Bei Rum Artesanal ist man ja mittlerweile so einiges gewöhnt. Man erhält angesagte Marks in hochwertiger Qualität zum fairen Preis (und ja, das gilt auch bei üppig dreistelligen Summen), insofern werden die Flaschen in den gängigen Online-Shops nie besonders alt. Doch so schnell wie diesmal waren die Flaschen zumindest in meiner Wahrnehmung bislang noch nie vergriffen. Das ist allerdings auch wenig verwunderlich, denn das Trio aus dem Herbst 2021 ist wohl das fulminanteste überhaupt.

Die drei Abfüllungen vom Oktober 2021 sind:

  1. RUM ARTESANAL WIRD ROCKLEY STYLE SINGLE CASK 2000/2021 47,1%
  2. RUM ARTESANAL JAMAICA HIGH ESTER (HD) 1990/2021 57,8%
  3. RUM ARTESANAL GUYANA ENMORE 1985/2021 54,3% 0,5L

Da kann man nichts anderes sagen als: Wow. Einfach nur wow. Dominik Marwede, der lange Zeit der Kopf hinter der Marke war und sich nun jedoch anderen Aufgaben widmet, weiß wie man sich mit einem Knall verabschiedet. An dieser Stelle noch einmal einen großen Dank nach Bad Bevensen für all die interessanten Gespräche, Anekdoten und auch Samples in den vergangenen Monaten. Und vielen Dank auch für die Gelegenheit, alle drei Abfüllungen des Herbstes 2021 verkosten zu dürfen – unsere Eindrücke lest ihr hier.

Rum Artesanal Guyana Enmore 1985/2021

Das absolute Highlight stammt diesmal aus Guyana. Abfüllungen aus der längst geschlossenen Enmore-Destille gab es in den vergangenen Jahren schon häufiger, doch für einen 1985er Jahrgang muss man lange suchen. Das Mark ist VSG. Destilliert wurde der Rum auf der berühmten Single Wooden Versailles Still. Diese Rarität in einer Auflage von 297 Flaschen hat natürlich ihren Preis: 495 Euro verlangt Rum Artesanal für den Enmore 1985. Ein stolzer Preis, und dennoch ist dieser mehr als angemessen, sonst wäre er nicht schon längst überall vergriffen. Denn wer weiß, wie oft man noch die Gelegenheit hat, eine so eine alte Abfüllung zu erstehen.

Wir sind große Guyana-Freunde (hier haben wir viele unserer verkosteten Guyana-Rums aufgelistet) und dementsprechend reizte uns so eine alte Abfüllung natürlich besonders. Und was soll man sagen: Der Enmore 1985 ist mal wieder ganz großes Kino. Die 54,3 Volumenprozent sind vergleichsweise hoch für eine 36-jährige Lagerzeit, aber wunderbar rund eingebunden. Freunde des gepflegten Bleistifts dürften sich hier pudelwohl fühlen. Wer das mag, hat hier wohl sein Highlight des Jahres. Der Rum bringt die typischen leicht süßen Dörrobstaromen, begleitet von Gewürzen wie Thymian und Minze, und eben eine Menge Bleistift mit. Lakritz, weißer Pfeffer, Vanille und Tannine ergänzen die komplexe Aromatik. Ein sehr schönes Spiel aus fruchtige Süße und holziger Bitterkeit. Der Enmore verabschiedet sich trocken, minzig und holzig.

– 92 von 100-

Rum Artesanal Sticker

Rum Artesanal Hampden HD 1990 / 2021

Ein Jamaikaner darf natürlich nicht fehlen, und diesmal ist es sogar einer aus dem beliebten 1990er-Jahrgang mit dem von vielen so geschätzen C<>H Mark. Bei diesem Mark entsteht ein Rum mit einem Estergehalt zwischen 1300 und 1400 gr/hlpa und ist damit das Mark mit dem höchsten Estergehalt, den man bei den Abfüllungen aus den Jahren vor der zwischenzeitlichen Schließung im Jahr 2003 bekommen kann. Heute stellt Hampden Rums mit einem noch höheren Estergehalt unter dem Mark DOK her. Abgefüllt wurde er in 324 Flaschen, bei denen die UVP 299 Euro betrug.

Der Name ist hier Programm: High Ester, soweit man schaut. Früchte ohne Ende, ein paar davon bereits überreif, wenn nicht sogar vergoren. Zu den Früchten gesellen sich die erwarteten Lösungsmittel, Rauch und eine ordentliche Portion Anis. Die 30 Jahre im Fass – einen Monat später wären es sogar volle 31 Jahre gewesen – geben dem Hampden natürlich auch eine spürbare Adstringenz und reichlich Holzaromen mit. 57,8 Prozent versprechen viel Power und Aroma, in dieser Hinsicht wird man nicht enttäuscht. Auch das Mundgefühl ist wunderschön ölig und voll.

Ein wunderbarer Hampden, der nach den kürzlichen LROK- und Jugend-Abstechern mal wieder mehr als deutlich zeigt, warum diese Marke so gefeiert wird. Und das man einen so kräftigen Jamaikaner auch gerne fast 31 Jahre ins Fass packen kann ohne das der Rum nur noch holzig wird und seine DNA verliert. In unserem internen Hampden Ranking landet diese Abfüllung auf Platz Zwei, einen Punkt hinter der RA Abfüllung aus dem Frühjahr diesen Jahres. Diese hat uns einen Tick besser gefallen, weil uns wahrscheinlich das Mark HGML noch mehr zusagt.

-94 von 100-

Rum Artesanal Wird Rockley Style 2000/2021

Auch wenn alle drei Abfüllungen bemerkenswert sind, ein Rockley überstrahlt auf eine gewisse Weise alle anderen. Der 1986er WIRD von Rum Artesanal ist mit 96 von 100 Punkten unser bislang am höchsten bewertete Rum überhaupt. Dementsprechend gespannt war ich auf den Vergleich zum 2000er. Bislang kannten wir nur die Abfüllungen von Cave Guildive. Ein wenig erstaunt sind wir über die Abfüllstärke von 47,1%. Das mutet doch recht wenig an, sodass wir davon ausgehen, dass der Rum etwas verdünnt wurde.

Am Anfang ist dieser strohgoldene Rum relativ ruppig, ein wenig funky und etwas metallisch-medizinisch. Nach etwas Zeit im Glas wird er runder und süße Noten von Honigmelone und Marzipan drängen sich allmählich nach vorne. Für 21 Jahre hat der Rockley auch schon erstaunlich präsente bittere Fassnoten. Im Vergleich zum 1986er merkt man jedoch die geringere Lagerzeit, aber das ist ja auch vollkommen logisch. Der Alkohol ist dennoch gut eingebunden, aber auch das hatten wir schon eleganter.

Die 47,1 Prozent sind ein zweischneidiges Schwert: Einerseits garantieren sie nach etwas Atmung einen guten Trinkfluss, andererseits sind sie schon hart an der Grenze, dass der Rum sich etwas dünn anfühlt. Hendrik fand ihn gar verwässert. Der Cave Guildive aus dem Jahr 2017 (ebenfalls 2000er Jahrgang) hat im Vergleich einfach mehr Power und eine deutlichere Honignote. Der Abgang ist dafür sehr lang und angenehm. Ganz langsam verabschieden sich die Aromen nach und nach. Für 89 Euro eine interessante Erfahrung für diesen ungewöhnlichen Rum-Stil.

– 82 von 100-

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