Armagnac – ein edler Weinbrand aus Frankreich, der hierzulande noch immer ein Schattendasein führt. Doch ein Mann hat es sich zur Aufgabe gemacht, das zu ändern: Sascha Junkert, Gründer von armagnac.de und Mitinitiator des Projekts „Grape of the Art„. Mit Leidenschaft und einem Gespür für außergewöhnliche Tropfen hat er in den letzten drei Jahren die Armagnac-Szene ordentlich aufgemischt. Wir haben mit ihm über seine Faszination für das Thema, die Höhepunkte seines Projekts und die Zukunft von Armagnac in Deutschland gesprochen.

Zucker und ZesteSascha, du hast in den vergangenen drei Jahren ja viel dazu beigetragen, dass Armagnac populärer wurde. Wann war für dich der Moment, wo du gedacht hast: „Das ist genau mein Ding. Das mache ich weiter und ist nicht nur so eine wilde Spinnerei“?

Sascha: Das Gefühl kam relativ schnell. Wir haben am Anfang viel in unserem Netzwerk getestet und dann auch auf dem German Rum Festival in Berlin einfach mal einen Stand aufgebaut, ohne dass wir einen eigenen Online-Shop hatten. Wir wollten einfach mal gucken, ob überhaupt Interesse besteht. Das Feedback war sensationell, ebenso zu den ersten Grape of the Art Abfüllungen. Da wussten wir: Wir müssen an dem Thema dranbleiben. Anfangs war Grape of the Art ja noch ein Hobbyprojekt, wo wir dachten, wir machen ab und an mal eine Abfüllung nebenher. Schnell kam der Entschluss: Wir machen das Ganze wenn dann richtig.

Zucker und Zeste: Mit Grape of the Art habt ihr etwas komplett Neues geschaffen. Zwischenzeitlich hattet ihr eine recht hohe Taktung an Releases. Ist das inzwischen weniger geworden? Gibt es da ein Muster?

Sascha: Also eigentlich ist die Dichte im Schnitt gleich geblieben. Wir werden auch dieses Jahr wieder 8 Abfüllungen haben. Aber wir haben gelernt, sie besser zu verteilen. Wir schauen, dass immer so 6-8 Wochen zwischen zwei Releases liegen, machen eine Sommerpause und eine Weihnachtspause.

Zucker und Zeste: Wie viele Grape of the Art Abfüllungen gab es denn bisher insgesamt?

Sascha: Wenn ich mich nicht verzählt habe müssten es mittlerweile 17 Abfüllungen gewesen sein.

Zucker und Zeste: Und gab es dabei Überraschungen?

Sascha: Es ist sehr oft überraschend, was gut ankommt. Zum Beispiel hatten wir auf dem ersten Rum Festival Proben vom Seailes 1988 dabei, wo wir im Team total uneinig waren. Ich fand den geil, aber es gab auch Stimmen, dass er schon sehr in die holzige Richtung geht. Auf dem Festival in Berlin war das Feedback dann aber ausgesprochen positiv. Auch beim Lheraud 1967 haben wir uns natürlich gefragt: Kauft wirklich jemand für 600 Euro eine Flasche Cognac, egal wie lecker das Zeug ist? Und wir waren dann mega überrascht, wie schnell der ausverkauft war. In ein, zwei Wochen war er weg.

Zucker und Zeste: Das heißt, eine preisliche Hemmschwelle gibt es für eure Kunden eigentlich gar nicht, wenn die Qualität stimmt?

Sascha: Genau. Natürlich kommt es auch auf die Flaschenanzahl an. Bei 1000 Flaschen hätten wir bei dem Preis wahrscheinlich schon Probleme, die alle loszubekommen. Aber wir schauen bei Grape of the Art immer, auf welchem Preisniveau sich der Produzent bewegt. Gerade bei Armagnac, der für viele ja immer noch so ein Nebenschauplatz ist, muss man schon gucken, dass man nicht zu eng am Budget für Rum oder Whisky mitspielt. Manche Produzenten reizen diese Preisspirale mittlerweile ein bisschen aus, weil sie merken, dass Armagnac gut ankommt. Wir wollen aber immer ein faires Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Deswegen gibt es bei uns zwischen Produzenten manchmal krasse Preissprünge.

