Heute kommen wir zu einem Tasting, auf das wir uns sehr gefreut haben: dem Tastingset „Annia“ von der Tiroler Brennerei Rochelt. Bei den Bränden von Rochelt scheiden sich sich so ein bisschen die Geister. Die einen empfinden sie als die Speerspitze der Obstbrände, andere empfinden sie als zu teuer und überhyped.

Wir wollten uns selbst ein Bild machen und sind entsprechend gespannt was uns gleich erwartet. Wir haben den Bränden erstmal viel Zeit im Glas gegönnt, denn diese Erfahrung haben wir bisher bei sehr vielen aufwendigen Obstbränden gemacht: Sie brauchen Zeit im Glas!

Die Brennerei Rochelt

Die Geschichte der Brennerei beginnt in den 1970ern in einer Tiroler Garage. Günter Rochelt hatte den Plan, das Kulturgut Schnaps auf ein neues Niveau zu heben. Rochelt war ein gelernter Koch und kannte sich mit guten Aromen aus. Zwanzig Jahre brannte er nur für Familie und Freunde und perfektioniert seine Kenntnisse.

Ende der 1980er macht er das Schnapsbrennen zu seiner Profession und eröffnet in dem Dorf Fritzens, nahe der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck, seine Brennerei. Seine Philosophie sorgte sofort international für Aufsehen, weil Schnaps zu dieser Zeit zum billigen Massenprodukt verkommen war. Schnell wanderten die Destillate in internationale Top-Restaurants. Die Brennerei Rochelt blieb aber ein kleiner Familienbetrieb. Bis zu seinem Tod im Jahr 2009 vertrat er die Ansicht, „dass Schnaps nicht nur etwas Hochprozentiges, sondern auch etwas Hochpreisiges sein darf und muss“.

Bild: Rochelt

2003 steigt sein Schwiegersohn Alexander Rainer in den Betrieb mit ein, um sich das Wissen seines Schwiegervaters anzueignen und letztlich die Firma im Jahr 2008 zu übernehmen. Nach dem Tod von Günter Rochelt erhält er Unterstützung von Günters Frau Daniela und den Töchtern Julia, Annia und Teresa, mit denen er das Unternehmen in der zweiten Generation führt.

Der Herstellungsprozess bei Rochelt

Rochelt arbeitet mit den meisten Bauern, bei denen es sich ebenfalls um kleine Familienbetriebe handelt, bereits seit Jahren oder Jahrzehnten zusammen. Durch diese enge Zusammenarbeit ist es Rochelt möglich, das Obst bis zum optimalen Zeitpunkt der Reife und damit auch dem Zeitpunkt des höchsten Zuckergehalts am Baum hängen zu lassen. Entspricht die Ernte jedoch nicht den Anforderungen an Reife und Sauberkeit wird es auch nicht verarbeitet.

Anders als bei vielen anderen Brennereien wird das Obst direkt vor Ort aussortiert und gewaschen, um anschließend in speziellen Gärbehältern eingemaischt zu werden. Eine Nachreifung in der Brennerei findet nicht statt. Dann setzt die auf den Fruchtschalen natürlich vorkommende Hefe die Gärung innerhalb weniger Stunden in Gang und beginnt, den Fruchtzucker der Maische in Alkohol zu verwandeln. Rochelt spricht von der „stürmischen Gärung“. Eine Beschleunigung des Prozess durch Zugabe von Gärhilfen oder sonstigen Maischezusätzen gibt es nicht. Die Vergärung findet also zu 100% durch natürliche Weise statt.

Bild: Rochelt

Nach abgeschlossener Gärung wird die Obstmaische zweimalig im Kupferkessel gebrannt. Bei Rochelt vertritt man die Theorie der möglichst langsamen und schonenden Destillation. Und es soll so wenig Alkohol wie möglich verloren gehen, da der Alkohol der wesentliche Aromenträger ist. Wie üblich wird im ersten Durchlauf der Raubrand gewonnen und im zweiten Durchgang der Feinbrand, bei dem nur das Herzstück extrahiert wird. Je nach Brand werden bis zu 100 Kilo Obst für einen Liter Destillat benötigt.

