Bevor man trinken darf, muss man erst einmal den Pinsel schwingen. Jedenfalls in der The Bohemian Bar in Hamburg, wenn man einen der Bestseller-Cocktails bestellt – “Michelangelo”. Der Drink bestehend aus Gin, White Port, Cointreau und Verjus, wird in einem kleinen Schälchen serviert, dazu gibt es drei verschiedene “Farben”, die in Wahrheit Fruchtpürees sind. Und natürlich eine Mini-Leinwand. Der Pinsel wäscht man im Drink aus und verändert so Geschmack und Optik.

Klingt verrückt? Dann herzlich Willkommen im The Bohemian, der wohl kreativsten Bar, die Hamburg zu bieten hat.

Opulentes Feeling in der Deichstraße

Die Bohemian Bar liegt in der malerischen Deichstraße, eingebettet zwischen der modernen Hafencity und der traditionellen Innenstadt Hamburgs. Eröffnet im Jahr 2021 und damit mitten in der Corona-Pandemie hat die Bar schnell die Aufmerksamkeit von Einheimischen wie Touristen gleichermaßen auf sich gezogen. 

Hinter der Bohemian Bar steht ein Quartett von Bar-Enthusiasten: Patrick Engel, Juri Reib, Christian Mertens und Richard Dührkohp. Alle vier haben Erfahrung in der Hotel- und Gastronomiebranche und waren etwa zuvor im luxuriösen Tortue-Hotel an den Shakern tätig. 

Doch bevor wir ausführlich über die Drinks reden, noch ein paar Worte zur Bar an sich. Denn die kann sich wirklich sehen lassen. Instagrammable, wie man heutzutage sagen würde. Die Bar sticht durch ihre elegante Ästhetik hervor: Der lange, dunkle Raum bietet Platz für ungefähr 60 Personen und gipfelt in einem opulent inszenierten Bartresen mit jeweils zwei Plätzen links und rechts. Hier, im Herzstück des Bohemian, arbeitet der Bartender leicht erhöht auf einer Empore, wie ein Star-DJ im Club vor der wogenden Menge. Nur dass das Publikum hier eher auf den weichen Samtsesseln sitzt und genüsslich trinkt.

Eingerahmt und in Szene gesetzt wird der Raum von 300 Pendellampen. Von der aufwendig inszenierten Bogenleuchte bis hin zum beeindruckenden Bild von David Bowie, das stolz an der Wand prangt – jedes Detail der Bohemian Bar trägt dazu bei, eine Atmosphäre zu schaffen, die sowohl luxuriös als auch gemütlich ist. Und wenn die Sommermonate kommen, können die Gäste draußen sitzen (mit etwas Glück sogar mit Blick auf die Elbphilharmonie), die Aussicht genießen und sogar eine Zigarre kaufen. 

Bohemian Bar: Zwischen Klötzchen und Zauberhüten

Vor allem aber ist die Bohemian Bar berühmt für ihre kreativen Cocktails, präsentiert in einer liebevoll gestalteten Karte. Der Renner derzeit ist “The Lego Movie” – ein Cocktail bestehend aus Plantation 3 Stars, Ron Cristobal 151, Discarded Banana Peel, Presidential Ruby Port, Helbing, geröstetem Rosmarin, Amarenakirsche und Zitronensaft. Angerichtet in einem pinken Legobecher, der wiederum auf einem riesigen Lego-Brett inszeniert wird. Die thematische Bandbreite reicht von Weltraumstation über Top-Gun-Setting bis hin zu kleinen Autos. 

Der “Houdini” – benannt nach dem legendären Zauberer und Entfesselungskünstler – wiederum ist ein kräftigeres Brett. Die Basis ist Suntory Whisky Toni mit 1866 Brandy de Jerez, Audemus Covert Likör, Mohnsamen, Vanille, Honig und Rauch. Im wahrsten Sinne: Der Drink wird unter einem Zylinder serviert, darunter befindet sich Rauch. Je länger man den Hut über dem Glas stehen lässt, desto intensiver der Rauchgeschmack. Ihr seht, im Bohemian hat man bei einigen Drinks selbst in der Hand, wie der eigene Cocktail am Ende schmeckt.

