Keine andere Spirituose ist so sehr mit dem rauen Leben auf hoher See verbunden wie Rum. Er war günstig herzustellen, leicht an Bord zu lagern und konnte nicht verderben – ganz im Gegensatz zu Bier und Wasser, wo sich bei langen Schiffsreisen sogar Algen bildeten. Und er war stark genug, um nach einem langen Tag auf den Weltmeeren selbst den härtesten Seemann zu betäuben. Kein Wunder also, dass nicht nur Piraten auf Rum schwörten, sondern auch die britische Royal Navy.
Jamaika sorgte für den “Daily Tot”
Die Wurzeln dieser geschichtsträchtigen Verbindung reichen zurück bis ins Jahr 1655. Es war das Jahr, als die Briten Jamaika eroberten. Am 10. Mai 1655 landete eine von Oliver Cromwell entsandte Flotte bei Santiago. Die Truppen waren demoralisiert, weil sie kurze Zeit davor vergeblich versuchten, Hispaniola (Haiti) zu erobern. Doch auf Jamaika gelang den Briten unter der Leitung von Sir William Penn der Sieg gegen die Spanier, die daraufhin die Insel verließen. 15 Jahre später wurde die Insel Teil der englischen Krone. Daraufhin wurden Zigtausende Sklaven aus Afrika auf die Insel verschleppt, um die Landwirtschaft anzukurbeln – neben Tabak und Kakao wurde vor allem Zuckerrohr angebaut. Bei der Herstellung von Zucker entsteht als Nebenprodukt Melasse, welche wiederum die Basis für Rum ist.
Rum aus der Karibik hatte zwei Vorteile: Zum einen war er sehr günstig in der Herstellung, zum anderen wurde der frische, weiße Rum bei der Überfahrt nach Europa durch die Lagerung in Holzfässern an Bord der Schiffe sogar bekömmlicher. So wurde im Laufe des 18. Jahrhunderts schließlich an Bord der Royal Navy der teure Brandy durch Rum aus Jamaika ersetzt. Die Fässer waren zu Ehren des jeweiligen Herrschers mit “Die Königin – Gott segne sie” oder “Der König – Gott segne ihn” beschriftet.
Um die Moral der Seeleute hochzuhalten, bekam jeder Matrose jeden Tag eine Ration Alkohol – auch bekannt als “daily tot”. Bis 1740 bestand die Ration aus einem halben Pint reinen Rums, also etwas mehr als ein Viertelliter, verteilt auf zwei Ausgaben am Tag. Ein ganz schönes Pensum. Aber wie eingangs erwähnt: Das Leben an Bord eines Schiffes war kein leichtes.
Die Entstehung des Overproof Rum
Aus jenen Tagen stammt vermutlich auch die Bezeichnung Over Proof, was so viel wie Überprüfungsnachweis bedeutet. Damals prüften die Seemänner den Alkoholgehalt ihrer Rumration, indem sie den Rum mit Schießpulver tränkten. Wenn das nasse Schießpulver angezündet mit einer blauen Flamme brannte, war es “Overproof”. Der Alkoholgehalt lag also um die 57 Prozent oder höher. So konnten die Matrosen sichergehen, dass der Rum nicht gestreckt wurde. Die Maßangabe Proof wird übrigens bis heute in den USA und Großbritannien verwendet.
Jedoch förderte die große Alkoholmenge die Disziplinlosigkeit und Trunkenheit, beides kann man auf hoher See nicht gebrauchen. Die Generäle der Marine verwässerten und verkleinerten die Rum-Ration, den Tot, deshalb immer wieder. 1824 wurde die Menge auf die Hälfe reduziert, zum Ausgleich gab es mehr Tabak, Tee und Fleisch. Ab 1848 konnten sich die Besatzungsmitglieder alternativ auch für gesüßten Tee statt Rum entscheiden. Später wurde das sogenannte “Grog Money” eingeführt, wer nicht 71 Milliliter eines 54-prozentigen Rums wollte konnte sich seinen Anteil stattdessen auch in Geld auszahlen lassen.
- Tasting Notes: Ananas und Melone mit Zimt und Ingwer, Orangenschale und Espresso mit Karamell, tropische Frucht, Chili...
- Von der Geschichte des Navy Rum inspiriert – für den Gaumen von heute komponiert: Black Tot Rum ist der komplexe Mix...
1970 kam der Black Tot Day
Das Ende kam schleichend: 1881 wurde die Rumration für Offiziere abgeschafft, nach Ende des Ersten Weltkriegs im Jahr 1918 auch für die Deckoffiziere. Nur noch Unteroffiziere und die normale Bordmannschaft hatten ab diesem Zeitpunkt ein Anrecht auf ihren Tot. Doch der Dienst wurde durch komplexe Schiffs- und Waffensysteme zunehmend fordernder, unter Alkoholeinfluss war die Sicherheit nicht mehr gewährleistet. So sank auch das Interesse auf Seite der Matrosen. In den 1950ern soll nur noch ein Drittel der britischen Marine den Rum in Anspruch genommen haben.
Im Dezember 1969 beschloss die Admiralität schließlich, die Rumausgabe an die Mannschaften einzustellen. Im Unterhaus des Parlaments in London wurde im Januar 1970 auf Betreiben des Abgeordneten James Wellbeloved noch leidenschaftlich und humorvoll über die Rücknahme dieses Beschlusses debattiert (was als “Great Rum Debate” in die Geschichte einging).
Doch es nützte nichts: Am 31. Juli 1970 wurden um Punkt 11.00 Uhr das letzte Mal Rum an die Seeleute der britischen Royal Navy ausgegeben. Weltweit trugen die Matrosen auf britischen Kriegsschiffen schwarz, es gab Trauerzeremonien und Salutschüsse. Danach blieben die Kupferbecher leer.
Damit endete ein wichtiges Kapitel der Marinegeschichte. Für Rum-Fans war es jedoch nicht das Ende. Bis heute gibt es “Navy Strength Rum” mit einem höheren Alkoholgehalt und mit würzigen, kräftigen Aromen.
Der Spirituosenhersteller Speciality Brands brachte 2019 in Gedenken an jenen historischen Tag den Black Tot Rum heraus. In Deutschland wird die Marke von Kirsch-Whisky vertrieben. Ein würziger Rum mit Aromen von Früchten, Karamell und einer wärmenden Schärfe. Alljährlich gibt es auch eine Limited Edition, in der ein kleiner Anteil eines originalen Navy Rums aus den 1970er Jahren steckt. Und wer will kann sogar einen der letzten Rums der Marine kaufen. Kostenpunkt: knapp 800 Euro*. Die Geschichte lebt bis heute weiter.
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Schlagwörter: Black Tot Day, Rum Last modified: 30. Juli 2022