Manchmal weiß man bei Premieren ja nicht so genau, was man erwarten soll.
Wird’s groß oder kleinteilig? Gedrängt oder gemütlich? Als die erste Whisky Live Germany nun am zweiten Oktoberwochenende im Hamburger CCH aufmachte, war das ein bisschen wie der erste Schluck eines neuen Whiskys: gute Laune und viel Neugier bei allen Beteiligten.
Und dann: angenehme Überraschung.
Die Hallen luftig, das Publikum entspannt, alles gut organisiert. Und – typisch Hamburg – gleich noch eine zweite Messe nebenan: eine Anime-Convention. So mischten sich beim Hinausgehen Whisky-Fans mit vollen Beuteln und Cosplayer mit bunten Perücken und Engelsflügeln – ein Anblick, den man sich nicht ausdenken könnte.
Wir und die Messe
Wir waren zu fünft unterwegs. Immer wieder verloren wir uns in alle Himmelsrichtungen. Das passiert zwangsläufig auf solchen Veranstaltungen. Einer blieb beim ersten Dram hängen, der nächste beim zweiten Gespräch, der dritte beim Holen von Wasser oder Kaufen einer Flasche. Man lief sich dann irgendwann wieder über den Weg.
Masterclasses? Gab’s reichlich. Serge Valentin, Billy Walker, Daniele Biondi von La Maison & Velier – alles große Namen. Wir hatten kurz überlegt, Tickets zu nehmen, aber die waren sowieso fast alle ausverkauft. Am Ende ließen wir uns einfach treiben. Rückblickend keine schlechte Idee, denn es gab ja reichlich zu entdecken.
Den Anfang machte Cotswolds Distillery mit einem Rum-Cask-Whisky, knapp 55 %. Rund, weich, kräftig, aber nicht anstrengend. Ein richtig schöner Einstieg – so einer, der nicht brennt, sondern bleibt.


Danach ging’s direkt zum Stand von Michel Reick, auch bekannt als WhiskyDruide.
Er präsentierte seine neue Awakening Series, einen Springbank 20 Jahre, dunkel, satt, sherrytief – und mit einem Preisschild von rund 600 Euro. Aber ehrlich: Man schmeckt, warum.
Ein paar Meter weiter wartete ein Cognac von Jean-Luc Pasquet, Lot 86. Blumig, fruchtig, hell – fast schon erfrischend nach all dem Holz.
Wir notierten: „Gefällt sehr.“ Die wohl nüchternste und zugleich treffendste Notiz des Tages.


Holz, Frucht, Funk – und Bally
Im weiteren Verlauf kam alles, was Spaß macht: Ein Bally-Rum von Wu Dram Clan , 15 Jahre, 53,8 Volumenprozent, trocken, ein bisschen staubig, aber sehr schön ausbalanciert. Kein Crowd-Pleaser, aber einer, an dem man hängen bleibt.
Der Starward Botrytis Cask aus Australien dagegen war das Gegenteil: mild, süß, zugänglich, ein bisschen wie Nachtisch im Glas. Kein Aha-Moment, aber angenehm unkompliziert.



Dann kam der Mhoba Rum am Stand von Velier – 66,2 Prozent, gebrannt aus der südafrikanischen Zuckerrohrsorte N49 auf Pot Stills. Und im Ergebnis so weich, dass man ihm 10 Prozent weniger geglaubt hätte. Auffallend war die schöne Textur, beinahe ölig-cremig, in der Nase leicht vergoren, eben dieser typische „Mhoba-Vibe“, den man mögen muss – wir mochten ihn. Ein Brett für 75 Euro.
Und schließlich der Hampden-Stand. Da hält man natürlich an. Ich hatte zugegeben war nicht so große Erwartungen, man kennt das ja fast alles. Doch hier wurde gut aufgefahren: Neben den Standardabfüllungen auch drei verschiedene “Great House”-Editionen, der Hampden Maverick 2024 (anlässlich der Geburt des Sohnes) und die Special Edition 2020 exklusiv für die Messe. Letztere ist fünf Jahre alt, fruchtig, sauber, trotzdem mit Tiefe. Und ich muss sagen: Einer der besten Hampdens seit Langem. Und ja, da wanderte eine Flasche in die Tasche für 125 Euro.



