Hallo David und vielen Dank für die Möglichkeit mit dir ein paar Worte zu wechseln. Eure Bar “Mischbatt’rie” hat jetzt seit ungefähr einem Dreivierteljahr in unserer Heimatstadt Halle/Saale geöffnet. Kennt man euch denn schon aus dem Stadtbild oder seid ihr komplette Neueinsteiger?

Das ist unsere erste Bar. Ich habe mich jetzt zum ersten Mal selbstständig gemacht, mein Geschäftspartner Sebastian ebenso. Sebastian hat vorher hauptsächlich als DJ aufgelegt und ich habe lange Zeit in einer anderen Bar, dem Czech, gearbeitet.

Das Czech kenne ich, gibt es das denn noch?

Das Czech gibt es so wie damals nicht mehr. Das musste leider schließen und der neue Betreiber führt es unter einem anderen Stil weiter.

Was ist euer Fokus bzw. als was für eine Bar versteht ihr euch?

Wir sind die Überwindung des Hochstraßenäquators. Die Kaffee- und Kneipendichte sinkt jenseits der Hochstraße rapide.

Wie ist es bei euch angelaufen?

Besser als ich befürchtet hatte! Es war von Anfang an Interesse da. Klar, die Schichten unter der Woche waren erstmal eher trüb. Aber wir hatten von Anfang an sehr starke Ausreißerschichten, die es wieder reingeholt haben. Für die Zeit, die wir jetzt offen haben, kann ich mich nicht beklagen. Seit 3 bis 4 Wochen haben wir auch eine Tagschicht, die ist aber noch verhältnismäßig ruhig. Da habe ich mir aber auch keine Illusion gemacht, dass das anders startet.

Ihr habt keine Küche, oder?

Wir haben eine kleine Küche. Aber nicht mit zusätzlichem Personal. Die Speisen haben einen hohen Vorfertigungsgrad. Die Speisen oder auch die Dips sind größtenteils trotzdem selbst gemacht und werden dann aufgewärmt.

Welche Drinks haben sich denn bei euch etabliert? Was geht am meisten über den Tresen?

Von den Cocktails ist der „Don’t believe in Hollywood“, „Queens Amber“ und der „Füchtenbusch“ sehr beliebt. Im Winter lief noch der Espresso Martini sehr gut. Wir haben aber auch keinen richtigen Ladenhüter auf der Karte. Ich habe mir ja, als ich dich Karte gestaltet habe, selbst ein Limit gesetzt und gesagt, dass ich maximal 20 Drinks auf die Karte nehme. Dafür habe ich mir eine Liste geschrieben, was überhaupt für mich in Frage kommt und mir schmeckt. Das waren dann so um die 100 Drinks. Das war dann gar nicht so einfach, daraus 20 Drinks auszuwählen.

Was trinkst du denn besonders gerne?

Das ist natürlich auch stimmungsanhängig. Ich bin hauptsächlich Rumtrinker, wobei ich jetzt gerade mal wieder eine kleine Tequilaphase habe und gerne Margaritas trinke. Deswegen überlege ich gerade, ob ich nicht im August ein Special mit vier verschiedenen Margaritas mache.

Mit so einer verhältnismäßig kleinen Karte habt ihr in Halle fast ein Alleinstellungsmerkmal! Wie mir schon einige erzählt haben liegt das ja daran, dass die meisten Hallenser die Cocktails nicht kennen und entsprechend Drinks, die nicht auf der Karte stehen, auch nicht bestellen. Ist das bei euch anders?

Es kommt ab und zu mal ein Connaisseur vorbei, der genau weiß, was er haben möchte und dann zum Beispiel einen Vesper Martini bestellt. Das ist aber eher selten. Größtenteils wird bestellt, was auf der Karte steht, weswegen ich auch versucht habe, die klassischen Drinks nicht mit auf die Karte zu nehmen. Den Old Fashioned habe ich dann mit drauf genommen und nach langem Zögern auch den Negroni. Im ersten Entwurf hatte ich den noch gar nicht mit drin, weil den ja eigentlich doch ziemlich viele kennen. Dann habe ich mich aber überreden lassen, ihn doch auf die Karte zu nehmen.

