Written by 19:07 Spirituosen

Neue Karte der Bar Clara: Das schöne Chaos im Glas

Wer die Bar Clara im obersten Stockwerk des Fotografiska Berlin betritt, erwartet eigentlich einen spektakulären Blick über die Hauptstadt. Doch mit der neuen Cocktailkarte, inspiriert vom provokanten Kunstmagazin TOILETPAPER, wird der Blick nach innen gelenkt – auf Drinks, die so absurd wie genial sind.

“Clara ist mehr als nur eine Bar – sie ist ein Ort für Geschichten, Ausdruck und unvergessliche Nächte”, heißt es im neuen Menü. Und genau das spiegelt die aktuelle Karte wider, die in Zusammenarbeit mit der gleichnamigen Ausstellung im Fotografiska entstanden ist. 

Wer die neue Karte in die Hand nimmt, wird sofort in die bizarre Bildwelt von TOILETPAPER gezogen. Das von Maurizio Cattelan und Pierpaolo Ferrari gegründete Magazin ist bekannt für seine surrealen, oft verstörenden Fotografien, bei denen man nie weiß, ob man lachen oder zum Therapeuten gehen soll. Frauen, die in Spaghetti baden. Mittelalterlich anmutende Ritter, die Bananen essen. Solche Sachen.

TOILETPAPER-Ausstellung im Fotografiska

Diese visuelle Anarchie in flüssige Form zu übersetzen, ist keine leichte Aufgabe. “Denk an Popkultur auf Acid”, heißt es treffend in der Einleitung der Karte – und genau dieses Versprechen wird eingelöst.

Aurora Almenar, Head Bartenderin und damit die Frau hinter diesem schönen Wahnsinn, hat gemeinsam mit ihrem Team fünf neue Signature Drinks entwickelt, die nicht nur geschmacklich, sondern auch konzeptionell die absurde Energie der TOILETPAPER-Ausstellung aufgreifen, die noch bis zum 31. August 2025 im Fotografiska zu sehen ist.

Aurora Almenar war viele Jahre im „Paradiso“ in Barcelona, nun ist sie in Berlin aktiv

Zero Waste trifft Molekularküche

Die Stars der neuen Karte sind dabei so unterschiedlich wie die Kunstwerke, die sie inspiriert haben. Der “Fig Me Harder” – allein der Name, herrlich juvenil – kommt blau-lila daher, gefärbt von Schmetterlingserbse. Er schmeckt nach Feigenblatt, Heidelbeere und Trüffel, was sich anhört wie etwas, das man in Kreuzberg auf einem Food Market für 18 Euro als Sandwich kauft. Aber hier funktioniert es.

Das Team bereitet einen “Fig me Harder” zu

Der Trüffel gibt dem Gin-Cocktail eine fast animalische Tiefe. Das Ergebnis ist erstaunlich harmonisch: tief, samtig, mit einer moschusartigen Note, die einen kurz vergessen lässt, dass man gerade 15 Euro für einen Drink ausgegeben hat.

Der Melondrama (14 Euro) zeigt, wie mutig das Team experimentiert: Complice Mezcal trifft hier auf Ziegenkäse – eine Kombination, die zunächst irritiert, dann aber mit ihrer Komplexität überzeugt. Serviert als “fizzy Highball” mit Matcha-Rand, der an eine Wassermelonenschale erinnert, ist dieser Drink alles andere als gewöhnlich.

Die neue Barkarte neben einem Melondrama

Besonders kreativ ist der Yolk Me (15 Euro), bei dem eine essbare Sphäre aus Orange, Mango und Safran auf der Oberfläche des Drinks schwebt. Die Gäste werden aufgefordert, diese mit dem Finger zu zerbrechen – ein spielerisches Element, das perfekt zur Philosophie des Künstlerkollektivs passt. Die Basis aus Paranubes Rum und Calvados, verfeinert mit Cashew-Orgeat, schafft ein cremig-tropisches Geschmackserlebnis.

Der “Yolk Me”-Cocktail
Das Bild, auf den der Drink referiert

Der Inbegriff nachhaltiger Barkultur ist der Noodle Colada (14 Euro). Statt der klassischen Kokosmilch verwendet das Team Tahini-Paste und Kokoswasser. Mithilfe des Enzyms Pektinase wird ein kristallklares Cordial aus Banane, Ananas und Kokosnuss kreiert. Die dabei entstehenden Fruchtpulpe-Reste werden kurzerhand zu essbaren “Frucht-Fettuccine” verarbeitet und als Dekoration auf dem Drink serviert – Zero Waste auf höchstem Niveau.

Nudeln aus Fruchtpulpe sind der Hingucker des Noodle Colada

Der Cucumbering (14 Euro) schließlich ist ein raffinierter Pisco Sour-Twist, inspiriert von einem TOILETPAPER-Motiv eines mit Gurkenscheiben bedeckten Paares. Mit Thymian- und Limetten-Kaffir-infundiertem Pisco sowie einem hausgemachten Gurken-Shrub entsteht ein “duftend, zitrusartig, kräuterig”-schöner Drink, wie es das Barteam formuliert.

Was die Bar Clara mit der neuen Karte geschaffen hat, geht weit über die übliche “Kunst trifft Cocktail”-Kollaboration hinaus. Es ist eine Gesamtperformance, bei der jeder Drink zur Bühne wird und jeder Gast zum Mitspieler. In einer Stadt, die sich gerne als Welthauptstadt der Coolness inszeniert, ist es erfrischend, eine Bar zu finden, die sich traut, ein wenig albern zu sein – und dabei trotzdem ernst zu nehmende Drinks serviert.

Natürlich ist das alles ein bisschen too much. Die essbaren Nudeln, die Enzym-Klärungen, die Sache mit dem Finger. Aber die Bar Clara will auch nicht deine neue Stammkneipe sein. Sondern der Ort, wo du hingehst, wenn das Leben zu normal geworden ist. Wo man erst stilvoll trinkt und sich dann Kunst anschauen geht – oder auch andersherum. Und gleichzeitig erinnert sie uns daran, warum wir überhaupt in Bars gehen: nicht nur für den Alkohol, sondern für die Erfahrung, für die Geschichte, für den Moment der Verwunderung.

Nicht jeder mag es so experimentell, das weiß auch das Team der Bar Clara. Deshalb gibt es neben den fünf Kunst-Kreationen und der Klassikerkarte auch eine kleine, feine Terrassen-Kollektion. Hier geht es zugänglicher zu: Der Sunset Currency mit Wermut, Mango und Soda oder die scharfe Paloma-Variation Pink is Spicy mit Gochujang am Glasrand. Mein Highlight ist der Berlin with a View, der mit seinen Bergamotten- und Zitronennoten perfekt für einen Sommerabend ist.

Die neue Karte läuft ab sofort. Reservierung empfohlen, besonders am Wochenende. Wer walk-in kommt, sollte Geduld mitbringen. Und Humor. Vor allem Humor.

Last modified: 29. Mai 2025
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