Ob Eichenholz aus Amerika oder Frankreich, Ex-Bourbon oder Ex-Sherry Cask, Portwein-, Rotwein- oder Banyuls-Fässer – die Auswahl an Fass-Finishes auf den Etiketten von Spirituosen scheint schier unendlich. Doch welchen konkreten Einfluss haben die verschiedenen Holzarten und Vorbelegungen eigentlich auf den Geschmack und Charakter des fertigen Destillats? Genau dieser Frage widmet sich das ambitionierte Projekt Fasssprache.
Die Idee hinter Fasssprache
Initiiert wurde das aufwendige Experiment von Nicolas Kröger, dem Gründer von Wagemut Rum. In der Welt der Fasslagerung werde fast ausschließlich Eiche verwendet, 99 Prozent der Rum- und Whisky-Produktion basiere auf diesem Holz, so Kröger. Da habe er sich gefragt, was eigentlich mit den ganzen anderen Hölzern sei, wie etwa Walnuss, Kirsche oder Akazie schmecken.
Um Antworten auf diese Fragen zu finden, hat sich Kröger mit Markus Eder zusammengetan, einem ausgewiesenen Fassbau-Spezialisten, der zahlreiche renommierte Brennereien berät. Gemeinsam stellten sie 15 Fässer aus den unterschiedlichsten Holzarten zusammen, die die Grundlage für das Fasssprache-Experiment bilden sollten.
Fasssprache – Das Experiment
Als Basis wählte Kröger einen 3-jährigen Rum aus Trinidad, der zuvor in Ex-Bourbon-Fässern reifte. Es sei wichtig gewesen, einen Rum mit einem gewissen Körper zu haben, damit er nicht von den intensiven Holznoten überdeckt werde, gleichzeitig sollte er aber auch nicht zu schwer sein, erläutert Kröger die Wahl. Der Grund-Rum (Probe Nr. 1) gefiel mir tatsächlich schon sehr gut: würzig, intensiv, dennoch leichte Fruchtnoten.
Dieser Grundrum wurde dann in 15 verschiedene Fässer gefüllt, die unter identischen Bedingungen ein 6-monatiges Finish erhielten. Neben klassischen Eichenfässern aus den USA, Frankreich und Deutschland kamen auch ungewöhnliche Hölzer wie Kastanie, Kirsche, Akazie oder japanische Mizunara-Eiche zum Einsatz. Die Beschaffung der Fässer sei mitunter eine große Herausforderung gewesen, manche Hölzer wie Walnuss oder Maulbeere seien extrem selten und schwierig zu verarbeiten, erinnert sich Eder im beigefügten Tasting-Video, das fast 3 Stunden dauert. Haltet euch für das Projekt Fasssprache also besser einen ganzen Abend frei. Es lohnt sich!
Die Fasssprache-Kollektion im Überblick
Das Ergebnis der aufwendigen Reifeexperimente ist eine Tasting-Kollektion der besonderen Art, die den Einfluss der Fässer auf den Rum veranschaulicht. Insgesamt 16 Abfüllungen umfasst das Fasssprache-Set:
- Grundrum: 3 Jahre Lagerung in Ex-Bourbon, Trinidad
- Amerikanische Eiche (6 Mon.)
- Französische Eiche (6 Mon.)
- Deutsche Eiche (6 Mon.)
- Karpaten Eiche (6 Mon.)
- Tokajer Eiche (6 Mon.)
- Kaukasische Eiche (6 Mon.)
- Akazie (6 Mon.)
- Esche (6 Mon.)
- Birne (6 Mon.)
- Kirsche (6 Mon.)
- Maulbeere (6 Mon.)
- Kiri (6 Mon.)
- Kastanie (6 Mon.)
- Walnuss (6 Mon.)
- Mizunara (japanische Eiche, nur 3 Wochen)
Holz, Herkunft und Handwerk – Hintergründe zur Fassauswahl
Bei der Zusammenstellung der Kollektion legten Kröger und Eder ihren Aussagen zufolge großen Wert auf Qualität und Nachhaltigkeit. Die Herkunft der Hölzer sei sehr wichtig, man wolle mit sauberen, zertifizierten Produkten arbeiten, die nicht aus Raubbau stammen, betont Eder.
So kommt etwa die Deutsche Eiche aus dem Pfälzer Wald, wo die Bäume auf nährstoffarmen Buntsandstein-Böden sehr langsam und feinporig wachsen – ideale Voraussetzungen für den Fassbau. Auch auf schonende Verarbeitung legt Eder wert. Die Dauben werden mindestens 36 Monate natürlich getrocknet und per Hand zu Fässern geschlagen. Nur so könne man höchste Qualität garantieren. Ich fand diese Hintergründe und Details sehr interessant, weil sie einerseits zeigen, was für ein filigranes Handwerk der Fassbau auf der einen Seite ist, zum anderen, über welche Zeiträume sich das erstreckt.
Exotische Hölzer wie die japanische Mizunara-Eiche bezieht Eder über langjährige Partnerschaften. Mizunara wachse oft krumm und sei sehr schwierig zu verarbeiten. Außerdem sei es eines der teuersten Hölzer überhaupt, was die lange Vorlaufzeit erkläre. Ähnlich aufwendig gestaltete sich laut Eder die Beschaffung der Walnuss- und Maulbeerbaum-Fässer. Das Birnenfass besorgte sich wiederum etwa Nicolas über private Wege.