Bild: Rochelt

Die Reifung der Destillate finde bei Rochelt nicht in großen Stahltanks statt, sondern in großen Glasballons, die jedoch nicht mit einem festen Stopfen verschlossen sind, sondern mit einem Tuch abgedeckt sind. Dadurch entsteht ein größerer Angels Share. Dort ruhen sie bis zu zwanzig Jahre und werden regelmäßig überprüft. Die jahrelange Reife ersetzt auch die Zugabe von unnötig viel Wasser. Auch werden die Destillate nicht filtriert. In der sogenannten Schatzkammer – auf dem Dachboden der Brennerei – lagern derzeit etwa 80.000 Liter Brand.

Bild: Rochelt

Die Flasche

Besonders auffällig empfinde ich auch die Flasche. Schimmernd grün mit einem aufwendigen Design. Eindeutig eine Anfertigung und nichts von der Stange. Dazu werden den einzelnen Sorten auch sehr aufwendige, individuelle Verschlüsse spendiert, die vom Karlsruher Goldschmied Otto Jakob entworfen wurden. Dieser Verschluss soll es dem Inhalt ermöglichen sich auch nach der Öffnung noch zu entwickeln ohne Aroma einzubüßen. Es gibt insgesamt vier Abfüllgrößen: 700ml, 350ml, 100ml und 40ml. Bei den großen Abfüllgrößen schlummert die Flasche in einer Holzkiste. Die typische Einbuchtung in der Flasche, der sogenannte Nabel, geht im übrigen auf ein Missgeschick eines Glasbläserlehrlings vor 200 Jahren in Hall im Tirol zurück. Der Lehrling soll damals versehentlich die noch weiche Flasche mit der Zange zusammen gedrückt haben. So war eine regionale Flaschenlegende geboren.

Die 100ml Flasche bezeichnet Rochelt auch als Flachmann und ist genau für den Zweck eines Flachmanns konzipiert. Er passt in die Hosentasche und kann unterwegs getrunken werden. Dazu kann der Verschluss auch als Becher verwendet werden.

Tastingset Annia

Wir testen heute das Tastingset „Annia“ in dem sich 40ml-Proben der folgenden Abfüllungen befinden:

  • Rote Williamsbirne
  • Annia’s Gin
  • Quitte
  • Mirabelle
  • Schlehe
  • Basler Kirsche
  • Hollermandl (Holunder, Williams)

Rochelt Rote Wiliams

Die Rote Williamsbirne stammt aus der Weststeiermark. Dieser Brand zählt bei Rochelt zu den Raritäten. Die Reifezeit im Ballon beträgt 10 Jahre.

Die Nase zeigt vollreife Birnen, die mit einer dezenten Vanillenote schon fast Richtung Birnenkompott tendieren. Der Brand riecht schwer und süß. Im Geschmack finden wir ebenso ein würziges Birnenkompott mit etwas Vanille, Kernnoten und einer leichten Alkoholpräsenz. Im langen Abgang kommt eine kühle Note dazu, die etwas an Menthol und etwas Metallisches erinnert.

Ein sehr intensiver und fantastischer Birnenbrand, der super balanciert ist. Gefällt mir im Vergleich etwas besser als der Rote Williamsbrand von Reisetbauer.

Rochelt Annia´s Gin

Annia´s Gin wurde als Geburtstagsüberraschung für die Ehefrau des Schnapsbrenners kreiert und deswegen nach ihr benannt. Er besteht aus den Lieblingszutaten von Annia. Weil der Gin so gut ankam wurde er fester Bestandteil des Sortiments. Die Basis für den Annia’s ist ein 10 Jahre gereifter Gravensteiner Apfelschnaps, der mit Wacholderbeeren und Zapfen vereint wird. Nach der Destillation ruht der Gin noch für 1 Jahr. 0,35 Liter kosten um die 160 Euro.

Die Nase startet mit einer deutlichen harzig-waldigen Wacholdernote und Apfel. Im Hintergrund schwingt noch etwas Pfeffer mit. Im Geschmack finde ich den Apfel weniger präsent, da dominiert ganz klar der würzige Wacholder. Im Abgang kommt dann der Apfel wieder nach und nach durch und dann kommt auch wieder der Pfeffer hervor. Ein sehr körperbetonter und kräftiger Gin. Wäre uns jedoch das Geld nicht wert. Auch wenn es sich um ein wunderschön puristisches Produkt handelt. Das mögen wir ja eigentlich.