Es gibt einen Drink, abgefüllt in einem Quetschie und serviert mit einer Handvoll Apfelschnitzen in einer Elsa-Brotdose. Ein anderer Cocktail (“Elephant’s Food”) mit DeBorgen Old Style Genever, Nordcraft Beete & Beere, Quaglia Bergamotto, Kürbiskernöl, Scheurebe, Zitronensaft, Lorbeer und Liebstöckelleuchtet in einem radioaktiv anmutenden Grün. In der Vergangenheit wurden auch schon Drinks zusammen mit einem Ballon gereicht, dessen Gas man vor dem Schluck einatmen sollte.

Zu albern geht nicht

Bei jeder neuen Karte scheint sich das Bar-Team zu fragen: Wie weit können wir gehen? Schaut man sich die Erfolgsserie der vergangenen zwei Jahre an, offenbar sehr weit. Die Bar ist am Wochenende nicht nur gut besucht, sie ist derzeit beim Meininger Verlag auch nominiert für die Bar des Jahres 2023. Ein beachtlicher Erfolg in so kurzer Zeit.

Dass das fordernde Drink-Konzept angenommen wird liegt auch am Humor des Teams. Ein Drink heißt Paloma Reif, – Ähnlichkeiten mit einer bekannten Fitness-Influencerin sind rein zufällig 😉

Selbst die absurdesten Drink-Kreationen werden bierernst serviert und erklärt. Zugleich zeigt man an jeder Ecke, dass man das alles nicht zu ernst nimmt. Der Drink “The Gardener” bekommt in der Karte den Zusatz “is always the killer”, der Gärtner ist also wie immer der Mörder. Die Zeichnung darunter zeigt eine Frau, die eine Pflanze gießt – und genau so sieht später auch der Drink aus – hinter dem Rücken hält sie jedoch eine noch rauchende Pistole. 

Toll: Es gibt auch ebenso kreative Low-ABV-Drinks, etwa mit den Produkten von Undone, die mit Zutaten wie Kakaobitter und Ahornsirup veredelt werden. Es gibt aber auch einen alkoholfreien Bellini.

Preislich ist man hier im gehobenen Bereich unterwegs, einer der Signature-Cocktails kostet zwischen 15 und 18 Euro. Die Owners Twists – jeder der Bartender hat zwei eigene Drinks auf der Karte kosten zwischen 13 und 16 Euro. Milk Punches kosten 12,50 Euro. Hier findet ihr die aktuelle Getränkekarte.

Fingerfood und Kuchen

Neben den Drinks punktet die Bohemian Bar auch mit leckeren Speisen. Die Bao Burger, zubereitet mit 36-Stunden-Pork, Bergkäsecreme und Röstzwiebeln, kommen gut an, es gibt auch eine vegane Variante. Für Fingerfoot-Fans gibt es gerüffelte Chips, Oliven und Hüttenkäse. Samstagnachmittags gibt es sogar Käsekuchen, selbst gebacken von Oma Mertens – wer also Kuchen mit Espresso Martini möchte, sollte sich Samstag ab 15 Uhr in der Deichstraße einfinden.

Insgesamt ist die Bohemian Bar ein Beispiel dafür, wie Leidenschaft, Kreativität und handwerkliches Können zusammenkommen können. Sie verkörpert den Geist der Bohème des 19. Jahrhunderts, einer Epoche, die für ihre Kreativität, ihren Nonkonformismus und ihren Hang zur Freude am Leben bekannt ist. Es ist dieser Geist, der in jedem Drink zum Ausdruck kommt und die Gäste dazu einlädt, in eine Welt des Genusses einzutauchen.

Lest auch:

Interview mit Christoph Hahn – dem Betreiber des Colonne Morris

Stauning Whisky zu Gast im Le Lion

Berliner Bahnhof: Daydrinking in Hamburg

Vorgestellt: Das Ba Nomu in Hamburg