In einer Region, die eher für Schiffbau als für Bourbon bekannt ist, destilliert die Familie King seit 2015 Whiskeys, die den Geist der Atlantikküste in sich tragen sollen.
Die Brennerei
Die Ironclad Distillery Co. in Newport News, Virginia, zählt zu den jungen Bourbon-Brennereien an der amerikanischen Ostküste. Gegründet wurde sie im Jahr 2015 von Stephen King und seinem Sohn Owen. Ihr Name verweist auf die historischen „Ironclads“ – gepanzerte Kriegsschiffe, die im 19. Jahrhundert auf dem James River nahe der Brennerei gebaut wurden. Diese Nähe zum Fluss und zur salzhaltigen Atlantikluft prägt auch den Charakter ihrer Whiskeys.
Die gesamte Produktion, vom Einmaischen bis zur Abfüllung, erfolgt unter einem Dach. Das soll eine durchgängige Kontrolle ermöglichen und Aromaverluste durch Transport oder Lagerung minimieren. Die Maische setzt sich aus Mais, Weizen, Roggen und gemälzter Gerste zusammen.
Das Einmaischen erfolgt temperaturkontrolliert in Edelstahlbehältern. Die Gärung dauert mehrere Tage und läuft in offenen Gärtanks ab. Die Destillation erfolgt doppelt in einer 1900-Liter-Kupferbrennblase, die teilweise aus Edelstahl gefertigt ist. Ironclad ist bekannt für einen vergleichsweise niedrigen Destillationsgrad, um mehr Getreidenoten und feine Ester im Alkohol zu bewahren.
Die Reifung ist bei Ironclad ein zentraler Teil der Identität. Während viele große Bourbon-Produzenten auf 53-Gallonen-Fässer setzen, verwendet Ironclad bewusst kleinere 30-Gallonen-Fässer aus neuer, stark ausgekohlter amerikanischer Weißeiche. Kleinere Fässer bedeuten eine größere Holzoberfläche im Verhältnis zum Inhalt, was die Wechselwirkung zwischen Destillat und Holz beschleunigt.
Die klimatischen Bedingungen an der Küste Virginias wirken sich zusätzlich auf die Reifung aus: hohe Luftfeuchtigkeit, salzhaltige Brisen und starke Temperaturschwankungen erzeugen eine hohe Fassinteraktion. Einige Abfüllungen verbringen nach der Hauptreifung zusätzliche Monate in gebrauchten Fässern, die zuvor andere Produkte enthielten – etwa Ahornsirup, Kaffee oder Rotwein.
Tasting von vier Abfüllungen
- Ironclad Straight Bourbon Whiskey
- Ironclad “The Old Kernel” Straight Bourbon
- Ironclad Flying Fox Winery Cask-Finished Bourbon
- Ironclad Sweeter Creations Maple Cask Finish
Ironclad Straight Bourbon Whiskey
Basis ist das hauseigene Mash Bill aus vier Getreidesorten: Virginia-Mais, Weizen, Roggen und gemälzte Gerste. Mindestens vier Jahre reift der Bourbon in 53-Gallonen-Fässern aus mittelstark ausgebrannter amerikanischer Eiche. Bei kräftigen 50.0 % Vol. wurde er abgefüllt. Für eine Flasche musst du 60€ einplanen.
In der Nase zeigen sich kaum klassische Maisaromen, dafür steht das Fass mit all seiner Reife klar im Vordergrund: warmes, süßes Holz, ein Hauch alter Möbel und ein Anflug von Schuhcreme. Dazu gesellen sich feine Noten von Kräutertee und schwarzer Lakritze, die dem Duft Tiefe und Struktur verleihen. Daneben noch ein Anflug von roten Früchten.
Am Gaumen sehr voluminöse, cremig und reich, mit klassischen Aromen von Karamellbonbons, Butterscotch und gesalzenen Erdnüssen. Im Mittelteil kommt eine angenehme Würze auf: Zimt, brauner Zucker und ein Hauch Ahornsirup, der sich langsam in den langen, warmen Abgang zieht. Trotz ausgeprägtem Holzeinfluss finde ich kaum Bitteraromen.
Ironclad “The Old Kernel” Straight Bourbon
Ein Whiskey, der den Mais nicht versteckt, sondern zelebriert. Für The Old Kernel verwendet Ironclad den alten Indian Corn von Pungo Creek Mills, angebaut von Bill Savage an Virginias Eastern Shore. Diese Maissorte wird dort seit dem Bürgerkrieg kultiviert, allerdings nur in winzigen Mengen und ursprünglich als Hühnerfutter, nicht für Menschen gedacht. Die Lagerzeit beträgt drei Jahre. In die Flasche kommt er mit 50%. Der Preis beträgt 65€.
