Dennis Ilies hat eine beeindruckende Karriere hingelegt: Einst in der Sterneküche zuhause, führt er heute als Head Bartender die renommierte Puzzle Bar in Hamburg. Im Interview gewährt er spannende Einblicke in die Philosophie der Bar, die Entwicklung außergewöhnlicher Cocktail-Kreationen und seine Sicht auf die Trends der internationalen Bar-Szene.

Zucker und Zeste: Hallo Dennis! Die Puzzle Bar hat sich in nur dreieinhalb Jahren zu einer der angesagtesten Adressen in Hamburg entwickelt. Was waren für euch bisher die aufregendsten Momente in dieser Zeit?

Dennis Ilies: Oh, da gab es einige besondere Highlights. Aber ich würde sagen, die letzten 12 Monaten waren ein echter Ritt – natürlich im positiven Sinne. Wir hatten vorher schon einen guten Ruf und Zulauf in Hamburg, aber im vergangenen Sommer hat die Bekanntheit nochmal einen richtigen Sprung gemacht. Die Bar war selbst an Wochentagen immer voll, teilweise schon am frühen Abend. Das war schon wild und hat uns ganz schön auf Trab gehalten (lacht).

Zucker und Zeste: Wenn man in eure Bar kommt, fällt sofort die unglaubliche Aussicht über die Hafencity auf. Ist das Panorama der Hauptgrund, warum die Leute zu euch kommen?

Dennis Ilies: Die Location mit dem Blick über die Elbphilharmonie und den Hafen ist natürlich ein Wow-Faktor, keine Frage. Ich würde sagen, für ungefähr die Hälfte unserer Gäste ist das der ausschlaggebende Grund, zumindest das erste Mal zu uns zu kommen. Aber mindestens genauso viele kommen wegen unserer außergewöhnlichen Drinks und dem Konzept der Puzzle Bar. Viele kennen uns auch schon länger und sind neugierig auf unsere saisonalen Kreationen und Specials.

Zucker und Zeste: Gibt es so etwas wie euren typischen Gast? 

Dennis Ilies: Das lässt sich ehrlich gesagt gar nicht so leicht beantworten – und das macht es ja auch so spannend für uns! Je nach Wochentag, Tageszeit und was gerade so los ist in der Stadt variiert das enorm. Wenn Ferienzeit ist, haben wir sehr viele Touristen aus allen Herren Länder da. Unter der Woche nach Feierabend sind es eher die Hamburger, die auf einen After-Work-Drink bei uns vorbeischauen. Und am Wochenende ist die Mischung wirklich total bunt. Vom entspannten Pärchen-Date über größere Gruppen bis zu Leuten, die noch auf dem Weg in den Club sind – da ist alles dabei. 

Zucker und Zeste: Bevor du in der Puzzle Bar angefangen hast, warst du lange in der Sterneküche zuhause. Wie sehr beeinflusst dich diese Zeit noch heute?

Dennis Ilies: Diese Erfahrung prägt mich bis heute und ist unheimlich wertvoll für meine Arbeit als Bartender und die Entwicklung unserer Karte. In einer Sterneküche dreht sich alles darum, Aromen gekonnt zu kombinieren, Texturen spannend einzusetzen und Techniken perfekt zu beherrschen. Genau das ist auch an der Bar mein Anspruch. Unsere erste Cocktailkarte hatte zum Beispiel Drinks mit Pilz- und Tomatendashi, inspiriert von den Aromentrends aus Metropolen wie London oder Tokio. Für viele Gäste in Hamburg war das anfangs schon ungewöhnlich, aber genau solche Impulse wollen wir setzen. Inzwischen kommen die Leute gezielt zu uns, um neue Geschmackserlebnisse zu entdecken. Es hat sich viel getan in den letzten Jahren.

Zucker und Zeste: Einer eurer Signature-Drinks ist der „Tom Kha Gai“. Was hat es damit auf sich?

