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Werner Huber: “Bei deutschem Whisky wurden eklatante Fehler gemacht”

Zucker und Zeste: Werner, Feller blickt auf eine lange und beeindruckende Geschichte zurück – seit 1820 seid ihr im Geschäft. Wie wichtig ist Tradition in eurer Branche und wie verbindet ihr sie mit Innovation?

Werner Huber: Innovation ist für uns absolut entscheidend. Wir müssen uns seit über 200 Jahren neu erfinden, immer wieder neue Sachen entwickeln und vorausdenken. Vor allem im heutigen Markt muss man locker fünf Jahre im Voraus planen, sonst ist man einfach zu spät dran. Der Markt ist heute sehr schnelllebig, und das ist die große Herausforderung.

Ihr habt ja ursprünglich mit klassischen Obstbränden angefangen. Wie hat sich euer Portfolio über die Jahre entwickelt?

Huber: Richtig, wir haben klassisch mit Obstbränden begonnen. 2009 haben wir dann angefangen, uns mit Whisky zu beschäftigen. Ende 2010 haben wir uns dann entschieden, in den Rum-Markt einzusteigen. Wir haben damals schon den aufkommenden Gin-Boom vorausgesehen und wollten vorbereitet sein. So haben wir 2011 die ersten Rums auf deutschem Boden destilliert. Heute haben wir sogar 10-jährige Abfüllungen, die komplett in Deutschland hergestellt wurden.

Welche Rolle spielen denn heute noch die Obstbrände in eurem Sortiment?

Huber: Eigentlich eine sehr große Rolle. Obstbrände sind zwar eine Nische, das muss man ganz klar sagen, aber auch da musst du dich mit vielen Produkten spezialisieren. Wenn man allerdings von der Gesamtproduktion ausgeht, ist der Fruchtlikör-Markt unser Umsatzbringer.

Ihr habt eine sehr breite Produktpalette – von Obstbränden über Gin bis hin zu Rum und Whisky. Was ist die Philosophie dahinter, so viele verschiedene Produkte anzubieten statt sich zu fokussieren?

Huber: Das hat sich über die Jahre aus den Kundenwünschen heraus entwickelt. Wir beliefern ein sehr breites Spektrum an Kunden, daher müssen wir auch ein breites Produktspektrum abdecken. Wenn in einem Segment der Umsatz einbricht, musst du reagieren können. Beim Gin hatten wir zum Beispiel einen Umsatzeinbruch von 70 Prozent – das musst du irgendwie kompensieren. Also entwickelst du andere Produkte.

Regionalität ist ja heute ein großes Thema. Welche Rolle spielt das bei euch?

Huber: Eine sehr große. Und das ist bei uns wirklich gelebte Praxis, nicht nur Marketing. Wir sind ein Biobetrieb und betreiben eigenen Ackerbau für unser Getreide. Wir pflegen über 300 Obstbäume, von denen wir viel von unserem Obst beziehen. Wir setzen komplett auf Natürlichkeit bei allen Produkten. Darum gibt es bei uns auch beim Rum keinen zugesetzten Zucker, keine Aromen, überhaupt gar nichts Künstliches. Wir versuchen, alles regional zu machen. Zuckerrohr und Melasse müssen wir natürlich importieren, aber alles andere machen wir im Haus – bis hin zur eigenen Hefe-Zucht.

Euer Whisky, der Valerie Madeira, ist international hoch angesehen. Was macht ihn so besonders?

Huber: Er wurde in der Whisky-Bibel von Jim Murray mit 96 von 100 Punkten bewertet – der höchstbewertete deutsche Whisky. Darauf sind wir schon sehr stolz. Es ist ein Produkt, das wir inzwischen international verkaufen, weil es so gefragt ist.

Wie entscheidest du persönlich, welche Fässer du für die Reifung verwendest?

Huber: Das ist eine Sache, die man viel durch Probieren und Learning by Doing lernt. Ich mache sehr viele Versuche in kleinem Maßstab, auch mit Holzchips im Alkohol, um die Richtung bestimmen zu können. Die Fassauswahl ist heute entscheidend. Wir beziehen alle Fässer direkt. Ich hole meine Portwein-Fässer direkt aus Portugal. Das ist zwar teurer, aber es schlägt sich im Produkt nieder.

Wo seht ihr euch in fünf Jahren, besonders im Hinblick auf Rum und Whisky?

Huber: Wir bleiben experimentierfreudig und werden weiterhin qualitativ hochwertige neue Produkte auf den Markt bringen. Wir sehen ganz klar, dass wir da Zuwachs bekommen und auch mehr Akzeptanz für deutschen Whisky am Markt finden, was nach wie vor eine Herausforderung ist. Bei deutschem Rum ist es noch schwieriger, aber wir arbeiten daran.

Was sind die häufigsten Vorurteile, mit denen ihr zu kämpfen habt?

Huber: Oft hören wir: “Ich habe schon so viele deutsche Whiskys und Rums probiert, das kannst du alles nicht trinken.” Es wurden in der Vergangenheit bei der Whisky- und Rum-Produktion in Deutschland von vielen Brennern eklatante Fehler gemacht. Da braucht man sich leider auch nicht zu wundern, dass es Vorurteile gibt.

Was ärgert dich am meisten in der Branche?

Huber: Was mich am meisten stört, ist, dass viele Produkte auf den Markt kommen, die sich Whisky oder Rum nennen, es aber gar nicht sind. Es ist oft unklar, was wirklich drin ist. Ein weiteres Problem ist, dass viele einfach billiges Bier ohne Hopfen von einer Brauerei kaufen, es abdestillieren und meinen, sie hätten einen guten Whisky. Das ist Quatsch. Beim Rum ist es noch krasser. Man muss sich fragen, wie viele von denen, die in Deutschland deutschen Rum verkaufen, ihn tatsächlich selbst herstellen.

Du bist jetzt seit 15 Jahren Brennmeister. Was hättest du in deinen Anfangstagen gerne gewusst, was du heute weißt?

Huber: Ich hätte gerne alles am Anfang gewusst! Es waren harte Jahre und Nächte, die ich damit verbracht habe, mir alles selbst beizubringen. Es gibt kaum Bücher darüber, und die Informationen im Internet sind begrenzt. Zudem ist alles regional so unterschiedlich. Wenn ich mit meiner Destille 100 Kilometer woanders hin gehen würde, wäre das Produkt anders. Du musst dir alles selbst erarbeiten. Wenn ich sehe, was heute in der Brenner-Schule beigebracht wird – die sind 20 Jahre zurück. Ein Auszubildender, der von der Schule kommt, kann praktisch nichts.

Das klingt nach einer steilen Lernkurve. Eine letzte Frage: Was macht für dich persönlich den perfekten Schnaps aus?

Huber: Für mich ist der perfekte Schnaps ein Produkt, das die Essenz seiner Zutaten einfängt und gleichzeitig die Handschrift des Brennmeisters trägt. Unsere Philosophie ist es, möglichst sauberen Alkohol herzustellen mit maximaler Aromatik. Es geht darum, die Natur in der Flasche einzufangen, ohne künstliche Zusätze. Ein perfekter Schnaps sollte dich überraschen, dich an seinen Ursprung erinnern und gleichzeitig etwas Neues bieten.

Last modified: 31. Oktober 2024
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