Ihr habt eine Bühne und es gibt bei euch auch Konzerte. Ist das als Regelmäßigkeit geplant?

Das Jazzkollektiv, das zuletzt hier war, soll regelmäßig auftreten. Wir haben noch keinen festen Turnus, aber beide Seiten haben da Lust drauf.

Wird das gut angenommen?

Beim ersten Mal ja, beim zweiten Mal weniger. Das zweite Mal war aber auch der Mittwoch vor Himmelfahrt. Wir hatten aber auch schon eine DJ-Party und einen 30er/40er Jahre Liederabend hier drin.

Passt ihr dann auch die Karte thematisch für den Abend an?

Nein, es bleibt an sich bei der Karte. Manchmal gibt es dann noch einen Specialdrink wie zum Beispiel den Martini Black, den ich mal an einem Abend im Angebot hatte.

Ich habe auf der Karte gesehen, dass man gegen ein Korkgeld seine eigenen Getränke und Speisen zu euch mitbringen kann. Ein ungewöhnliches Konzept, das ich so auch noch nicht gesehen habe. Was hat es damit auf sich?

Das ist vor allem ein Randkonzept, auf dem wir nicht den Laden aufbauen. Wir sind aber offen dafür, dass sich die Leute selber ihre Getränke mitbringen und hier verzehren. In dem Fall erheben wir ein Korkengeld. Das wird aber wenig abgerufen, weil es den Gästen zu teuer erscheint. Wir wollen damit aber den Service, den wir bieten, refinanzieren. Die Hand, die das Getränk einschenkt, kostet halt Geld. Ursprünglich kam mir die Idee, um der leidigen Diskussion um Fremdverzehr aus dem Weg zu gehen und dass es da eine klare Regel gibt. Ich kannte das noch aus meiner vorherigen Beschäftigung im Czech. Da kam es regelmäßig vor, dass sich Gäste etwas zu Essen mitgebracht oder ein Bier aufgemacht haben. Das führte immer zu langen Diskussionen, deswegen wollte ich das hier klar regeln. Und weil wir anfangs noch keine Küche hatten, ist dann auch das Tellergeld entstanden.

Also kann ich mich mit einem Döner an den Tresen setzen?

Ja, aber der Döner muss ohne Knoblauch und Zwiebeln sein, wenn du am Tresen sitzen möchtest. Das steht auch in der Karte. Wir wollen ja auch Rücksicht auf die anderen Gäste und das Mobiliar nehmen. Ansonsten kannst du natürlich auch im Außenbereich Platz nehmen und wir stellen dir dann das Gedeck hin. Das wird auch tatsächlich genutzt. Knabberzeug dürfen die Gäste auch so mitbringen.

Was würde es denn kosten, wenn ich jetzt zum Beispiel einen MaiTai bestelle und alle Zutaten außer Eis und frischen Limettensaft mitbringe?

Da würde ich 7 Euro als Deckungsbeitrag berechnen. Aber so nutzen das die Gäste bisher noch nicht. Es kam eher mal vor, dass jemand seinen speziellen Rum oder letztens einen Limoncello mitgebracht hat. Dadurch bin ich auf einen interessanten selbstgemachten Limoncello gestoßen, der jetzt auch auf die neue Karte kommt. Den macht eine Hallenserin, die selbst Limoncello herstellt und dafür Bio-Zitronen aus Italien importiert und den Limoncello noch mit Gewürzen versetzt. Der ist natürlich teuer, aber auch in Handarbeit entstanden. Da kannst du nicht mit den Skalierungseffekten der Industrie mithalten.

Monchi Limoncello aus Halle

Was sind die nächsten Baustellen, wo wollt ihr euch hin entwickeln?