Dennis Ilies: Der Tom Kha Gai ist eigentlich der Inbegriff unserer „Küche trifft Bar“-Philosophie. Er ist inspiriert von der bekannten thailändischen Suppe Tom Kha Gai. Wir fangen die Aromen der Kokosnussmilch, der Zitronengrasnoten und dezenten Schärfe in Cocktailform ein. Da haben wir lange getüftelt, bis die Balance stimmig war. Drinks wie dieser zeigen unsere Herangehensweise: Wir denken Aromen und Texturen oft zuerst wie ein Koch, nicht wie ein klassischer Bartender. Das Ergebnis dann in Cocktailform zu bringen, ist jedes Mal aufs Neue eine spannende Challenge für mein Team und mich.

Zucker und Zeste: Stichwort neue Drinks kreieren – wie läuft der Prozess bei euch ab? Woher kommen die Ideen?

Dennis Ilies: Puh, das ist total unterschiedlich und oft nicht planbar – die Inspirationen kommen einfach aus dem Alltag, manchmal ganz unerwartet. Einmal war ich in der Sauna und es gab so einen Mix aus Rosmarin, Kamille und exotischen Hölzern als Aufguss. In dem Moment dachte ich nur: Wow, die Kombination gemischt mit Zitrusfrische und schön kühl serviert – das wäre der perfekte Drink für unsere Terrasse im Sommer! Und schwups hatten wir ein paar Tage später den Drink auf der Karte (lacht). Manchmal dauert der Prozess aber auch deutlich länger und ein Drink muss reifen. Wir tüfteln dann so lange rum, bis wir vom Ergebnis zu 100 Prozent überzeugt sind. Beim Drink PB&J war ein beliebter Snack der Ausgangspunkt: das Erdnussbuttermarmeladenbrot. Das greifen wir auf und servieren den Drink mit einem getoasteten Brioche als Topping. Er kommt wahnsinnig gut an und wir freuen uns immer über die begeisterten Reaktionen unserer Gäste, wenn sie die Story hinter der Kreation hören.

Zucker und Zeste: Das klingt nach viel Liebe zum Detail! Verstehen eure Gäste immer, was da alles an Arbeit und Inspiration drinsteckt oder ist das oft auch vergebene Liebesmüh?

Dennis Ilies: Du hast es perfekt zusammengefasst. Die Liebe zum Detail und zu besonderen Geschmackserlebnissen ist unser Antrieb. Aber ich würde sagen, höchstens 20 Prozent unserer Gäste können wirklich nachvollziehen, was für ein Aufwand in so manchen Drinks steckt. Die große Mehrheit interessiert sich auch gar nicht so sehr dafür – was ja auch völlig okay ist. Am Ende des Tages geht es den meisten einfach um den Genuss des fertigen Getränks, ob mit oder ohne Hintergrundwissen. Da müssen wir als Bartender vielleicht auch einfach mal unseren Perfektionismus hintenanstellen. Trotzdem wünsche ich mir manchmal schon, dass noch mehr Gäste auch Interesse für die Zutaten, Techniken und Stories entwickeln, die einen besonderen Cocktail ausmachen. Da ist die Cocktailszene in Sachen Gästeedukation sicher noch ausbaufähig, ähnlich wie die Sterneküche vor 10-15 Jahren.

Zucker und Zeste: Wo wir gerade bei Gästen und ihren Vorlieben sind – verändert sich euer Angebot auch mit gesellschaftlichen Trends wie „weniger Alkohol“ oder „natürliche Zutaten“?

Dennis Ilies: Absolut, da geht momentan einiges in der Szene! Gerade das Thema alkoholfreie Cocktails ist in den letzten zwei Jahren durch die Decke gegangen. Den Trend haben wir schon früh aufgegriffen. Für uns war klar: Wir müssen Alternativen bieten, die geschmacklich 100 Prozent überzeugen – ohne das Gefühl zu geben, es handele sich um eine reine „Verzichts-Option“. Also kreieren wir alkoholfreie Drinks mit dem gleichen Anspruch wie Cocktails mit Alkohol. Da experimentieren wir mit hochwertigen alkoholfreien Spirituosen, aber auch viel mit selbst gemachten Komponenten: Kräuter-Infusionen, Fruchtpüree, eingelegte Gewürze und Gemüse, you name it. Da steckt viel Hirnschmalz drin, aber wir merken dass die Gäste solche Alternativen enorm zu schätzen wissen. Ich glaube da wird in Zukunft noch viel passieren.