Rochelt Wachauer Marille

Die Wachau ist eine der besten Wein- und Obstanbauregionen Österreichs. Gelegen an den Ufern der Donau bieten Boden und Klima ideale Voraussetzungen für das Wachstum der Marillen. Die Marillenbauern warten darauf, bis die Früchte in voller Reife selbst vom Baum fallen. Die handverlesenen Marillen werden an jedem Erntetag nochmals sortiert, gereinigt und direkt vor Ort zu Maische verarbeitet. Erst dann erfolgt der Transport in die Brennerei. Die Reifezeit in den Ballons beträgt 7 Jahre. 0,35 Liter kosten 155 Euro.

Ein voller Geruch mit einer klaren fruchtigen Marille mit etwas Vanille, Minze, einem Steinton, Zitronenschalen und einem dezent hefigen Touch und einer angenehmen Würze. Im Hintergrund auch florale Aromen und etwas Mentholiges. Sehr konzentriert und dicht. Im Geschmack klar strukturierte Marille, erinnert etwas an Aprikosenmarmelade und Aprikosenkuchen mit einer subtilen Würze und einem Hauch Vanille. Wir haben das Gefühl das Fruchtfleisch zu schmecken. Sehr komplex mit viel Tiefgang. Die Konsistenz ist sehr ölig. Der Abgang ist fast schon etwas herzhaft. Ein Wahnsinns-Brand.

Rochelt Quitte

Die Quitten für diesen Brand kommen aus Oberösterreich und die Sorte hört auf den Namen Ronda. Sie ist birnenförmig, filzig behaart und zum Zeitpunkt der Vollreife goldgelb. Die Quitten hängen oft bis Ende Oktober am Baum. Denn erst der Wechsel zwischen warmen, sonnigen Herbsttagen und schon kühleren Nächten lässt diese Früchte besonders gut ausreifen. Die Früchte werden gewaschen und sortiert und anschließend eingemaischt und natürlich vergoren. Der fertige Brand reift mindestens sechs Jahre, manchmal auch bis zu 12 Jahre in den offenen Glasballons. Eine Flasche koste um die 150 Euro.

Im Geruch finden wir einladende typische Quittenaromen, die auch eine deutliche Spur Apfel mitbringen. Die Nase ist recht hell mit zitrischen und floralen Anklängen. Wir können keinerlei Fehltöne finden. Im Geschmack dann sehr viel fruchtige Quitte und Honig mit einer Spur von Gewürzen und wieder zitrischen Aromen. Sofern man dem Brand die Zeit im Glas gibt, denn dieser Brand scheint besonders lange zu brauchen bis er sich richtig öffnet. Der Nachgeschmack bleibt in dem Muster und ist sehr sehr lang mit einer öligen Textur und einer schönen Süße am Ende. Sehr lecker!

Rochelt Schlehe

Die Schlehe wird auch Schlehdorn oder Schwarzdorn genannt und ist mit der Pflaume verwandt. Der mittelgroße, dornige Busch bildet im Herbst kleine, kugelige, dunkelblau bis schwarze Steinfrüchte. Die Schlehen für diesen Brand stammen von wildwachsenden Früchten aus den Wäldern der Karpaten. Sie werden erst nach dem ersten Frost geernet. Die Reise nach Österreich treten sie gleich nach der Ernte in einem Kühltransport an. Sie werden auf dem Weg nicht gefroren, sondern kommen frisch in die Brennerei wo sie sofort verarbeitet werden. Für einen Liter dieses Schnapses benötigt Rochelt bis zu 100 kg Schlehen. Eine Flasche kostet circa 230 Euro.

Die Nase empfängt uns mit unerwartet grünen Aromen und einer dezenten Mandelaromatik, die von zitrischen Anklängen und floralen, sowie buttrigen Aromen und einer leichten Pflaumenwürze begleitet wird. Die Schlehe riecht fast schon etwas parfümiert. Eine hervorragende Nase, an der man ewig schnuppern möchte.

