Disqualifiziert beim wichtigsten Bartender-Wettbewerb der Welt – für die meisten wäre das ein Karriereknick. Für Kacper Dylak wurde es zum Startschuss für ein Produkt, das heute in 23 Ländern verkauft wird. Wir sprachen mit dem polnisch-schweizerischen Bartender darüber, warum neutrale Schäume die Zukunft sind und was ein Ei mit 200 Litern Wasser zu tun hat.
Kacper, ihr habt Vegg White entwickelt – ein veganer Eiweiß-Ersatz für Cocktails. Wie kam es dazu?
Kacper Dylak: Die Geschichte ist ziemlich verrückt, ehrlich gesagt. Ich bin seit 2007 Bartender, also seit bald 18 Jahren in der Branche. 2017 habe ich die Bacardi Legacy Competition in der Schweiz gewonnen und wurde Zweiter bei den World Class Finals. Im Jahr darauf wollte ich natürlich den ersten Platz holen – und wurde stattdessen disqualifiziert.
Autsch. Was war passiert?
Während der Disqualifikation hatte ich eine Espuma entwickelt, eine Mischung aus verschiedenen Texturen und Emulgatoren. Das war zwar nicht der Grund für die Disqualifikation, aber statt mich von diesem Misserfolg unterkriegen zu lassen, habe ich weitergemacht. Irgendwann kam mir die Idee: Warum nicht aus diesem Espuma-Rezept eine Alternative zu Eiweiß machen?
Und dann?
Piotr und ich kennen uns noch aus gemeinsamen Bacardi-Martini-Zeiten in Polen. Wir kommen beide aus Polen, ich lebe seit neun Jahren in der Schweiz, das Produkt wird in Polen produziert.
Ende Januar letzten Jahres haben wir die erste Palette verschickt. Mit lächerlichen 10.000 Euro Startkapital. Heute sind wir in 23 Märkten weltweit vertreten. Das war alles harte Arbeit, Leidenschaft und das Netzwerk, das wir uns über die Jahre aufgebaut haben.
Die Herausforderung: Eischaum ohne Ei
Eischaum wird seit über einem Jahrhundert in klassischen Cocktails verwendet. Wie repliziert man Textur und Stabilität ohne tierisches Protein?
Das war viel Trial and Error. Wir wussten, was wir erreichen wollten: das gleiche Mundgefühl wie Eiweiß, aber ohne den Geschmack und ohne die unerwünschten Aromen, die man normalerweise in Eiweiß-Ersatzprodukten findet. Es war ein langer Entwicklungsprozess.
Aber Vegg White ist mehr geworden als nur eine Eiweiß-Alternative. Man kann damit essbare Luft kreieren, Espumas machen, aufgebaute Schäume erzeugen – eine Technik, die wir quasi erfunden haben. Und weil das Produkt keine Proteine enthält, kann man es vorher mixen. Es ist fast allergenfrei, der einzige allergene Inhaltsstoff ist Sojalecithin, und das betrifft nur Menschen mit schwerer Soja-Allergie.
Sie arbeiten also auch mit Köchen und Baristas?
Genau! Oliver Oberlin, ein Ex-Zwei-Sterne-Koch aus der Schweiz, hat für uns Rezepte für die Küche entwickelt. Und Sandro Roth, ein renommierter Weltmeister im Bereich Coffee and Good Spirits, entwickelt Rezepte für Baristas. Wir wollen alle Bereiche der Hospitality-Branche erschließen.
Parallel dazu bieten wir Workshops an, die Bartendern helfen, ihre Skills außerhalb der Bar zu entwickeln – zum Beispiel Mobile Photography, wo wir zeigen, wie man mit dem Smartphone professionelle Fotos macht.
Der Praxistest: Neutral statt nervig
Viele vegane Alternativen wie Aquafaba haben ihre Macken – vom Geruch bis zur Inkonsistenz. Was macht Vegg White im Arbeitsalltag anders?
Vegg White hat ein neutrales Aroma und einen neutralen Geschmack. Es enthält keine Proteine und hat eine lange Haltbarkeit. Nach dem Öffnen kannst du es 30 Tage im Kühlschrank lagern. Es kreiert einen sehr geschmeidigen, zarten Schaum. Du trinkst den Cocktail mit dem Schaum, nicht durch den Schaum.
Unser bester Vergleich: Wenn du reines Eiweiß mit Sprudelwasser mischst, entsteht Schaum. Aber wenn du daran riechst oder es schmeckst, bleibt kein Aroma zurück.
(An dieser Stelle präsentiert Kacper zwei Cocktails zum direkten Vergleich – einen mit Vegg White, einen mit einem anderen Produkt)
Der Test: Bei Vegg White – kein Geschmack. Beim anderen Produkt – leichte Aromen.
Genau. Es gibt nichts Neutraleres als Wasser. Dieses Experiment zeigt es perfekt.
Sie verwenden 20-30 ml pro Cocktail, genau wie bei Eiweiß. War das wichtig?
Absolut. Wir glauben fest daran, dass eine Eiweiß-Alternative nicht nur Schaum bringen sollte, sondern auch Verdünnung. Vegg White verändert die Struktur eines Cocktails, macht ihn cremig und vollmundig. Viele andere Produkte kommen als Pulver oder Tropfen – bei uns ist die Dosierung identisch zum Original.
Was ist die Basis?
Es sind mehrere Hauptzutaten: Maltodextrin, Methylcellulose, Zuckeresther, Sojalecithin, ein bisschen Xanthan und ein bisschen Gummi Arabicum. Damit kann man essbare Luft machen, Espumas, geschüttelte Sours und sogar Prebatches – weil es keine Proteine enthält.
Viele Bartender beschweren sich, dass vegane Schäume zu synthetisch oder schleimig wirken. Wie habt ihr das gelöst?
Wir haben es geschafft, dass es sich neutral anfühlt. Es geht uns darum, dass die Zutaten eines Cocktails für sich selbst sprechen können. Der Schaumbildner soll nur Mundgefühl und Textur geben – keinen Geschmack, kein Aroma. Das war jahrelange Arbeit und Entwicklung.
Wie sieht es mit Nachhaltigkeit aus?
Wir verwenden recycelte PET-Flaschen, die weiter recycelt werden können. Bei den Zutaten haben wir darauf geachtet, dass wir nicht die Felder belegen, die man für Kichererbsen oder andere Pflanzen bräuchte. Wir haben von Anfang an global gedacht.
Ein Beispiel: Weißt du, wie viele Liter Wasser man für die Produktion eines Eis braucht? 200 Liter! Für Vegg White sind es etwa 2 Liter. Für Cocktails muss man also nicht so viele Ressourcen verschwenden.
Vielen Dank für das kurze Interview!