In der Welt des Whiskys dreht sich alles um Zeit, Geduld und das perfekte Fass. Severin Simon, leidenschaftlicher Brennmeister, gibt Einblicke in die Geheimnisse der Fassreifung und verrät, warum er lieber auf Vollreifung als auf trendige Finishes setzt.
Zucker und Zeste: Severin, ihr macht seit vielen Jahren Obstbrände und Whisky. Was war 2012 der Auslöser, nun noch Rum herzustellen?
Severin Simon: Für uns war das einfach der Punkt, dass wir alles, was man in einer klassischen Hausbar oder Hotelbar braucht, möglichst spannend selbst machen wollten.
Nun habt ihr den ersten Rum herausgebracht, der elf Jahre gelagert wurde. War das euer Plan von Anfang an?
Simon: Ja, wir wollten von Anfang an alten Stoff haben. Es könnte auch Richtung 12 Jahre gehen oder noch älter. Wir müssen jedoch schauen, ob wir das vom Volumen her sinnvoll handhaben können.
Apropos Volumen – wie hoch ist denn euer Angel Share im Norden Bayerns?
Simon: Wir liegen ziemlich genau bei 4 Prozent pro Jahr.
Das ist ja schon ein bisschen mehr als in Schottland, oder?
Simon: Ja, genau. Wir sind zwar nicht auf karibischem Niveau, aber definitiv höher als die Schotten. Das macht die Sache natürlich spannend – und herausfordernd.
Ihr experimentiert ja viel mit Fässern. Wie wichtig ist das Fassmanagement für euch?
Simon: Fassmanagement ist für uns absolut entscheidend und gewissermaßen die Königsdisziplin. Mehr als die Hälfte der Aromatik kommt aus den Fässern. Für eine kleine Destillerie wie uns ist das noch wichtiger.
Inwiefern?
Simon: Nun, ich habe nicht 5.000 Fässer wie ein großer Produzent. Bei mir sind es vielleicht drei pro Charge beziehungsweise Abfüllung. Und wenn von diesen drei Fässern eines nicht die Aromatik bringt, die ich brauche, habe ich ein existenzielles Problem. Meine Fässer müssen alle gut sein. Ich muss wissen, was welches Fass kann und was es unter unseren Bedingungen mit meinem Destillat macht. Das ist für uns essenziell wichtig.
Das klingt nach viel Erfahrung und auch nach einigen Fehlschlägen…
Simon: Oh ja. Wir haben eine Art kleine Zeitmaschine, ein Wandregallager mit kleineren Fässern, maximal 30 bis 50 Liter, in denen der Reifungsprozess schneller geht. Echte Experimente machen wir erst mal im Kleinen. Wenn etwas funktioniert, gehen wir ins Große.
Mit welchen exotischen Hölzern habt ihr schon experimentiert?
Simon: Wir haben mit allem Möglichen gearbeitet: Akazie, Maulbeerbaum, Zedernholz, Kastanie, Kirsche, Elsbeere, Walnuss… Alles, was man sich an Hölzern so vorstellen kann.
Du bist ja eher ein Fan der Vollreifung und nicht so sehr der Finishes. Was stört dich an den Finishes, auf die viele in der Branche setzen?
Simon: Mich stört es nicht grundsätzlich, aber oft wirkt es ein bisschen aufgesetzt. Manchmal ist es legitim, wenn man ein Produkt hat, das etwas schwach auf der Brust ist und man ihm noch mal ein bisschen mehr Dampf geben will. Aber oft sind mir die Finishes zu dominant, und dann habe ich nur noch Trockenfrüchte im Glas, wie bei vielen Sherry-Abfüllungen. Und das ist nicht das, was wir anstreben. Wir wollen die Komplexität und Finesse des Whiskys herausarbeiten, nicht überdecken.
Das ist ein interessanter Punkt. Aber es gibt ja durchaus einen Trend zu immer extremeren Geschmäckern und höheren Alkoholgehalten. Wie gehst du damit um?
Simon: Ja, das stimmt. Es gab eine Zeit, da schien es nur darum zu gehen, wer den stärksten, dunkelsten, extremsten Whisky produzieren kann. Aber wir merken gerade, dass sich das wieder ein bisschen entspannt. Es muss nicht zwingend immer noch mehr Alkohol sein. Die Leute verstehen langsam, dass Farbe kein Qualitätsmerkmal ist.
Welches Fass war mal ein totaler Reinfall?
Simon: Ich hatte mal ein Fass mit kanadischem Ahornsirup. Das Ergebnis war… sagen wir mal, es war nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Und was wäre dein absolutes Traumfass?
Simon: Mich würden wirklich ein paar gute Bordeaux-Rotwein-Fässer von Top-Weingütern reizen, etwa Château Lafite-Rothschild. Die nebeneinander zu haben und zu schauen, was nach 6, 7, 8, 10 Jahren daraus wird – da hätte ich furchtbar Bock drauf. Aber an solche Fässer ranzukommen und dann auch noch die Namen verwenden zu dürfen, das ist nicht meine Liga. Aber träumen darf man ja!
Welche Rolle spielt denn das Whiskygeschäft im Vergleich zu euren anderen Produkten?
Simon: Für uns ist Whisky ganz klar das absolute Fokusprodukt, sowohl vom aktuellen Volumen als auch von der Zukunftsplanung her. Die Obstbrände spielen vom Volumen her praktisch keine Rolle mehr.
Was ist denn so die entspannteste Trinkstärke, die die meisten mögen?
Simon: Ich würde sagen, zwischen 43 und 46 Prozent ist aktuell eine gute Standardstärke, mit der auch Einsteiger noch klarkommen. Wenn die Sachen gut gemacht sind, ist es am Ende auch egal, ob da 40 oder 46 Prozent draufstehen. Man hat halt bei höherem Alkoholgehalt mehr Aromenkonzentration.
Zum Schluss noch: Ihr verkauft ja oft kleinere Flaschen mit 0,5 oder gar 0,35 Liter. Ist das eine bewusste Strategie?
Simon: Absolut. Wir kämen mit 0,7-Liter-Flaschen einfach preislich nicht klar. Wir sind in einer Nische, und das ist auch gut so. Wir wollen keinen Massenmarkt bedienen, das könnten wir auch gar nicht. Unser Ziel ist es, spannende, qualitativ hochwertige Produkte zu machen, bei denen alle Beteiligten Spaß haben. Ich nenne das gerne mal spaßhalber “arschlochfreie Produktion” – wo alle Beteiligten morgens ordentlich in den Spiegel schauen und einen schönen Tag haben können.
Last modified: 16. November 2024