Highlights und Überraschungen der Verkostung
Bei der Verkostung der 16 Rums zeigten sich einige Überraschungen. So überzeugte mich die Amerikanische Eiche nicht: Der Rum gewann zwar an Komplexität, wurde jedoch auch herber und verlor seine schöne Fruchtigkeit. Interessant waren hierzu die Insights von Eder: “Das amerikanische Fass, da geht es eigentlich immer ums Mundgefühl. Du hast im Großen und Ganzen ein sehr schönes, breites, wohlschmeckendes Gefühl im Mund, bedingt durch den hohen Vanillin-Haushalt, den die amerikanischen Eichen, also Quercus alba gegenüber zum Beispiel unserem europäischen Eichen hervorbringt.”
Ganz anders die Deutsche Eiche, auf die ich sehr gespannt war: Das Ergebnis empfand ich als runder und gefälliger, der Rum wirkte filigraner und deutlich weniger bitter als bei der Amerikanischen und Französischen Variante.
- Enthält 16x20ml Fläschchen mit Rum aus verschiedenen Fasslagerungen, darunter Walnuss, Esche und verschiedene…
- Jedes Fläschchen repräsentiert einen einzigartigen Holztyp, der unter gleichen Bedingungen gereift ist, um…
Einen bleibenden Eindruck hinterließ auch die Reifung im Kastanienholz-Fass: Das Highlight kam für mich fast zum Schluss – Kastanie brachte einen sehr runden, vollmundigen und wirklich leckeren Rum hervor. Eder war ebenfalls angetan und sprach von “höheren warmen, waldigen Noten”. Doch einen Favoriten hatte ich dann doch noch: Die Walnuss-Variante gefiel mir im direkten Vergleich sogar einen Hauch besser und war mein Favorit des gesamten Sets. Und auch hier gab es spannende Einblicke von Eder. Walnuss-Holz sei “richtig schwer”. Das spezifische Gewicht von Walnuss ist um den Faktor 1,3 höher gegenüber der Eiche.”
Erwähnenswert war das ungewöhnliche Aroma des Akazienholz-Fasses. Durch das Finish offenbarten sich krasse Noten von Speck – bemerkenswert, aber definitiv nicht mein Fall. Nicht nur, weil ich Vegetarier bin, sondern weil die Note irgendwie nicht zum Rum passte. Interessant war es allemal. Kröger bezeichnete es als “Schwarzwälder-Schinken-Anklänge”, die er sehr schön fand. So unterschiedlich sind die Wahrnehmungen.
Einen regelrechten Ausfall stellte für mich die Kirsche-Variante dar: Der Rum schmeckte wie einparfümiert. Ich sage das selten, aber das fand ich wirklich eklig und würde ich nicht nochmal trinken.
Eder war besonders angetan von der Mizunara-Variante. „Erstaunlich, was für eine Aromenvielfalt da schon nach 3 Wochen rüberkommt. Gewürze, Kokos, fast schon Zuckerwatte – Wahnsinn!”, kommentierte der Fass-Profi. Auch vom intensiven Kirsch-Aroma zeigte er sich beeindruckt: „Sehr parfümiert, fast schon wie ein Obstler. Beeindruckend, was das Holz aus dem Rum macht.”
Kröger zog ein positives Fazit des Experiments: „Die Maulbeere bringt zum Beispiel Anklänge von getrockneten Früchten, daran erinnert es mich sehr. Das gefällt mir richtig gut.” Überrascht war er dagegen vom geringen Einfluss des Eschenholzes. „In einer Blindverkostung hätte ich das nicht als Rum erkannt, da hätte ich eher auf einen nicht ganz sauber verarbeiteten Obstbrand getippt.” Auch Eder sagt, Esche eigne sich eher als Fass für Obstler und Korn, weniger für Rum.
Er merkte übrigens nochmal an, wie wichtig auch das richtige Tasting-Equipment und die Umgebung seien. “Es geht nämlich alles um die Nase, weil unser Geschmackssinn empfindet nur Dinge wie süß, salzig, sauer, bitter. Auch Umami können wir noch mit dazunehmen. Und den Rest, diese ganzen Filigrannoten nehmen wir eben über die Nase wahr.”
Fazit – Ein gelungener Fass-Striptease
Unterm Strich zeigt die Fasssprache-Kollektion eindrucksvoll, wie vielfältig sich verschiedene Holzarten auf den Grundcharakter einer Spirituose auswirken können. Die Verkostung macht deutlich, wie komplex die Interaktion von Destillat und Fass ist und eröffnet Rum-Liebhabern wie -Machern ganz neue geschmackliche Horizonte.
Für Nicolas Kröger steht fest: Das Thema Holz wird die Rum-Welt auch in Zukunft weiter beschäftigen. Mit der richtigen Fassauswahl könne man seinem Brand eine ganz eigene, unverwechselbare Note geben, ist er überzeugt. Weitere Experimente mit seltenen Hölzern werde es also sicher geben.
Die Fasssprache-Kollektion ist genau das, wonach Spirituosenliebhaber suchen, die sich für den Einfluss des Fasses auf den Rum interessieren. Das Set mit den 16 Proben kostet 99 Euro und ist etwa hier (Wagemut), hier (armagnac.de) und hier (Schnapspunk) erhältlich.
Welches Finish ist euer Favorit?
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Last modified: 26. Mai 2024