenständigen Trend in der Cocktailbar-Szene. Auch in Europa. Gedämpfte Beleuchtung und eine gedämpfte Atmosphäre. Zunächst trendy, sind Speakeasys heute aus der Welt der Cocktailbars nicht mehr wegzudenken.

Roaring Twenties – Die Bar

Aber kommen wir zum eigentlich Thema des Posts. Der Bar!

Das Roaring Twenties befindet sich im Herzen von Halle/Saale, ein Stück hinter dem Opernhaus, in der August-Bebel-Straße 54. In der unmittelbaren Umgebung gibt es einige Restaurants und Bistros, Cafés, Kneipen. Eine ernst gemeinte Cocktailbar, vor allem mit einer zeitgemäßen Ausrichtung, suchte man hier bisher vergebens.

Vom Weiten sieht man bereits die Außenwerbung mit dem Logo der Bar. “Serious Drinking” – Genau darauf habe ich Lust. An der Bar angekommen begrüßt dich eine grüne Tür. Fenster um vorher einen Blick zu erhaschen sucht man aber vergebens. Eben Speakeasy. Zugang zur Bar bekommst du nur über eine Klingel. Ich bekomme ein kurzes Le-Lion Feeling.

Es wird mir freundlich geöffnet und ich stehe mitten in der Bar mit Blick auf den wunderschönen Tresen. Ich nehme dort Platz, in der hinteren Ecke, um einen schönen Blick auf das Treiben hinter der Bar und den Gastraum zu erhalten.

Sofort wird mir die Karte in Form einer Tageszeitung, ein Glas und Flasche Wasser an den Platz gestellt. Zur Begrüßung gibt es eine Variation vom Blood & Sand, der aus Compass Box Peated Whisky, Orangensaft und Nork Himbeer – Rosmarin Likör besteht. Ein Einstand nach meinem Geschmack. Ich schweife erstmal über die Backbar. Im Hintergrund läuft in angemessener Lautstärke Musik.

An der Wand hinter mir prangt bereits der Hirsch, der zeigt worum es in dieser Bar auch gehen wird: Jägermeister, denn Alec ist mittlerweile auch Mitglied im Hubertus Circle, einer Bartendervereinigung die dem berühmten Kräuterlikör huldigen.

In der Barkarte, oder Zeitung, befinden sich die Signature Drinks der Bar, darunter Cocktails mit denen Alec bei verschiedenen Competitions abräumen konnte. Ein Drink ist aus der Pinta Bar in Dresden “geborgt”. Ein durchsichtiger Gin Basil Highball. Auf der letzten Seite finden sich auch alkoholfreie Varianten. Zum Glück gehen diese über das Verpanschen verschiedener Säfte hinaus. Habe ich so aber auch erwartet. Ebenso findet sich Champagner auf der Karte. Kein alltägliches Ding in Halle. Wie mir Alec bei meinem zweiten Besuch verraten hat laufen die Champagner-Drinks sehr gut.

Auf den Blood & Sand folgt der Pistachio, ein Espresso Martini mit Veritas Rum, Mr. Black Kaffeelikör, Espresso und Pistazienorgeat. Pistazien sind eh geil, Espresso Martini liebe ich auch und Rum ist sowieso die beste Basis für diesen Drink. Also ein No-Brainer, wird bestellt. Ein bisschen zu süß, aber sehr aromatisch. Der Rum ist extrem gut versteckt. Wird sicherlich sehr gut laufen, da bin ich mir sicher.

In der dritten Runde bestelle ich mir den Mexican Standoff. Einem Highball aus Topanito Tequila, Corona-Kamille Cordial und aufgesprühtem Topanito Mezcal. Zum Schluss wird mit Soda aufgefüllt und mit einer flambierten Chili dekoriert. Allein das Knistern der Chilli während des Anrichtens bringt mich in Stimmung.

Für meinen Geschmack hätten die Spirituosen gern noch etwas dominanter sein können, aber ich bin da auch kein Maßstab und habe generell eine hohe Affinität für die beiden mexikanischen Spirituosen, was man vom Durchschnittsbarbesucher nicht unbedingt behaupten kann. Zu tief sitzen häufig die Traumata aus der Jugend. Stichwort “Hütchen”. Genial fand ich die Verbindung des Chilis aus der Nase mit dem Geschmack des Drinks.

Meine beiden Sitznachbarn haben einen anderen Drink gewählt. Dort geht es aromatisch nach Frankreich. Calvados von Drouin bildet die Basis des Drinks. Dazu kommt der Smoker zum Einsatz. Der Rauch wird anschließend im Glas eingefangen indem der Drink mit einem kleinen Teller mit ein paar Naschereien abgedeckt wird. Das Auge trinkt ja schließlich mit. Überhaupt kann ich die Plätze an der Bar nur jedem ans Herz legen, denn es gibt viel zu beobachten und netten Gesprächen ist man hinter dem Tresen natürlich auch nicht abgeneigt.

Alec konnte bei seinen vorherigen Stationen, vor allem der Charles Bar in Wittenberg, reichlich Erfahrung sammeln, die ihm nun zu Gute kommt. Die Drinks sind sauber gemixt, innovativ und gehen einen eigenen Weg abseits des Mainstreams. Die Zutaten wie Cordial oder Sirup werden selbst hergestellt. Und auch ungewöhnlich Zutaten wie ein Oxymel, einem historischen Heil- und Stärkungs­mittel aus Honig, Essig und Botanicals, finden auf die Karte. So wünsche ich mir das wenn ich in eine Bar gehe.

Beeindruckt hat mich auch wie eingespielt das Team bereits wirkt. Und das am zweiten Abend. Die Bandbreite der eingesetzten Spirituosen ist groß. Die Drinks folgen zwar zumeist klassischen Drinks, sind aber eindeutig aufgrund der eigenen Interpretation im Jahr 2025 verortet. Und wer etwas essen möchte bekommt etwas Knabberzeug an den Platz gestellt oder hat die Möglichkeit eine Brotzeit zu bestellen. Das heißt, Brot und ein paar verschiedene Tapas. Auch hier denke ich ganz kurz an das Le Lion.

Auch lohnt sich ein Blick in die Backbar, denn diese bietet eine breite Auswahl für Gäste die auch mal über den alkoholischen Tellerrand schauen möchten. Die Beratung ist großartig. Und die Preise sind in meinen Augen extrem gut für das Gebotene. Das Roaring Twenties und ich werden sehr wahrscheinlich sehr gute Freunde werden. Zumal mir bereits erzählt wurde das der zukünftige Fokus noch mehr auf Rum und Tikidrinks liegen soll. Da freue ich mich jetzt schon drauf!

Cheers!

Schlagwörter: , Last modified: 3. Januar 2025
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