Zucker und Zeste: Was war denn deine persönliche Lieblings-Abfüllung von den bisherigen 17?

Sascha: Beim Cognac hat mich der Lheraud von 1967 tatsächlich total umgehauen. Das war eine Ausnahmeabfüllung. Der Séailles 2000 ist beim Armagnac immer noch mein Favorit, auf den ich am meisten Lust habe ihn mir einzuschenken. Es gibt sicherlich andere, die „Besonderer“ sind, aber der Séailles ist einfach unfassbar lecker und süffig.

Zucker und Zeste: Lass uns noch kurz über armagnac.de sprechen: Wie setzt sich deine Kundschaft zusammen? Sind das primär Stammkunden oder hast du auch viel neues Publikum?

Sascha: Wir kriegen immer mehr neue Kunden dazu, vor allem über Mundpropaganda. Wir schalten aktuell noch keinerlei Werbung. Die Leute kommen über Facebook-Gruppen zu uns, wenn über Armagnac diskutiert wird. Auf Messen sieht man auch oft, wie ein paar Freunde ihren Freunden was erzählen und die dann angesteckt werden – so wie das ja bei euch auch war.

Zucker und Zeste: Definitiv! Und was sind so die Renner bei dir im Shop? Die klassischen Jahrgangssachen, die günstigen Einsteiger?

Sascha: Die Einstiegsabfüllungen verkaufen sich bei uns tatsächlich eher nicht so gut, was für die Produzenten oft unverständlich ist. Die sagen dann: „Das ist doch unser Dauerbrenner!“ Aber wir verkaufen vor allem im 100- bis 200-Euro-Segment, weil unsere Zielgruppe hauptsächlich aus der Rum-Szene kommt und mal etwas Neues entdecken will. Die haben dann auch weniger Probleme, für die Qualität eine solche Summe zu bezahlen – wobei es für viele natürlich immer noch sehr günstig ist verglichen mit anderen Spirituosen.

Zucker und Zeste: Das ist eine sehr glückliche Situation, dass du gar nicht groß erklären musst, warum man so viel Geld für eine Flasche ausgeben sollte.

Sascha: Genau. Das Hauptproblem ist eigentlich, dass die Leute Armagnac erst mal wahrnehmen und in Kontakt damit kommen müssen. Selbst auf der Whiskymesse in Limburg, wo die größten Enthusiasten rumlaufen, gibt es extrem viele, die noch nie was von Armagnac gehört haben. Da ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig.

Zucker und Zeste: Gibt es in deinem Shop auch Abfüllungen, von denen du denkst: „Die müssten eigentlich viel besser gehen“?

Sascha: Ja, wir haben zum Beispiel einige Abfüllungen von unbekannteren Domänen, die wir selbst noch nicht so pushen. Da merkt man, es gibt noch nicht so viele, die sich zum Spaß einfach mal eine Flasche kaufen und sich dann durchprobieren. Die meisten Leute brauchen schon noch einen Aufhänger – einen Blogartikel, eine Empfehlung von Freunden, ein Messeerlebnis oder einen bekannten Jahrgang einer Domäne, um dann auch mal was anderes von dem Produzenten zu probieren. Es gibt aber schon einige „Armagnac-Nerds“, die sich wirklich tief in die Materie eingraben und alles Neue entdecken wollen. Aber verglichen mit Rum oder Whisky ist das noch sehr überschaubar. Und wir haben schon ein paar Schätze im Lager, wo wir als Händler denken: Hätten wir besser nicht ganz so enthusiastisch eingekauft. Aber auf der anderen Seite bin ich überzeugt: Früher oder später werden die richtigen Leute darauf aufmerksam und entdecken das für sich.

Zucker und Zeste: Letztes Jahr im Sommer habt ihr in Stuttgart die erste Ausgabe des Armagnac Festivals organisiert, vor wenigen Tagen fand nun die zweite statt. Was hat dich daran besonders stolz gemacht?

Sascha: Was uns letztes Jahr schon mega stolz gemacht hat, war das Feedback von allen Seiten. Die Leute waren super happy. Und auch die Qualität der Aussteller war durchweg hoch. Viele sind reingekommen und dachten: „Schöne kleine Messe, da bin ich ja in ein, zwei Stunden durch.“ Am Ende haben sie dann festgestellt: „Okay, wir haben jetzt vielleicht 10 Prozent von dem geschafft, was interessant aussah.“ Das hat uns echt Motivation gegeben, weiterzumachen und wir setzen da jetzt auch auf die Mund-zu-Mund-Propaganda, dass die Begeisterten es weitererzählen. Und ich glaube, man sieht auch, dass es funktioniert hat.