Zur Zeit fokussieren wir uns auf die Tagschicht, damit die sich noch besser entwickelt und sich selber trägt. Wir haben deswegen unser Kuchenangebot ausgebaut. Meine Frau kommt jetzt mit dem Backen kaum noch hinterher. Ansonsten sind wir ja noch recht neu und müssen noch kleine „Kinderkrankheiten“ auch finanzieller Natur ausmerzen. Man improvisiert da erstmal etwas. Zur Zeit wird zum Beispiel noch von Hand gespült, das gehen wir dann jetzt demnächst an. Im Lager steht schon die Spüle, die aber aktuell noch nicht in die Küche passt, dafür müssen wir etwas umbauen. Perspektivisch wünsche ich mir, dass die Mischbatt’rie ein schöner Platz wird, an dem sich Menschen treffen und bezahlbare Drinks genießen können. Bisher bin ich mit der Klientel die uns besucht sehr zufrieden. Vor allem mit dem Alters- und Geschlechterverhältnis. Das ist bei uns sehr ausgeglichen.

Verkauft ihr eher Cocktails oder Bier?

Ich würde sagen so 60/40. Es gibt auch mal Abende, an denen eher mehr Bier raus geht, aber die Drinks werden sehr gut abgerufen. Wein und Sekt wird natürlich auch getrunken.

Hast du im Gastgewerbe gelernt?

Nein, gar nicht, ich bin Quereinsteiger. Ich habe wie gesagt früher im Czech gejobbt. Dann habe ich immer mal Diskoschichten an der Bar gemacht und mir die ganze Nacht um die Ohren gehauen.

Da lernt man natürlich eher nicht das Mixen von qualitativ hochwertigen Drinks, dafür aber Mixen im Akkord ….

Das macht aber auch Spaß, auch wenn ich das nicht jeden Abend könnte. Ich habe dann eher so auf Uni-Partys mit den Burgstudenten ein Wochenende durchgezogen. Da lernst du abzufertigen und Prioritäten zu setzen. In manchen Situation musst du einfach lernen, Abstriche zu machen. Nicht in der Qualität der Zubereitung, sondern beim Drumherum. Also der Demo zum Beispiel, weil es dann wichtiger ist, die Leute trotzdem in einem angemessenen Zeitrahmen mit Getränken zu versorgen.

Das Thema Wartezeit ist natürlich ein wichtiger Punkt. Da gibt es ja hier in der Stadt ein extrem schlechtes Beispiel. Eine sehr große Bar, die zu einer Kette gehört. Da wartest du ewig auf deine Drinks. Ein Grund, weshalb ich da lange nicht mehr war.

Auf jeden Fall. Eine Viertelstunde ertragen die Gäste, wenn sie sehen, dass es voll ist, danach werden sie langsam missmutig.

Was ist dein eigentlicher Beruf?

Ich habe viele Jahre Lehramt für Geschichte und katholische Theologie studiert. Dann haben mich die Langzeitstudiengebühren so ein bisschen aus dem Studium gedrückt und ich musste mich entscheiden, ob ich den Laden weiter ausbaue oder ob ich die Langzeitstudiengebühren stemme. Da habe ich mich dann exmatrikulieren lassen. Einen Monat vor der Eröffnung hatte ich dann eine kleine Panikattacke. Ich hatte mir daraufhin geschworen, dass ich mich wieder beim Studium einschreibe, wenn der Laden offen ist. Deswegen mache ich jetzt mein Studium zu Ende. Als Plan B, falls der Laden nicht funktioniert. Ich habe aber zwischendurch verschiedene Tätigkeiten ausgeführt. Vom Friedhofsgärtner in der Coronazeit über FSJ Co-Teamer bis hin zu anderen pädagogischen Tätigkeiten.

Dein gesamtes Team besteht aus Quereinsteigern?

Judith, meine Barchefin, hat früher mit mir im Czech gearbeitet. Sie hat Erfahrung und ich kann mich blind auf sie verlassen. Der Rest sind Studenten, die Bock auf Gastro haben und sich hier reindenken wollen. Da ist die kleine Karte auch sehr von Vorteil.

Wieviel Personal habt ihr denn? Jetzt seid ihr gerade zu zweit?

Unter der Woche sind wir abends eigentlich alleine. Am Wochenende und bei Feierlichkeiten sind wir immer zu zweit. Das funktioniert bisher ganz gut. Wenn es mal plötzlich sehr voll wird versuchen wir noch jemanden dazu zu holen. Wir machen aber keine Abrufschichten, weil das alle immer nervig finden. Du hast nicht so richtig frei, wirst aber auch nicht so richtig dafür bezahlt. Aber dann springen halt Sebastian oder ich meistens ein oder es meldet sich jemand vom Team freiwillig.

