Australien ist in der Welt der Zuckerrohrdestillate immer noch ein weitgehend unbekanntes Terrain. Während die Karibik, die französischen Antillen oder Südamerika für ihre Rumproduktion berühmt sind, findet man australische Namen bislang selten. Doch gerade in den letzten Jahren haben kleine Produzenten gezeigt, dass sich auch hier eine eigenständige, handwerklich geprägte Spirituosenkultur entwickelt. Heute haben wir den Lord Byron Fire Cane Spirit Overproof im Test.
Die Brennerei
Die Lord Byron Distillery ist ein Familienbetrieb im Küstenort Byron Bay, bekannt für Strände, Surferkultur und naturnahes Leben. Gegründet wurde die Brennerei mit einem klaren Leitgedanken: nachhaltige Herstellung aus lokalen Rohstoffen, transparente Prozesse und die Vermeidung industrieller Zusätze.
Das Zuckerrohr wächst unweit der Brennerei und gelangt nach der Ernte ohne Umwege in die Verarbeitung. Auch in ökologischer Hinsicht geht die Distillerie konsequente Wege: Bagasse, das faserige Restmaterial des Zuckerrohrs, und der Dunder (der Rückstand nach der Destillation) wird zur Energiegewinnung genutzt oder in die Landwirtschaft zurückgeführt. Das Wasser kommt von der eigenen Farm. So entsteht ein geschlossener, ökologischer Kreislauf.
Die Herstellung
Der Lord Byron Fire Cane Spirit Overproof wird ganz klassisch aus Melasse hergestellt. Der Fermentationsprozess dauert bis zu Zehn Tage. Das ist nicht so lang wie teilweise z.B. auf Jamaika vergoren wird, aber deutlich länger als in den meisten Rumdestinationen. Der Prozess wird dabei kontinuierlich überwacht, bis ein Zielalkoholgehalt von 10% in der Maische erreicht wurde.
Lord Byrons Kupferbrennblasen wurden aus Portugal importiert und umfassen zwei Olympic-Brennblasen und eine Hybrid-Brennblase mit Brennblasenboden und Säulenkopf. Die zwiebelförmigen Brennblasen haben ein Fassungsvermögen von 400 Litern, und die Kondensatoren verfügen über etwa 8 Meter lange Rohrleitungen.
Tasting
Schon in der Nase zeigt der Rum eine beeindruckende Präsenz. Karamell, vom Zuckerrohr, aber daneben auch intensive vegatale Aromen. Keine klassisch karibischen Fruchtnoten, sondern gemüsige Noten. Im Hintergrund noch Vanille und eine Idee von umamilastigen Baijiu.
Am Gaumen wirkt das Destillat kraftvoll, zugleich präzise. Der hohe Alkoholgehalt von 63% ist spürbar, ist jedoch erstaunlich harmonisch eingebunden. Die Süße des Zuckerrohrs tritt kurz hervor, begleitet von würzigen Akzenten, die fast schon an Melasse erinnern. Dazu gesellen sich salzige Noten und eine dichte, vegetale Aromatik, die an frisches Gras, Kräuter und einen Hauch von Sellerie erinnert. Ingwer und Pfeffer sorgen für Spannung.
Der Nachklang ist lang, intensiv und extrem würzig. Karamell, vegetale Frische und eine würzig-salzige Umami-Tiefe bleiben zurück. Ein Hauch mentholartiger Kühle verstärkt die Frische im Nachhall. Trotz seiner Wucht bleibt der Lord Byron erstaunlich ausgewogen und wirkt wie eine konzentrierte Essenz der Melasse.
-7.8 von 10.0-
Fazit
Der Lord Byron Fire Cane Spirit Overproof ist kein gefälliger Allrounder, sondern ein Destillat mit Charakter. Er vereint die unmittelbare Frische des Zuckerrohrsafts mit süßen, würzigen und beinahe melasseartigen Noten, die von salzigen und vegetalen Facetten umrahmt werden. Damit zeigt er eindrucksvoll, wie vielschichtig ein ungereifter Melasse-Brand sein kann. Erinnert wie bereits geschrieben an einen Baijiu im Sauce Aroma-Style. Einen Rum mit einem solchen Aroma hatte ich bisher noch nicht im Glas.
Cheers!
(Dieser Text ist zuerst im Schnapsblatt erschienen)