Dieses Gefühl, soeben etwas vollkommen Neues erlebt, probiert, gemacht, geschmeckt zu haben, hat man nicht sehr oft. Einer dieser Momente war am 7. Oktober 2019: Es war der Auftakttag des Bar Convent Berlin (BCB), der größten Messe für Spirituosen und der Barkultur. Hendrik, ich und zwei Freunde liefen plan- und ziellos über das Messegelände, als wir den Stand der Deutschen Spirituosen Manufaktur entdeckten.

Die Marke hatten wir noch nie gehört. Viel Trubel herrschte dort auch nicht gerade. Doch die schiere Bandbreite an Destillaten machte uns neugierig: Dutzende Flaschen standen fein säuberlich aneinandergereiht, die Sorten reichten von Beelitzer Spargel über Ukrainische Vogelbeere bis hin zu Bärlauch. Eine schier unendliche Auswahl. Und dann entdeckte ich eine Flasche, die ich erst für einen Witz hielt. Herbstlaub.

Wie in Gottes Namen schmeckt Herbstlaub?!

Modrige Süße strömt aus dem Glas

Tim Müller und Konrad Horn, beide Gründer der Deutschen Spirituosen Manufaktur, schienen diesen ungläubigen Blick nicht zum ersten Mal gesehen zu haben. Routiniert und ohne zu fragen goss mir Tim eine kleine Probe des Geistes in ein Nosing-Glas. Schon der Geruch ist umwerfend: Aus dem Glas strömt ein Duft, der nach einen nebligen Herbstmorgen riecht. Ein wenig faulig, etwas erdig, gepaart mit filigraner Fruchtigkeit. Ein Mix aus Lehmkeller und einer Streuobstwiese im Oktober. So etwas hatte ich noch nie im Glas.

“Wir sind losgezogen und haben frisch gefallene, nach dem Zerfall des Chlorophylls durch Carotinoide und Anthocyane wunderschön gelblich bis rot verfärbte Blätter sortenrein gesammelt und unmittelbar mazeriert”, erklären die Gründer auf ihrer Homepage.

So schmeckt DSM Deutsches Herbstlaub

Auch der Geschmack ist ungewöhnlich. Auf der Zunge haftet der Geschmack von nassem Laub, dann dringt die Schärfe des Alkohols durch (42 %vol). Anschließend umschließt den Gaumen eine modrige Süße, wie die eines Apfels, der schon ein paar Tage im Gras liegt. Diese dezente, würzige Süße bleibt minutenlang im Mund. Das liest sich womöglich negativer als es ist, es ist eine absolut spannende, vielfältige Spirituose.

Der Herbstlaub-Geist wird am besten pur bei Raumtemperatur getrunken. Die dezente Note modriger Blätter passt aber auch hervorragend in einen erfrischenden Gimlet.

Rezept für den Herbst-Gimlet

  • 60 ml Dry Gin (gern wacholder-lastig)
  • 20 ml Lime Cordial (entweder fertig kaufen oder selbstgemacht aus Limettensaft, Wasser und Zucker)
  • 1 BL DSM Herbstlaub

Alles im Shaker mit ausreichend Eiswürfeln kräftig schütteln. In ein gekühltes Martiniglas abseihen. Genießen.

Nach unserem ersten Kennenlernen speicherte ich das Herbstlaub übrigens erst einmal als Kuriosum ab. Doch so richtig ließ es mich nicht mehr los. Einen Tag später reiste ich von Berlin nach Hamburg zurück – und noch in der Nähe des Bahnhofs beschloss ich, mir eine Flasche im Fachhandel zu kaufen. Zum Preis von 69 Euro für 0,35 Liter, wohlgemerkt. Ein Schnäppchen sind die DSM-Destillate nicht.

Aber wo sonst bekommt man bitte Herbstlaub aus der Flasche?

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