Manchmal trifft man eine Legende und weiß es wenige Sekunden zuvor gar nicht, auch wenn wir darauf spekuliert haben. So geschehen bei uns auf dem diesjährigen Bar Convent Berlin am Dienstagabend. Ort des Geschehens war die Torstraße 1, hier steht das legendäre Soho House, welches im Rahmen der Messe jedoch zum Grand Campari Hotel wurde. Eine Riesenparty, auf der sich nicht nur die Stars der Branche die Klinke in die Hand gaben, es fanden auch einige interessante Masterclasses statt.
Hendrik und ich waren auch vor Ort und meldeten uns für ein Appleton-Tasting mit David Morrisson an, seines Zeichens Senior Blender der jamaikanischen Destillerie. Wir erwarteten einen Überblick über die Standard-Range. Und zunächst ging es auch zaghaft zur Sache: Zuerst gab es den 8er, dann den 21er. Tolle Produkte, aber nichts, was den Rum-Geek in Wallungen versetzt. Als Highlight gab es zum Abschluss schließlich einen Appleton der Hearts-Serie. And now we are talking. Umso überraschter waren wir allerdings, dass nahezu alle der anwesenden Bartender die Unterschiede zwischen einem Column-Still-Destillat und einem Pot-Still-Destillat nicht kannten. Doch sei es drum.
Es war auf jeden Fall eine tolle Atmosphäre und ein lockeres Gespräch mit David. Nach der offiziellen Tasting-Runde setzte er sich dann noch kurz zu mir und Hendrik und wir kamen nach etwas Fachsimpelei über den besten Rum für einen Mai Tai ins Gespräch bezüglich der jüngsten Abfüllung des Herstellers: dem Appleton Legend 17 year old. Und wie sich während des Gesprächs herausstellte, hatte er sogar eine Flasche dabei. Damit hatten wir nicht gerechnet. Und waren so perplex, dieses jamaikanische Einhorn inmitten der Bundeshauptstadt anzutreffen, dass wir glatt vergessen haben, die Flasche zu fotografieren, sondern nur uns mit den Rum in den Nosing-Gläsern in der Hand. Doch sei es drum.
Zurück in die Zukunft
Doch bevor wir in die Tiefen dieses Rums eintauchen, kurz zur Geschichte. Laut Überlieferung hat der bekannte Barkeeper Trader Vic Mitte der 1940er den beliebten Mai-Tai-Cocktail erfunden. Grundlage dafür war ein spezieller 17-jähriger Rum von Wray & Nephew. Ein Rum von mittlerer Schwere, goldener Farbe und kräftigem, reichen Geschmack, der typisch für Jamaika ist. Dumm nur, dass es einen solchen Rum nicht mehr gibt. Dachten sich nicht nur viele Bartender, sondern auch Appleton.
Also startete das Unternehmen im Jahr 2005 ein Sonderprojekt, um diesen legendären Rum wiederaufleben zu lassen. Es war der Auftakt für den Appleton Legend 17 year old. Dessen Reise begann mit vier zusätzlichen Marks, wie David uns erklärt. Sie waren gewissermaßen der Schlüssel zur Rekreation des legendären Rums aus den 1940ern. Der Prozess unterschied sich leicht von den üblichen Praktiken; so durfte die Fermentation länger stattfinden, was für eine komplexere Aromenpalette in der Wash sorgte. “Je mehr Zeit du gibst, desto mehr Ester entstehen”, erzählt David begeistert.
Um welche vier Marks es sich handelt, durfte er nicht sagen. Betriebsgeheimnis. Die 4 Marks wurden jedoch 17 Jahre gealtert, allesamt in ehemaligen Whiskyfässern aus amerikanischer Weißeiche. Womit wir schon beim nächsten Unterschied sind: Solche Fässer, auch wenn sie heute der Standard in der Branche sind, gab es in den 1940ern nicht. Und natürlich wurden damals auch andere Hefen und Herstellungspraktiken verwendet.
Doch es ging nicht um das Nachstellen der damaligen Bedingungen. Das wäre mittlerweile auch gar nicht mehr möglich, so David. “Wir konnten ja nur das verwenden, was wir hatten.” Gewisse Herausforderungen, die mit der Wiederbelebung eines solchen historischen Destillats einhergehen, lassen sich nun einmal auch mit viel Aufwand nicht lösen. “Wir versuchten deshalb gar nicht erst, den ursprünglichen Rum zu reproduzieren. Uns ging es vielmehr darum, einen ähnlichen Geschmack und eine ähnliche Idee zu entwickeln.”
So schmeckt der Appleton Legend 17 year old
Nach all der Fachsimpelei waren wir umso gespannter, wie der Rum – der in einer Auflage von 1500 Flaschen erschien und stolze 500 Euro je Flasche kostet – denn nun schmeckt. Was zuerst auffällt sind die aufgeprägten, kräftigen Aromen von überreifen Früchten in der Nase. Zweifelsohne ein Rum mit erhöhtem Estergehalt, jedoch nicht aus New Yarmouth, sondern direkt aus den Pot-Still-Brennanlagen von Appleton.
Die 17 Jahre in den Fässern haben dem Rum jedoch schöne Eichenholznoten verliehen, die im Mund für einen gerösteten, nussigen Unterton und ausgeprägte Vanilearomen sorgten. Hier ist nichts überholzt, der Alkohol (abgefüllt wurde mit 49 Volumenprozent) ist fantastisch integriert. Der Rum ist komplex, ohne anstrengend zu sein. Man kann wirklich lange und mit Freude an ihm schnüffeln und probieren.
Wir haben ihn lediglich pur probiert. Doch natürlich wurde dieser Rum für einen Mai Tai geschaffen. Und David hatte natürlich das Vergnügen, diesen Rum in Form eines Cocktails zu probieren. Er beschreibt es so: “Man hat diese sehr ausgeprägten überreife Früchte, die von einigen schönen holzigen Noten überlagert werden. Diese Aromen des Appleton 17 prägen den Mai Tai. Verglichen mit einem Appleton 8 ist das wirklich eine sehr, sehr andere Erfahrung.”
Die Zeit im Tasting verging wie im Flug. Mit einem letzten Schluck des Appleton 17 im Glas und den Gedanken von David Morrison im Hinterkopf gingen wir durch die Flure des Hotels. Eine interessante Erfahrung über die Handwerkskunst des Brennens, des Reifens und der fortwährenden Suche nach Perfektion in der Welt des Rums.
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Schlagwörter: Appleton, Rum, Tasting Last modified: 15. Oktober 2023