Zucker und Zeste: Dennis, du hast ja schon angedeutet, dass ihr in der Puzzle Bar gerne mit ausgefallenen Zutaten experimentiert. Gibt es etwas, das du schon immer mal ausprobieren wolltest, dich bisher aber noch nicht rangetraut hast?

Dennis Ilies: Ja, total! Ein Projekt, das mir schon länger im Kopf herumspukt, wäre eine Essenz aus Krustentieren – zum Beispiel aus den Schalen von Hummern oder Garnelen. Das wäre sicher wahnsinnig spannend in einem Drink, so als unterschwelliger Boost. Vielleicht ergibt sich ja mal eine Gelegenheit.

Zucker und Zeste: Wenn man sich euer Barsortiment anschaut, fällt auf: Raritäten wie Fassstärke-Abfüllungen findet man kaum. Ist das Absicht?

Dennis Ilies: Gute Beobachtung! Tatsächlich haben wir im Laufe der Zeit unser Sortiment immer mehr entrümpelt. Wir hatten anfangs zum Beispiel viele verschiedene Gin-Sorten da, viele Whisky-Raritäten und auch Fassstärken. Aber wir haben einfach gemerkt: Die werden bei uns so gut wie nie nachgefragt. Unsere Gäste kommen in erster Linie wegen unserer Signature-Drinks und der tollen Aussicht zu uns – nicht weil sie einen seltenen 30 Jahre alten Single Malt trinken wollen. Dafür sind wir als Bar einfach nicht die erste Adresse. Also haben wir viele Sorten nach und nach abverkauft und ausgelistet. Heute konzentrieren wir uns auf eine Handvoll hochwertiger Spirituosen pro Kategorie, von denen wir wissen, dass sie von unseren Gästen auch wirklich nachgefragt werden. Alles andere verstaubt nur im Regal und bindet unnötig Kapital. 

Zucker und Zeste: Wenn man international auf die Barszene schaut – wie siehst du da aktuell die deutsche Cocktailkultur aufgestellt? 

Dennis Ilies: Wir sind in Deutschland schon gut dabei, aber im Vergleich zu den richtigen Trend-Metropolen wie London, Paris oder Singapur haben wir noch Aufholbedarf. Was mir bei Reisen immer wieder auffällt: In den Szene-Bars dort ist die Selbstverständlichkeit, mit der die Gäste die Signature-Drinks ordern, viel größer. Da bestellt kaum einer einen Klassiker wie den Espresso Martini, sondern lässt sich von der Kreativität der Bartender und ausgefallenen Zutatenkombinationen auf der Karte überraschen. Dieses Grundvertrauen und die Offenheit, sich auf neue Aromen einzulassen, wünsche ich mir manchmal auch mehr von unseren deutschen Gästen. 

Zucker und Zeste: Aber da geht es doch voran, wenn auch langsam, oder? 

Dennis Ilies: Da hat sich in den letzten Jahren schon einiges getan – der Trend geht definitiv in Richtung Experimentierfreude statt Klassiker-Fokus. Daran haben sicher auch wir einen Anteil, aber auch anders Bars wie das „Liquid Garden“ oder die „Ba Nomu“.

Zucker und Zeste: Werfen wir zum Abschluss einen Blick voraus: Was sind deine Pläne für die Puzzle Bar für 2024?

Dennis Ilies: Wir werden unseren Weg auf jeden Fall fortsetzen und uns nicht auf dem Bisherigen ausruhen. Die Hafencity entwickelt sich um uns herum extrem dynamisch. Für uns ist das aber kein Grund zur Sorge, im Gegenteil: je mehr gastronomische Angebote es im Viertel gibt, desto mehr Laufkundschaft bringt das auch in unsere Bar. Und da wir uns ja in den letzten Jahren schon einen Namen gemacht haben, werden wir davon mit Sicherheit profitieren. Unser Anspruch bleibt: Wir wollen DIE Topadresse in Hamburg sein, wenn es um besondere Cocktailerlebnisse geht. Stillstand wird es in der Puzzle Bar definitiv nicht geben! 

Zucker und Zeste: Vielen Dank, Dennis, für diesen spannenden Einblick in eure Arbeit und die Hamburger Barszene! Da werden wir die Puzzle Bar und deine Cocktail-Kreationen definitiv weiterhin im Auge behalten. Wir wünschen dir und deinem Team weiterhin viel Erfolg!