Zucker und Zeste: Die Produzenten aus Frankreich haben eine richtig lange Anreise. Einige müssen 12 Stunden und mehr fahren. War es schwer, die zu überreden?

Sascha: Wir dachten auch: Oje, die nach Deutschland zu locken, noch dazu für einen Tag, das wird schwierig. Aber viele fanden die Idee eines Armagnac-Festivals so gut, dass sie gesagt haben: „Scheiß drauf, wir fahren da hin!“ Und es waren dann auch die Produzenten, die am Ende gesagt haben: „Es war so unfassbar toll. Wir haben diese Qualität an Besuchern gar nicht erwartet: Dass die so viel Vorwissen mitbringen, an den Stand kommen und sagen ‚Das ist mein Lieblings-Armagnac, den hab ich auch Zuhause.'“ Man darf nicht vergessen: Das sind ja oft Brenner, die touren nie auf Messen, sondern verkaufen ab Hof an ein paar Händler in der Nachbarschaft. Für die ist es dann gigantisch, wenn da jemand aus Deutschland kommt und sagt: „Die Flasche habe ich Zuhause, das ist mein Lieblingstropfen!“

Zucker und Zeste: Wie siehst du die Zukunft des Festivals? Jetzt beim zweiten Mal war es schon recht voll, und wenn das so weiter wächst, wird es in der Location sicher irgendwann eng. Habt ihr da schon Pläne?

Sascha: Wir werden uns jetzt die genauen Besucherzahlen anschauen. Dieses Jahr waren es so um die 300 Besucher. Wenn es so weitergeht, haben wir schon eine neue, größere Location im Auge. Aber das ist natürlich ein großer Schritt, der gut überlegt sein will. Bislang haben wir das Glück, dass die Miete sehr freundlich ist, weil uns alle unterstützen wollen. Eine größere Location wäre direkt ein Vielfaches teurer. 

Zucker und Zeste: Was habt ihr sonst noch für Pläne dieses Jahr mit Grape of the Art und armagnac.de?

Sascha: Für armagnac.de wird es ein paar eigene Abfüllungen geben. Da wird wahrscheinlich dieses Jahr die erste rauskommen. Und zusammen mit Nicolas Kröger von Wagemut habe ich eine Probeflaschenbox mit vier tollen Jahrgängen von Lheraud ausgesucht. Lheraud ist schon preislich eher gehoben, aber die Qualität ist gigantisch. Das wollen wir jetzt mal in Deutschland mehr unter die Leute bringen.

Zucker und Zeste: Da bin ich sehr gespannt drauf! Eine letzte Frage noch: Siehst du Armagnac eigentlich auch in der gehobenen Gastronomie, in Sternerestaurants? Da war Cognac die letzten Jahre präsenter als Armagnac.

Sascha: Das ist auf jeden Fall ein Thema für die Zukunft. Aktuell fokussieren wir uns mehr auf den Onlinehandel, weil wir da die Zielgruppe besser erreichen, von der wir wissen, dass sie kaufkräftig ist und sich schon mit Whisky, Rum und Co. auskennt. Wir haben auch nicht die Manpower, um Restaurants und Bars abzuklappern. Aber ich sehe da definitiv Potential. Allerdings auch erst mal mit viel Erklärungsbedarf. Wir merken das ja, wenn wir mit anderen Händlern sprechen: Da muss jemand schon richtig Bock haben, sich mit dem Thema zu beschäftigen, damit es funktioniert. Nur die Flasche ins Regal zu stellen reicht nicht. Auch in der Top-Gastronomie braucht es Leute, die mit Begeisterung das Storytelling übernehmen, sonst floppt es. Aber die wird es hoffentlich geben!

Zucker und Zeste: Sascha, vielen Dank für das ausführliche Gespräch und die spannenden Einblicke. Ich wünsche dir und armagnac.de weiterhin viel Erfolg dabei, mehr Menschen für dieses besondere Destillat zu begeistern!