Wir haben viele weitere Abfüllungen probiert, gekauft haben wir am Ende noch eine neue Indonesien-Abfüllung der Flensburg Rum Company. 2016 destilliert, vollmundig, kräftig, aber freundlich genug, dass selbst Whiskytrinker neugierig wurden.
Unser Freund Carsten, der sonst eher im Malt-Segment unterwegs ist, nahm gleich eine mit.

Kein Rausch, aber viele gute Gespräche
Bemerkenswert: Fast alles war gratis im Ausschank. Nur bei echten Raritäten wie dem 25-jährigen Redbreast wurden mal acht oder zehn Euro aufgerufen – völlig fair.
Die Aussteller schenkten maßvoll aus, oft ein Zentiliter, manchmal weniger. Und obwohl man den Whisky irgendwann wirklich in der Luft roch, blieb alles gesittet.
Man sah niemanden über die Gänge stolpern oder torkeln, auf den Toiletten keine Zusammenbrüche. Ich schreibe das, weil ich auf Branchenevents schon ganz andere Dinge erlebt habe, etwa auf dem Bar Convent Berlin. Aber vielleicht haben sich die Endverbraucher auch besser im Griff als manche Profis. Vernünftig: Überall gab’s reichlich Wasser.
Das Publikum war wirklich entspannt und das Feedback von Ausstellern, mit denen wir sprachen, war durchweg positiv. Man merkte, dass die Leute wussten, was sie trinken – und warum. Diese Mischung aus Sammlern, Neugierigen und Genießern war vielleicht das Beste an der ganzen Veranstaltung.





Die Sache mit dem Erwachen
Das Leitmotiv der Messe hieß „Awakening Series“ – eine Reihe limitierter Abfüllungen, eigens für die Premiere. Darunter Whiskys von Bunnahabhain, Kilchoman und Blair Athol, aber auch Cognacs von Pasquet und Vallein Tercinier.

Schön zu sehen, dass man bei der ersten deutschen Whisky Live nicht einfach ein paar Standardflaschen auf die Tische stellte, sondern Raritäten – und eben nicht nur Whisky, sondern auch Rum und Cognac. Interessant war nur, dass Tequila und Mezcal kaum präsent waren. Ein Gegenentwurf vom Bar Convent vor wenigen Tagen, wo an jeder Ecke für Agavenspirituosen getrommelt wurde. Aber vermutlich sind die vom Whisky-Publikum wirklich zu weit weg.

Am Ende des Tages standen wir mit müden Füßen und vollen Beuteln draußen auf dem Congressplatz. Rund 1.300 Besucher sollen es gewesen sein – eine ordentliche Zahl für eine Premiere. Das CCH hat sich als Ort bewährt: hell, praktisch, genug Platz.
Vielleicht wäre fürs nächste Jahr eine kleine Cocktailstation schön, um zu zeigen, was man aus all den großartigen Spirituosen im Glas noch machen kann. Aber ansonsten: alles richtig gemacht.

Der Tag zeigte wieder einmal: Hamburg kann Whisky. Das wissen wir ja schon von der Hanse Spirit, und das hat sich nun auch im Herbst bewährt. Die erste Whisky Live war kein lautes Branchen-Spektakel, sondern einfach ein richtig guter Tag für Menschen, die gute Sachen mögen. War auch toll, einige Menschen der Branche endlich mal persönlich zu treffen – etwa Sebastian Jäger, Mitbegründer des unabhängigen Abfüllers Wu Dram Clan, mit dem wir noch bis tief in den Abend hinein schnatterten.
Am Ende hatten wir jeder genau eine Flasche im Beutel – und das gute Gefühl, die richtige gewählt zu haben.