Ein “langweiliger” Rum aus der Schweiz, experimentierfreudige Fassreifungen und eine naive Idee, die in Kuba begann. Pascal Kählin von Humbel erzählt, wie aus einer Spielwiese ein Lernprojekt über Fässer wurde – und warum nach zwei Monaten im Kirschfass erst mal alles zu stark nach Kirsche schmeckt.
Pascal, erzähl mal kurz die Idee hinter Cask Adventures. Das klingt nach Neugier, Experimentierfreude, Abenteuer.
Pascal Kählin: Wir machen bei Humbel seit 2010 Rum, der vom Stil her – positiv gemeint – eher ein langweiliger Rum ist. Also eher Kuba-Charakteristik statt Jamaika oder sowas. Und irgendwann fragte ich mich: Kann ich versuchen zu zeigen, was mit so einem – in Anführungszeichen – langweiligen Rum durch verschiedene Fasslagerungen möglich ist? Das war der Startschuss. Und für mich extrem toll, um über Fässer was zu lernen.
Wie viel davon ist kontrollierte Planung und wie viel wildes Ausprobieren?
Das Allermeiste ist schon wildes Ausprobieren. Es startet sehr oft in einem Ex-Cognac-Fass. Da ist noch nichts wild, weil die wirklich sehr gut sind. Aber wenn wir dann in ein Bierfass gehen, dann liegt zugegebenermaßen auch mal Zeug rum, das es nie in die Flasche schafft. Es ist, wie der Name sagt, wirklich ein Abenteuer.
Geht es dir um neue Aromen, um spielerisches Handwerk oder darum, die Rolle des Obstbrandes neu zu justieren?
Wenn Rum in Obstbrandfässer geht, lernen wir sehr viel. Bei Cave Guildive haben wir jetzt auch einen Mauritius-Rum in ein Zwetschgenfass gesteckt. Das hätte ich nie gemacht, hätte ich nicht mit Cask Adventures herumspielen dürfen. Aber es geht darum, Rum spannend zu machen, also die verschiedenen Facetten herauszuarbeiten. Je nachdem, welche Fässer zum Einsatz kommen, werden andere Dinge betont.
Was passiert, wenn ein klassischer Rum im Kuba-Profil in ein Kirschfass wandert?
Am Anfang, nach ein bis zwei Monaten, schmeckt es brutal nach Kirsche – und zwar eigentlich zu viel. Da musst du die Nerven bewahren. Dann wandelt es sich eigentlich dauernd.
Wie viele Experimente musstest du schon mal wegschütten?
Die muss man nicht unbedingt wegschütten. Im schlimmsten Fall – das ist das Schöne in der Brennerei – wird es redistilliert. Das größte Experiment waren 400 Liter. Aber es gibt auch einige Bäckereien, die Rum kaufen.
Wie kam es eigentlich zur Zusammenarbeit mit Humbel?
Ein Freund von mir hat ein Restaurant in Baden. Ich war da mal zu Besuch und er sagte: Morgen kommt Humbel und zeigt hier Treberbrände. Ich kannte die Brände schon und fand sie sehr, sehr gut. Er hat mir die Nummer gegeben und ich habe gefragt, ob ich ein Praktikum machen kann, weil ich gerne das Brennen lernen wollte.
Es gab bis dahin noch nie einen Praktikanten, aber wir haben uns sehr gut verstanden. Das Praktikum ging drei Monate und irgendwie bin ich hängen geblieben. Beide Seiten wollten gerne in irgendeiner Form zusammenarbeiten.
Und wie kam es zu eurem Rum?
2010 hat Lorenz neben Kirsch und Fruchtbränden versucht, die klassischen Barspirituosen in Bio zu machen – Gin, Wodka und Co. Die Idee war, dass eine Bar sich komplett in Bio bestücken könnte. Beim Rum gab es zu der Zeit nicht viel. Da gab es einen aus England, aber der war nicht wirklich gut.
Dann hat Lorenz gesagt: Lass uns nach Kuba gehen. Dort gab es eine Zuckerfabrik, die nach Schweizer Bio-Regeln zertifizierten Zucker herstellte. Die etwas naive Idee war, vielleicht kann man da Melasse kaufen und in einer Brennerei für uns destillieren lassen.
Das war komplizierter als gedacht?
Ja, die kubanischen Brennereien sind erstens sehr groß, zweitens sind sie geschützt wie das iranische Atomprogramm. Du kommst da rein, aber erfährst nichts. Die Zuckerfabrik hatte keine eigene Brennerei und hätte am liebsten gehabt, dass man da eine hinstellt. Das muss der Staat bewilligen, und Kuba will nicht einfach 100 neue Marken. Bio wäre eine Alternative gewesen, aber eine Brennerei dort hinstellen war absurd. Mit der Melasse sind das verhältnismäßig sehr kleine Mengen, aber das erreicht schnell Millionen-Liter-Bereiche.
Lange Rede, kurzer Sinn: Wir kauften 20.000 Kilo Melasse. Das war schon schwierig, die in die Schweiz zu kriegen. Wir haben angefangen zu brennen und gedacht, wenn es gut kommt, kann man immer wieder nach Kuba gehen. So hat das alles angefangen.
Welches Fassprojekt hat dich persönlich am meisten begeistert?
Kastanienholz. Das ist auch das einzige, von dem wir einen kleinen Batch Full Proof mit 68 Volumenprozent abgefüllt haben. Kastanie war sehr geil, weil es – wenn du das mit dem Zwetschgenfass oder dem Mirabellenfass vergleichst – echt zwei verschiedene Produkte sind. Die Kastanie macht ihn so trocken und erdig.
Wie werden solche Sachen angenommen? Liebhaberkram oder gut verkäuflich?
Das geht schon in die Abteilung Liebhaberkram, weil Schweizer Rum in verschiedenen Fässern nicht das ist, was jeder sucht. Aber es sind kleine Batches, das meiste waren 420 Flaschen oder so, die gehen schon weg. Und es ist prima für Messen, um zu zeigen, was dein Grundprodukt kann.
Und für mich zum Lernen: Wir haben jetzt 15 Jahre gebraucht, bis der gealterte normale Rum Solera an einem Punkt war, wo ich finde, dass er gut ist. Das sind drei-, fünf- und siebenjährige Komponenten. Bis du das zusammen hast, dauert das entsprechend lange. Die meisten Fässer, die jetzt in der Brennerei sind, entstanden wegen Cask Adventures. Wir haben viel über Fässer gelernt.
Wo siehst du Cask Adventures in fünf Jahren? Größere Marke oder kreative Spielwiese?
Cask Adventures bleibt sicher eine Spielwiese.
Letzte Frage: Was steht im Keller, was noch keiner weiß, worauf du dich freust?
Kein Rum, sondern ein Kirschbrand im Hampden-Fass. Wir haben bei Cave Guildive vor einem Jahr einen jüngeren Hampden herausgegeben und das Fass dann mit Kirschbrand befüllt – aus einem 130-Liter-Fass. Den Kirsch haben wir selbst assembliert: weiße Trauben, Schattenmorellen und ein paar Doldenkirschen. Ich finde den Kirsch sehr geil und super zum Altern.
Beim Rum kann ich’s gar nicht sagen. Ich war im Moment nicht mehr im Keller. Du musst das Zeug probieren, dann weißt du’s.
Cheers!