Schon in der Nase zeigt sich, dass hier etwas Ungewöhnliches im Glas ist: warme Noten von Zitronenpfeffer und frisch aufgepopptem Popcorn, würzig und einladend, zugleich mit einer cremigen, buttrigen Tiefe. Wenig Holz, kein Alkoholstich.
Am Gaumen seidig und voll von butterigem Mürbeteig. Der Mais steht klar im Mittelpunkt, begleitet von süßen und herzhaften Backgewürzen. Kandierte Zitronenzeste bringt Frische, ein Hauch Eichenpfeffer Würze. Mit seiner geschmeidigen Textur erinnert er fast an saftiges Gebäck.
Der Nachhall ist lang und satt, getragen von Zitronencreme, Zimt und feiner Roggenwürze. Eine cremige Süße bleibt am Gaumen zurück.
The Old Kernel hebt sich von den anderen Abfüllung ab und bietet ein eigenes Aroma, das vom Mais geprägt ist: fruchtig, herzhaft, leicht verspielt.
Ironclad Flying Fox Winery Cask-Finished Bourbon
Nach drei Jahren Reifung in mittelstark ausgebrannten Virgin-Oak-Fässern erhielt er ein einjähriges Finish in einem Petit Verdot-Fass der Flying Fox Winery aus Charlottesville, Virginia. Abgefüllt wurde mit 50,5%. Kostet 66€.
In der Nase steigen kräftige Noten von dunklen Trauben und Reben auf, weniger an Wein erinnernd, eher an die dichte Süße reifer Früchte mitsamt der Schale. Der Whiskey selbst hält sich zunächst dezent im Hintergrund. Mit etwas Luft entfalten sich dunkle Äpfel und saftige Steinfrüchte, wie in Sangria eingelegt. Ein Hauch Eichenholz und eine dezente Note vom Alkohol ergänzen die Nase.
Am Gaumen zeigt sich sofort der Einfluss des Rotweins: tief, dunkel und satt fruchtig. Der Bourbon tritt nun klarer hervor, mit üppigen Noten von dunkler Schokolade und getrockneten roten Früchten. Das Holz bringt eine feine Tanninstruktur mit. Die Textur ist dicht und cremig, fast wie zähflüssiger Brownie-Fudge. Ein leichtes Prickeln zieht sich über die Zunge, während sich Schokolade und Rotwein im langen, warmen Nachhall vereinen.
Der Abgang ist mittellang. Auf der Zunge bleibt ein Eindruck von rohem Brownie-Teig zurück, dicht und schokoladig, begleitet von einer feinen Spur roter Früchte, die den gesamten Gaumen auskleidet. Der Nachhall hält länger an, als man zunächst erwartet – weich, warm und köstlich.
Ein Whiskey wie ein Dessert im Glas: saftiger Schokoladenteig trifft auf rote Fruchtmarmelade. Rund und lecker.
Ironclad Sweeter Creations Maple Cask Finish
Grundlage bildet der klassische Ironclad Bourbon, der in mittelstark ausgebrannten Eichenfässern reifte. Nach seiner Ruhezeit erhielten genau diese Fässer ein zweites Leben. Sie wurden genutzt, um reinen Ahornsirup vom Sweeter Creations Sugar House aus Waddington, New York, zu lagern. Erst danach durfte der Bourbon zurückkehren und die Fässer für einige Monate bewohnen. Abgefüllt wird der Ironclad mit 47,5%. Eine Flasche kostet 58€.
Schon in der Nase zeigt sich diese Verbindung sehr deutlich. Noten von Ahornsirup, Zimt, Gebäck und gekochten Äpfeln. Dazu Holz, Vanille und Karamell.
Am Gaumen bleibt die Ahornsüße spürbar, aber sie überlagert nichts. Stattdessen betont sie die vertrauten Bourbon-Töne von Karamell, Vanille und gerösteter Eiche. Der Whiskey wirkt dabei erstaunlich ausgewogen – nicht zu süß, eher samtig und feingliedrig. Die Alkoholeinbindung ist sehr gut.
Im Abgang entfalten sich Fruchtigkeit, Karamell und ein Hauch Zimt erneut, während die Ahornsüße allmählich nach vorne tritt und einen langen, wohligen Ausklang schafft, begleitet von einer fast cremigen Textur.
Ein Bourbon mit Charme und Charakter, der die Grenze zwischen Süße und Würze mühelos meistert.
Fazit
Die vier verkosteten Abfüllungen unterscheiden sich wesentlich von einander. Die kurze Lagerzeit limitiert die Tiefenkomplexität ein wenig, was aber im Genuss nicht stört. „The Old Kernel“ und der Maple Cask-Finish sind zwei entgegengesetzte Pole der aromatischen Stilistiken: der Eine klar ausgerichtet auf den Mais, der Andere würzig, aromatisch und mit leichter Süße. Wer Bourbon mag sollte auch einen Blick auf die Abfüllungen dieser Brennerei werfen.
Cheers!