Der Geschmack präsentiert sich mundfüllend, leicht süß und fruchtig mit Aromen von Pflaumenfruchtfleisch, etwas Kernaromatik und einer gut balancierten Mischung aus herben und würzigen Aromen mit dann wieder etwas Mandel im langen Abgang. Blind hätten wir beide nicht auf eine Schlehe getippt.

Basler Kirsche von Rochelt

Rochelt Basler Kirsche

Bei der Basler Langstieler Kirsche handelt es sich um eine Süßkirsche, die ursprünglich aus dem Schwarzmeerraum stammt und ca. 70 v.Chr. von den Römern nach Italien gebracht wurde. Rochelt verwendet für seinen Brand die beiden Kirschsorten namens „Basler Langstieler“ und „Dolleseppler“. Beide kommen aus dem Basler Raum. Die Kirschen sind herzförmig und bei Vollreife sehr dunkelrot mit einem kräftigen Aroma und einer ausgeprägten Süße. Sie werden per Hand gepflückt und anschließend gewaschen, sortiert und entkernt.

Die Nase ist anfänglich etwas verhalten, öffnet sich aber nach und nach. Dann präsentiert sie ganz klare und feine, aber auch würzige Kirscharomen. Neben der Kirsche finden wir deznte Mandelaromen, Honig, etwas das wir mit Wein assoziieren und etwas Wachsig-Butttriges. Die Nase ist insgesamt sehr wuchtig und spricht uns beide an.

Im Mund auch wieder eindeutig Kirsche, die sehr fruchtig daherkommt. Frisch geschnittenes Gras, Anis, Vanille und eine ganz leichte Säure komplettieren den Geschmack. Ein sehr schöner Brand, den wir im Nachgang noch einmal mit dem Kirschbrand von Hans Reisetbauer vergleichen haben. Bei diesem Vergleich hatte der Brand von Hans ganz knapp die Nase vorn. Das ist aber persönlicher Geschmack, denn beides sind Weltklasse-Brände.

Rochelt Hollermandl

Zum Schluss kommen wir zur Hollermandl. Etwas das wir zuvor noch nie gehört haben, uns aber umso mehr interessiert hat als wir nachgelesen haben um was es sich handelt: Nämlich einem Cuvee aus Williamsbirnen und Holunderbeeren. Dieser Brand ist dem traditionellen Tiroler Gericht mit dem selben Namen nachempfunden. Die Holunderbeeren stammen aus der Weststeiermark. Beide Brände werden getrennt voneinander vergoren und destilliert. Erst danach werden sie in einem nicht weiter benannten Verhältnis miteinander cuvetiert. Die Reifezeit der Hollermandl beträgt 14 Jahre. Um die 130 Euro muss man für ein Fläschchen einplanen, sofern man es noch bekommt.

Da ist direkt sehr viel in der Nase los: Tiefe, warme und fruchtige Birne, die an Kompott erinnert, etwas Banane, eine Cassisnote. Weich und saftig mit herben Schokoanklang und Gewürzen wie Zimt und Nelke. Im Geschmack kommt der Holunder dann noch mehr mit seinen wildfruchtigen und bitterschokoladigen Aromen zur Geltung. Die Herbe wird aber perfekt von der Williams abgefedert. Auch der Abgang ist herbfrisch, dicht und komplex mit einer wunderbaren Länge. Großes Kino.

Fazit

Was für eine geniale Reise durch die verschiedenen Produkte der Brennerei. Jede Abfüllung war auf einem extrem hohen Niveau. Besonders umgehauen hat uns die Marille und die Hollermandl. Christoph hat sich im letzten Jahr mit einigen Marillenbränden beschäftigt und empfand den Rochelt als die beste Abfüllung, die er bisher im Glas hatte. Die Hollermandl glänzte durch unglaubliche Komplexität und bot uns Aromen die wir so in dieser Kombination noch nie im Glas hatten.

Auch der Williamsbrand hat unseren bisherigen Lieblingsbrand ganz knapp von der Spitze verdrängt, allerdings zu einem deutlich höheren Preis. Einzig der Gin war uns dann am Ende im Preis-Genuss-Verhältnis ganz einfach viel zu teuer, auch wenn man ihm die handwerkliche Qualität natürlich nicht absprechen kann. Da wurde alles aus den Komponenten Apfel und Wacholder herausgeholt was man nur herausholen kann.

Cheers!