Gibt es denn Bars, die du besucht hast, von denen du sagst „da möchte ich gern hinkommen“?

Es gibt einige eher unbekannte Berliner Szenebars die ich sehr hübsch fand. Dann das Le Lion in Hamburg. Das ist natürlich Highclass und es macht Spaß dort zu sitzen. Ist aber nichts wo ich gern verstrande. Ich mag ja atmosphärisch das Wohnzimmerfeeling.

Da gibts ja noch den Pineroom…

Der war zu an dem Abend. Im Schumann’s habe ich mir mal noch die Tages- und die Nachtbar angeschaut. Da war aber denke ich meine Erwartungshaltung zu groß und es war mir auch eine zu große Massenabfertigung.

Was stehen so für Schätze in eurer Backbar? Habt ihr mit jemanden einen Vergütungsvertrag?

Wir kaufen aktuell noch Spirituosen, von denen ich denke, dass sie das beste Preis-Leistungs-Verhältnis haben. Ab und zu kaufe ich dann noch etwas dazu, weil ich wieder von einem Drink gelesen habe und damit experimentieren möchte. Hier bin ich dann natürlich auch daran gebunden, was ich in Halle im Einzelhandel bekomme, da bist du natürlich in Städten wie Hamburg besser ausgestattet. Ich habe aber auf dem Schirm, dass das wahrscheinlich der nächste logische Schritt zur Professionalisierung ist. Auf der anderen Seite schätze ich aber auch die Flexibilität, wenn ich „ungebunden“ bin. Alles, was ihr hier seht, ist ja auch „Marke Eigenbau“.

Was war das denn eigentlich vorher?

Das war eine Sparkasse. Wir haben das alles ohne Kredite aufgebaut. Der alte Sparkassentresor zum Beispiel ist jetzt unser Putzmittelschrank. Deswegen haben wir auch keinen alten Brauereivertrag oder so, den wir erfüllen oder vom Vorbesitzer übernehmen müssen.

Keinen großen Kredit bedienen zu müssen entspannt sicher ein wenig?

Wir haben nur einen kleinen Privatkredit aufgenommen als Puffer für die Löhne, weil man ja auch nicht weiß, was mit Corona noch wird. Aber der ist bislang unangetastet. Alles andere ist bezahlt und wir sind schuldenfrei. Deswegen haben wir auch drei Jahre ausgebaut. Wir haben massig Youtube-Videos angeschaut, uns Sachen selbst beigebracht und vom handwerklichen Know-How unseres Freundeskreises profitiert.

Bei drei Jahren hattet ihr ja schon eine Vision, oder?

Wir sind hartnäckig geblieben. Ich wusste aber auch, dass ich von dem Wunsch selbstständig zu sein geheilt sein würde, wenn der Laden nichts wird. Bin aber jetzt mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Und ich bin auch glücklich über die Erfahrung, so etwas geschaffen zu haben.

Du sagtest vorhin du bist Rumtrinker. Das interessiert uns natürlich besonders. Was ist dein Lieblingsrum?

Botucal, der hat einen besonders sentimentalen Wert für mich.

Wie seid ihr zu eurem Namen gekommen?

Wir haben sehr lange nach einem Namen gesucht. Dann haben wir uns irgendwann gedacht, dass es auf jeden Fall ein deutscher Begriff sein sollte, weil es sich einfacher merken lässt. Dann haben wir uns an den „Durchlauferhitzer“ erinnert und anschließend sind wir auf Mischbatterie gekommen. Unter anderem weil die Hygiene hier einen ausgeprägten Waschbeckenfetisch hat und wir dadurch einige Mischbatterien verbauen mussten. Dann haben wir uns natürlich gedacht, dass niemand hier in der Region das Mischbatterie nennt. Und als Allerletztes kam dann hinzu, dass wir ein bisschen „local“ sein wollen, denn hier im Steinweg gibt es 3 oder 4 Läden, die ein falsch gesetztes Apostroph in ihrem Namen haben.

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